Ilja Repin: War ein deftiger Brief Inspiration für das Meisterwerk über die Saporoger Kosaken?

Kultur
NIKOLAJ SCHEWTSCHENKO
Historiker bezweifeln, dass dieser Brief jemals existierte. Sein Inhalt strotze angeblich vor deftigen Beleidigungen.

In den 1670er Jahren stieß das Osmanische Reich mit dem russischen Zarenreich zusammen. Zweihundert Jahre später hörte der bekannte Maler Ilja Repin eine Geschichte über Kosaken, die einen demütigenden Brief an Mehmed IV., den Sultan des feindlichen Osmanischen Reiches, verfasst haben sollen. 

Die Geschichte inspirierte Repin, eines seiner größten Meisterwerke, das Gemälde „Die Saporoger Kosaken schreiben dem türkischen Sultan einen Brief“, zu schaffen. Während viele glauben, nicht zuletzt aufgrund von Repins künstlerischer Autorität, dass der Brief ein echtes historisches Dokument war, haben Historiker Vorbehalte.

Die Erzählung 

Im Sommer 1878 besuchte der bekannte Künstler Ilja Repin den berühmten Unternehmer und Kunstförderer Sawwa Mamontow in seinem Anwesen Abramzewo in der Nähe von Moskau. Während einer der gesellschaftlichen Zusammenkünfte dort hörte der Künstler eine Geschichte, die ihn inspirieren sollte. 

Die Kosaken, so hieß es in der Geschichte, erhielten einen Brief vom Sultan des Osmanischen Reiches, der ihnen befahl, sich ihm zu unterwerfen. Nachdem die Kosaken den Brief erhalten hatten, versammelten sie sich, um ihre Antwort zu verfassen, und formulierten diese so demütigend wie nur möglich.

Die Geschichte inspirierte den Künstler, eines seiner bekanntesten Meisterwerke zu schaffen. Historiker bezweifeln, dass der Brief mehr als eine Legende ist, die die Größe, den Stolz und die Liebe zur Freiheit der Kosaken hervorheben soll.

Der Brief 

Es gibt eine weit verbreitete Version der Korrespondenz zwischen dem osmanischen Sultan und der nachfolgenden Antwort der Kosaken. Erstere wird oft wie folgt formuliert:

Ich, Sultan und Herr der Hohen Pforte, Sohn Mohammeds, Bruder der Sonne und des Mondes, Enkel und Statthalter Gottes auf Erden, Beherrscher der Königreiche Mazedonien, Babylon, Jerusalem, des Großen und Kleinen Ägyptens, König der Könige, Herr der Herren, unvergleichbarer Ritter, unbesiegbarer Feldherr, Hoffnung und Trost der Muslime, Schrecken und großer Beschützer der Christen, befehle euch, Saporoger Kosaken, freiwillig und ohne jeglichen Widerstand aufzugeben und mein Reich nicht länger durch eure Überfälle zu stören.

Sultan Mehmed IV

Die trotzige, spöttische und sehr vulgäre Antwort des Kosaken an den Sultan wird so wiedergegeben:

Saporoger Kosaken an den türkischen Sultan!

Du türkischer Teufel, Bruder und Kumpane des verfluchten Teufels und des leibhaftigen Luzifers Sekretär! Was für ein Ritter bist du zum Teufel, wenn du nicht mal mit deinem nackten Arsch einen Igel töten kannst? Was der Teufel scheißt, frisst dein Heer. Du wirst keine Christensöhne unter dir haben. Dein Heer fürchten wir nicht, werden zu Wasser und zu Lande uns mit dir schlagen, gefi… sei deine Mutter!

Du Küchenjunge von Babylon, Radmacher von Mazedonien, Ziegenhirt von Alexandria, Bierbrauer von Jerusalem, Sauhalter des großen und kleinen Ägypten, Schwein von Armenien, tatarischer Geißbock, Verbrecher von Podolien, Henker von Kamenez und Narr der ganzen Welt und Unterwelt, dazu unseres Gottes Dummkopf, Enkel des leibhaftigen Satans und der Haken unseres Schwanzes. Schweinefresse, Stutenarsch, Metzgerhund, ungetaufte Stirn, gefi… sei deine Mutter!

So haben dir die Saporoger geantwortet, Glatzkopf. Du bist nicht einmal geeignet, christliche Schweine zu hüten. Nun müssen wir Schluss machen. Das Datum kennen wir nicht, denn wir haben keinen Kalender. Der Mond ist im Himmel, das Jahr steht im Buch und wir haben den gleichen Tag wie ihr. Deshalb küss unseren Hintern!

Unterschrieben: Der Ataman Iwan Sirko mitsamt dem ganzen Lager der Saporoger Kosaken.

Eine romantische Erfindung 

Diese Version des trotzigen Briefes inspirierte Ilja Repin, da sie die Kosaken als heißblütig, temperamentvoll und leidenschaftlich dastehen ließ. Diese Emotionen sollten sich in seinem Gemälde widerspiegeln. Historiker glauben jedoch, dass der Brief ein Volksmärchen und kein real existierendes historisches Dokument ist. 

„Die Korrespondenz des Sultans mit den Tschyhyryn-Kosaken hatte irgendwann im achtzehnten Jahrhundert eine textliche Veränderung erfahren, wodurch die Tschyhyryn zu den Saporogern wurden und die kontrollierte Satire der Antwort in ihrer Vulgarität gesteigert wurde. In dieser vulgären Version verbreitete sich die Kosaken-Korrespondenz im neunzehnten Jahrhundert ziemlich weit. In einigen Fällen wurde sie als authentische Dokumentation angeführt, vor allem, weil die Briefe tendenziell ein vorgefasstes romantisches Bild davon bestätigten, wie man sich die Kosaken vorstellte […]“, schrieb (rus)  Daniel C. Waugh, ein Experte für das mittelalterliche und frühneuzeitliche Russland an der University of Washington (Seattle).

Die Forscher glauben (rus) auch, dass der Brief ein Beispiel für weit verbreitete antitürkische Schriften war. Die Türken waren zur damaligen Zeit in Europa nicht beliebt. Sie weisen darauf hin, dass der Brief je nach Quelle unterschiedlich datiert ist, auch unterschiedliche Versionen, unterschiedliche Unterzeichner und Empfänger hat - all dies deutet eher auf fehlende Echtheit hin. 

Für Repin machte die Frage nach der Echtheit des Briefes jedoch keinen großen Unterschied. Der Künstler studierte die freiheitsliebenden Menschen, fertigte am 26. Juli 1878 die erste Bleistiftskizze des zukünftigen Meisterwerks an und vollendete es 1891.

Heute ist die Skizze in der Tretjakow-Galerie in Moskau zu sehen. Das Gemälde ist im Russischen Museum in St. Petersburg ausgestellt. Eine unvollendete zweite Version des Gemäldes ist im Museum der Schönen Künste in Charkiw, Ukraine, zu betrachten. 

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