Eine besondere Note erhielt Saltykow-Schtschedrins Werk durch die Tatsache, dass er lange Zeit als hochrangiger Beamter für die Zensur von Literaturwerken im zaristischen Russland arbeitete. „Schriftsteller des Sarkasmus und ätzender Analytiker“, „legaler Terrorist in Russland“ – so nannten ihn seine Zeitgenossen.
Saltykow-Schtschedrin – dieser Doppelname steht für die doppelte Biografie des Schriftstellers. Lange Zeit gab es nur Michail Saltykow, einen Abkömmling des Erbadels, der eine erfolgreiche Staatskarriere absolvierte und Vizegouverneur in den Provinzen Rjasan und Twer war, und den Schriftsteller und Publizisten Nikolai Schtschedrin.
Seine kompromisslose satirische Haltung brachte er überraschenderweise sehr gut mit seiner Arbeit in Regierungsämtern in Einklang. Den Staat zu vertreten und ihn gleichzeitig zu kritisieren – das war die exzentrische Entscheidung Saltykow-Schtschedrins.
Nikolai Jaroschenko. Porträt von Saltykow-Schtschedrin
Public domainSeine ersten Erzählungen Protiworétschija (dt.: Widersprüche) aus dem Jahre 1847 und Sapútannoje djélo (dt.: Eine verworrene Affäre) aus dem Jahre 1848, in denen er sich über das damalige Russland lustig machte, zogen mit ihrer scharfen sozialen Kritik die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich, die durch die Französische Revolution von 1848 aufgeschreckt wurden. Der Schriftsteller wurde für acht Jahre in die Stadt Wjatka in den Nordosten Russlands verbannt, weil er „... eine schädliche Denkweise und ein verderbliches Streben nach der Verbreitung von Ideen hat, die bereits ganz Westeuropa erschüttert haben...“ In der Verbannung übte Saltykow-Schtschedrin jedoch weiterhin seinen Dienst aus. Seine Beobachtungen des Lebens in den grauen russischen Provinzen lieferten dem Schriftsteller eine Fülle von Material für seine künftigen Werke.
Allmählich verdrängt der Literat Schtschedrin den Beamten Saltykow. Berühmt wurde der satirische Schriftsteller 1856 mit seinem Erzählungszyklus Gubérnskije ótscherki (dt.: Skizzen aus dem Gouvernement), in dem er das Leben der Bewohner der russischen Provinz beschreibt und dabei die Ordnung und Gesetze, Beamte und Grundbesitzer anprangert und lächerlich macht.
Der Schriftsteller geriet bald unter Beschuss der Kritiker. Man warf ihm vor, er sei bissig, spöttisch und folge der Mode des „Gelächters“ in der Literatur. „Ein zweifacher Vizegouverneur, der das staatliche System Russlands kritisiert, ist sowohl moralisch als auch rechtlich ein Paradoxon“, schrieb die Presse über Saltykow.
Michail Saltykow-Schtschedrin
Spivack/SputnikSaltykow reagierte mit neuen literarischen Werken. 1870 wurde sein satirischer Roman Istórija adnawó góroda (dt.: Die Geschichte einer Stadt) veröffentlicht. Und während sich Schtschedrin früher über das hässliche Leben in der Provinz lustig machte, setzte er hier die Regierung der Satire aus.
Schtschedrins Satire war geprägt durch die bildhafte Sprache des Volkes, durch zoologische Gleichnissen und die Groteske. Er schrieb Märchen wie Karáss-idealíst (dt.: Der idealistische Karpfen) und Arjól-mezenát (dt.: Der Adler als Mäzen), in denen er die Grenze zwischen Fantasie und Realität verwischt. Er machte reichlich Gebrauch von umgangssprachlichen Wendungen, Sprichwörtern und manchmal auch von derber, vulgärer und sogar beleidigender Sprache.
Unter allen russischen Schriftstellern, Publizisten und Pädagogen steht Saltykow-Schtschedrin an erster Stelle, was die Anzahl der von ihm in die russische Sprache eingeführten Wörter angeht. Es gibt im Russischen etwa 400.000 Wörter, ca. 600 davon wurden von Saltykow-Schtschedrin eingeführt! Zum Vergleich: Von Puschkin stammen in etwa 150, von Dostojewski 60 Neologismen. Schtschedrin verdanken wir solche Wörter wie zum Beispiel mjachkotjélostj (dt.: Rückgratlosigkeit), isnjéschnostj (dt.: Verweichlichung) und stesnítelnostj (dt.: Schüchternheit).
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