Lew Tolstois „Krieg und Frieden“: Eine kurze Zusammenfassung

Kultur
ALEXANDRA GUSEWA
Die meisten Leser stellt die Lektüre des vierbändigen Romans vor eine gewisse Herausforderung. Dennoch sollte man die Handlung in groben Zügen kennen, wenn man sich als gebildeter Mensch ausgeben will.

Wovon handelt der Roman im Allgemeinen?

„Krieg und Frieden“ ist ein epischer Roman, der die Lebensgeschichten mehrerer Familien und weiterer hundert Figuren erzählt, die sich alle vor dem historischen Hintergrund des Krieges zwischen Russland und dem napoleonischen Frankreich abspielen. Tolstoi schrieb den Roman etwa sechsmal um (was für seine Frau bedeutete, ihn jedes Mal handschriftlich neu zu übertragen) und bildete dabei sowohl Moskau als auch Sankt Petersburg, die adlige Gesellschaft wie auch das Bauerntum und natürlich sowohl Kriegs- als auch die Friedenszeiten ab.

Was wollte der Autor damit sagen?

Im Allgemeinen wollte Tolstoi zeigen, wie sich große historische Ereignisse im Leben der einfachen Leute niederschlagen, wie sehr sich diese in turbulenten Situationen verändern und wie sich eine schlechte gesellschaftliche Meinung auf ihr Schicksal auswirkt. Darüber hinaus lässt Tolstoi Napoleon und den russischen Zaren Alexander I. als Charaktere lebendig werden und zeichnet ihre psychologischen Porträts sowie die Innenansichten der übrigen Figuren. Aus diesem gewaltigen Stoff schuf Tolstoi ein episches Gedicht (natürlich in Prosa) über die Heldentaten der Nation. Seine literarische Form war in der relativ jungen russischen Literatur bahnbrechend. 

Natürlich können in einer kurzen Zusammenfassung die Dutzenden von Figuren, die Tolstoi bis in kleinste Details ihres Erscheinungsbildes und ihrer Psychologie geschaffen hat, nicht vollständig beschrieben werden. Wir beschränken uns im Folgenden daher auf einige wichtige Handlungsstränge und Szenen, die Sie kennen sollten.

Eine kurze Zusammenfassung:

Natascha Rostowa ist ein junges und unbeschwertes Mädchen. Sie findet ihr Glück in Ehe und Kindern, während ihre Familie unter Schulden leidet und ihr erster Verlobter im Krieg zwischen Russland und dem napoleonischen Frankreich sein Leben lässt.

Band 1

Der Roman beginnt im Jahr 1805 mit einer Szene in einer Abendgesellschaft im Haus der Hofdame der Kaiserin, Anna Scherer. Die Sankt Petersburger Adelsgesellschaft diskutiert über die Bedrohung durch Napoleon. Hier werden zwei wichtige Personen eingeführt. Zum einen Fürst Andrej Bolkonski, der, obwohl seine Frau ein Kind von ihm erwartet, auf der Suche nach militärischem Ruhm in den Krieg ziehen will. Der andere, Pierre Besuchow, ist ein unehelicher Sohn eines Grafen, der ein großes Erbe erhalten hat (Kritiker betrachten Pierre oft als die „Stimme“ von Tolstoi selbst). Seine finanzielle Situation macht ihn zu einer guten Partie und er heiratet schließlich Hélène Kuragina, eine schöne „femme fatale“ der oberen Gesellschaft.

Dann verlegt der Roman seinen Schauplatz nach Moskau, wo wir die adligen Gutsherren der Rostows und ihre Kinder kennen lernen, darunter Natascha Rostowa, ein schönes junges Mädchen voller Leben. 

Schließlich wird der Leser in den Krieg in Europa entführt. Die russische Armee nimmt an der Schlacht von Schöngrabern (Hollabrunn) und dann an der Schlacht von Austerlitz teil. Andrej Bolkonski erlebt nicht den Ruhm des Krieges, den er erwartet hatte, und wird in der zweiten Schlacht schwer verletzt. Der Band endet mit der Beschreibung, wie Napoleon nach seiner Niederlage das Schlachtfeld bei Austerlitz beobachtet und Andrej zwischen den Toten, aber noch lebend, liegen sieht und befiehlt, sich um ihn und andere Verwundete zu kümmern.

Band 2

Andrejs Familie weiß nicht, ob er noch am Leben ist, aber er kehrt in der Nacht zurück, in der seine Frau entbindet (und während der Geburt stirbt). 

