Die fünf bekanntesten Meisterwerke von Anton Tschechow

e-artnow, Holzinger, Diogenes Verlag, Ullstein bild/Getty Images
Der Name Anton Tschechow steht für Ambivalenz, Stimmungen und Zwischentöne. In Tschechows Werken steckt der Teufel immer im Detail.

  1. Der Kirschgarten

Ljubow Ranewskaja ist eine liebenswürdige und großzügige, aber auch weltfremde und unpraktische Person. Die Gutsbesitzerin kennt den Wert des Geldes nicht und ist völlig pleite. Nachdem sie fünf Jahre in Frankreich verbracht hat, kehrt Ranewskaja nach Russland zurück, wo ihr der Verlust des Familienbesitzes droht – zusammen mit ihrem geliebten Kirschgarten, einem Symbol für Jugend und Hoffnung. Und prompt wird ein reicher Kaufmann namens Jemeljan Lopachin, dessen Eltern einst Leibeigene von Ranewskajas Eltern waren, der neue Besitzer des schönen Anwesens. Der Eigentümerwechsel markiert den Beginn einer neuen Ära.

Tschechows letztes, im Jahr 1903 geschriebenes Stück lässt sich als Epilog zu seinem eigenen Leben und vielleicht sogar zur russischen Literatur lesen. Alle Figuren dieses Dramas sind die Urtypen des russischen Lebens, wobei der „Kirschgarten“ als Metapher für das Schicksal und die Zukunft Russlands gedeutet werden kann.

  1. Drei Schwestern

Olga ist 28, Mascha 25 und Irina erst 20 Jahre alt. Die eine ist ständig müde, die andere versucht, Ordnung und Sinn in ihr Leben zu bringen und die dritte ist so sehr von sich selbst eingenommen, dass sie sich Sorgen macht, alt zu werden und sich immer weiter von dem „wahren und wunderbaren Leben“ zu entfernen, das irgendwo anders existiert. Die Geschwister Prozorow stammen aus einer wohlhabenden Moskauer Adelsfamilie und sind angewidert vom Leben in einer kleinen Provinzstadt, in die sie vor elf Jahren gezogen sind. „Nach Moskau, nach Moskau, nach Moskau!“, diesen Satz wiederholen die Schwestern gequält wie ein Mantra und ersticken in der unbezwingbaren Routine des seichten Provinzlebens. Ständig denken die drei Schwestern daran, nach Moskau zurückzukehren, doch ihr Traum ist zum Scheitern verurteilt.

Die Suche nach dem Sinn des Lebens zieht sich durch Tschechows Stück, in dessen Mittelpunkt vermeintlich unscheinbare Menschen stehen, die in den rückwärtsgewandten Mustern ihres Alltagsleben ausharren.

  1. Die Möwe

Die Schauspielerin Irina Arkadina, ihr Sohn Konstantin Treplew, der erfolgreiche Schriftsteller Boris Trigorin und Nina Saretschnaja, die davon träumt, ein Bühnenstar zu werden, verstricken sich in ein turbulentes Beziehungsgeflecht voller Dramen und unerwiderter Liebe. Trigorin, Arkadinas langjähriger Liebhaber, verlässt sie, um mit Nina zusammen zu sein, kehrt aber schließlich zu seiner alten Liebe zurück. Nina wiederum zieht es zu Trigorin hin und liebt ihn weiter, auch nachdem er sie verlassen hat. Die Enttäuschung darüber treibt Treplew in den Selbstmord. Jede Figur leidet unter einer unerwiderten Liebe und schafft es dennoch nicht, die Gefühle derer zu schonen, die sie lieben.

Die „Möwe“ markiert einen Wendepunkt nicht nur in Tschechows Werk, sondern auch in der weltweiten Dramaturgie. In diesem Stück stehen unbedeutende Details, alltägliche Nebensächlichkeiten und kleine Belanglosigkeiten im Mittelpunkt. Sie haben die Bedeutung eigenständiger, aber ebenso wichtiger Elemente des Dramas. Was den Helden widerfährt, spielt sich oft hinter den Kulissen ab. Die Beziehungen zwischen den Figuren sind so verwirrend wie überwältigend und unterliegen einem ständigen Wandel.

  1. Die Dame mit dem Hündchen

Dmitri Gurow, ein Frauenheld in den Vierzigern, verführt Anna Sergejewna, eine junge Frau aus der Provinz, während eines Urlaubs am Meer in Jalta auf der Krim. Der Sommer ist vorbei und die beiden Liebenden trennen sich für immer. Gurow kehrt nach Moskau zurück, wo er eine Frau und drei Kinder hat. Aber aus irgendeinem Grund kann er diesmal die außereheliche Affäre nicht vergessen.

Die Erzählung „Die Dame mit dem Hündchen“ gilt als Tschechows lyrischste Geschichte, in der sich eine einfache Liebesbeziehung zwischen zwei Menschen zu etwas Größerem entwickelt.

  1. Krankenzimmer Nr. 6

Iwan Gromow ist ein ehemaliger Gerichtsvollzieher, der an Verfolgungswahn leidet und in einer alten Nervenheilanstalt eingesperrt ist. Auf der Station Nr. 6 befinden sich mit ihm vier weitere Menschen, die emotional verlassen, vernachlässigt und missbraucht werden.

Andrej Ragin leitet die marode Anstalt schon seit zwanzig Jahren. Einst ein begabter Arzt, stellt er, von seiner Arbeit ernüchtert, seine Tätigkeit im Krankenhaus einer Stadt voller engstirniger Menschen beinahe ein. Eines Tages besucht Ragin die Station Nr. 6 und lernt dort Gromow kennen, den er für einen ungemein interessanten Gesprächspartner hält. Rogow schaut nun jeden Tag nach Gromow, und schon bald machen im Krankenhaus Gerüchte die Runde, dass der Arzt selbst angeblich verrückt geworden ist. 

„Station Nr. 6“ ist eine der eindringlichsten Geschichten der russischen Literatur. Tschechow (ein ausgebildeter Arzt, der das Schreiben von Geschichten mit der Behandlung von Patienten verband) beschreibt hier den Wahnsinn, die Einsamkeit, das Leid, die Verzweiflung und die Ungerechtigkeit und damit die tödlichen Krankheiten aller Gesellschaften.

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