Der Name der Hauptstadt Elista bedeutet in der kalmückischen Sprache „Ort des Sandes“. Die „Perle der Steppe“, wie sie auch genannt wird, erscheint tatsächlich wie eine Oase inmitten des Nichts.
Die 1865 gegründete Stadt war lange Zeit nur ein Dorf (1.507 Einwohner im Jahr 1914, heute sind es 103.000). Die Kalmücken, das einzige buddhistische Volk asiatischer Herkunft in Europa, führten traditionell ein Nomadenleben. Mit der Revolution von 1917 änderte sich die Situation jedoch. Die sowjetischen Behörden unternahmen eine Zwangssesshaftmachung der ethnischen Gruppen des Landes.
Auf diese überstürzte Abkehr von den Traditionen folgte ein zweites, besonders einschneidendes Ereignis, eine Tragödie, die sich mitten im Zweiten Weltkrieg ereignete. Im Jahr 1943 wurde die Massendeportation der Kalmücken nach Sibirien und Zentralasien sowie die Auflösung der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik Kalmückien von den staatlichen Behörden unter dem Vorwurf der Desertion und Kollaboration mit dem Feind angeordnet. Dieser unter schrecklichen Bedingungen durchgeführte Prozess führte einigen Quellen zufolge zum Tod von fast der Hälfte des kalmückischen Volkes. Erst 1956 durften diese Verwandten der Mongolen in ihr angestammtes Gebiet zurückkehren.
Diese Ereignisse, die 1991 vom russischen Parlament als Völkermord anerkannt wurden, führten zu einem schweren Trauma, aber auch bis Anfang der 2000er Jahre zu ethnischen Spannungen. Angesichts der demografischen Verschiebung in der Region wurde das Kräfteverhältnis nun von den Kalmücken dominiert. Waren 1959 noch 56 Prozent der Bevölkerung Russen (103.300 Menschen) und 35 Prozent Kalmücken (64.900), so waren es 2010 57,5 Prozent Kalmücken (162.700) und 30 Prozent Russen (85.700).
Obwohl dieses düstere Kapitel der Geschichte noch immer präsent ist, wendet sich das Blatt inzwischen. Die Kalmücken erobern sich ihre Identität eifrig zurück. Die kalmückische Sprache wird in allen örtlichen Schulen gelehrt, Tempel und buddhistische Denkmäler blühen auf, und Elista zeigt nun eine asiatisch inspirierte Architektur.
Eines der glänzendsten Beispiele ist der spektakuläre Tempel des Goldenen Wohnsitzes von Buddha Shakyamuni. Das in nur neun Monaten errichtete und 2005 eingeweihte 63 Meter hohe Bauwerk verblüfft durch seine Dimensionen und seine Pracht. Es ist von 17 Pagoden umgeben, in deren Schatten Statuen von Gottheiten stehen, und verfügt über sieben Ebenen, darunter eine große und prächtige Gebetshalle. Die Gelassenheit der Umgebung, die durch die ununterbrochen gespielte meditative Melodie noch verstärkt wird, wird nur noch von der Hingabe der Gläubigen übertroffen, die mit gefalteten Händen zu diesem heiligen Ort kommen.
Wässrige Lotusfelder (eine heilige Blume auf der kalmückischen Flagge), Steppen mit flüchtigen Tulpen, Sanddünen, rosafarbene Seen, aber auch eine außergewöhnliche Fauna machen die Region zu einem bevorzugten Reiseziel für Liebhaber der Tierwelt.
Unter diesen Wundern ist die Saiga unbestreitbar das Wahrzeichen der Region. Hinter diesem Namen verbirgt sich die einzige Antilopenart, die es in Europa noch gibt, und es ist dieses etwas seltsam anmutende Tier, das mich, einen Bretonen mit zarter Haut, dazu veranlasst hat, mich in diese sehr sonnigen Gebiete zu wagen.
In Begleitung von Rostislaw, einem Angestellten des Reservats, das fast vier Stunden von Elista entfernt liegt, verwandelt sich meine kalmückische Reise in eine echte Safari. An Bord unseres Geländewagens fahren wir durch die unendlichen Weiten dieser goldenen Steppe, die wie eine Savanne aussieht. Hier und da ziehen Herden von Saigas umher, während Dutzende dieser anmutigen Pflanzenfresser mit Sprüngen, die den besten Tänzern des Bolschoi-Theaters würdig sind, in vollem Tempo vor uns über die Straße hüpfen.
Etwas weiter halten wir an und erreichen zu Fuß einen Beobachtungspunkt, der hinter getarnten Holzplatten versteckt ist. Ein beeindruckender Anblick bietet sich uns. Unterhalb dieses Hügels erstreckt sich ein ausgetrockneter See, an dessen Ufern Hunderte von Saigas grasen. Eine unvergessliche Szene, die ich nur in fernen afrikanischen Ländern für möglich gehalten hätte.
Der Natur ihre Rechte zurückgeben - das ist die Aufgabe des Reservats, das sich auch zum Ziel gesetzt hat, in diesem Gebiet Tiere wieder anzusiedeln, die einst die Region bevölkerten, wie den Onager, einen wilden asiatischen Esel. Neben der Erhaltung der biologischen Vielfalt hat diese langfristige Arbeit noch einen weiteren Effekt, nämlich den Kampf gegen die galoppierende Wüstenbildung in Kalmückien. Wenn man durch die Region reist, findet man sich in der Tat oft inmitten einer Quasi-Mondlandschaft wieder, die von ausgetrockneten Seen übersät ist.
„Der See trocknet aus, und zwar so schnell, dass es mir Angst macht. In drei Jahren wird auch er verschwunden sein", erzählt mir Witali, ein weiterer Mitarbeiter des Reservats, über den Manych-See. „Aber sie sagen, es ist ein Kreislauf. Während des Krieges war er offenbar auch trocken."
Die Ursachen für diese Wüstenbildung sind vielfältig und reichen vom Klimawandel bis zu direkten Eingriffen des Menschen. Unter Stalin wurde ein umfangreiches Projekt für Wasserkanäle in Angriff genommen, das zur Umleitung von Flüssen und folglich zur Austrocknung von Seen führte. Dies ist der Fall des Koltan-Nur, der früher aus Süßwasser bestand, heute aber nur noch durch seltene Niederschläge gespeist wird und der, wie viele andere Seen, salzig geworden ist.
Diese Veränderungen haben erhebliche Auswirkungen auf das tägliche Leben der Bewohner und auf die Tierwelt. So sind einige Dörfer gezwungen, ihre Wasservorräte per Lastwagen zu rationieren, und die Vogelzüge werden stark beeinträchtigt.
Kalmückien, welches traditionell ein wichtiger Zwischenstopp auf der Route vieler Vögel ist, wird seit einigen Jahren von einigen Vögeln gemieden, weil es in den Gewässern weniger Nahrung gibt.
Die unternommenen Anstrengungen zeigen jedoch, dass es noch Raum für Verbesserungen gibt. Waren bei der Gründung des Schwarzland-Reservats noch 70 Prozent des Gebiets mit Sand bedeckt, wachsen dort nun Federgras, Kammquecke, Borstenhafer und andere für die Steppe typische Pflanzen.
Da ich nun im Begriff bin, diese Breitengrade zu verlassen, um in meinen Moskauer Beton-Dschungel zurückzukehren, kann ich diesen Kranichen nur eine „weiße Straße“ wünschen, wie die herzlichen Kalmücken sagen, die genau wie ich, bestimmt wieder in diese Gegend zurückkehren wollen.
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