Pierre findet heraus, dass seine schöne Frau Ehebruch begangen hat, und wahrscheinlich viele Liebhaber unterhält. Er fordert ihren Geliebten, einen tapferen Offizier, zum Duell heraus und verletzt ihn. Pierre trennt sich von seiner Frau und tritt einer Freimaurerloge bei. 

Der traurige Andrej verlässt die Armee und kümmert sich um sein Anwesen. Dabei lernt er den Vater der Rostows kennen. Eine wichtige Szene des Romans ist, wie Andrej im Haus der Rostows übernachtet und nachts zufällig das Gespräch der so lebensfrohen Natascha Rostowa belauscht. Plötzlich hat er das Gefühl, dass das Leben auch von ihm zurückgewichen ist. Bald macht er Natascha einen Heiratsantrag, und sie stimmt zu. Er aber nimmt sich vor der Hochzeit noch ein Jahr Auszeit und sagt, er wolle Europa bereisen. 

Die junge Natascha vermisst Andrei so sehr, dass sie auf einer Gesellschaft den gut aussehenden Anatol Kurakin (den Bruder von Pierres Frau Hélène) kennenlernt. Er umwirbt sie und bittet sie schließlich, ihr Elternhaus zu verlassen und ihn heimlich zu heiraten. Dazu kommt es jedoch nicht (die Eltern erfahren von Nataschas Plan und halten sie auf, und es stellt sich heraus, dass Anatol bereits eine Frau hat). Aus schlechtem Gewissen erzählt sie dem gerade zurückgekehrten Andrej alles.

Nachdem Natascha und Andrej sich getrennt haben, trifft Pierre das Mädchen unter Tränen und sagt die inzwischen legendären Worte: „Wäre ich nicht ich, sondern der schönste, klügste und beste Mann der Welt, würde ich in dieser Minute niederknien und um Ihre Hand und Liebe bitten.“

Band 3

Der Krieg von 1812 beginnt und Napoleon ist auf dem Weg nach Russland. Andrej muss in die Armee zurückkehren, und ihm wird vom gesamten Regiment Ehre zuteil. Sogar Kutusow, Russlands Oberbefehlshaber, bittet ihn, in seinem Stab zu arbeiten, aber Andrej lehnt ab. Nach einer schweren Verletzung findet er sich am nächsten Krankenhaus mit Anatol wieder, der sein Bein verloren hat. Zu seiner eigenen Überraschung empfindet Andrej keine Wut auf diesen armen Mann, seinen ehemaligen Rivalen.

Pierre zieht ebenfalls in den Krieg und trifft bald auch auf seinen Feind, den ehemaligen Liebhaber von Hélène, der Pierre um Vergebung bittet. Die große Gefahr schweißt das russische Volk zusammen und lässt kleine Kränkungen vergessen.

Die wichtigste Szene ist die Schlacht von Borodino, in der die napoleonische Armee besiegt wird, und zwar in erster Linie aus moralischen Gründen - sie sind Invasoren, während die Russen für ihr Land kämpfen. Die französische Armee rückt jedoch weiter vor in Richtung. Die Moskauer müssen ihre Häuser in aller Eile verlassen. Auf dem Weg treffen die Rostows auf den verletzten Andrej, und Natascha kümmert sich um ihn.

Zur gleichen Zeit beschließt Pierre, Moskau nicht zu verlassen. Er glaubt, dass seine Mission darin besteht, Napoleon selbst zu töten. Schließlich wird er von den Franzosen gefangen genommen.

Band 4

Wie in Band 1 finden sich die Leser auf einer Abendgesellschaft in Sankt Petersburg bei Anna Scherers wieder. Allerdings wird nicht mehr abstrakt und philosophisch über Napoleon gesprochen. Die Adeligen lesen Nachrichten über das große Feuer, das in Moskau nach dem Rückzug der russischen Armee gelegt wurde. Schließlich fliehen die erschöpften napoleonischen Soldaten aus Russland und Kutusows Truppen drängen sie immer weiter zurück.

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Andrej stirbt und Natascha ist untröstlich über diesen Verlust. Außerdem erhält sie die Nachricht, dass ihr jüngerer Bruder Petja ebenfalls im Krieg gefallen ist. 

Pierre gerät in französische Kriegsgefangenschaft. Doch fast an der Grenze zu Russland gelingt es einer Partisanengruppe, eine Gruppe von Gefangenen der Franzosen zurückzuerobern. Und Pierre wird freigelassen. Er spielt mit dem Gedanken, Natascha zu heiraten, und Natascha willigt ein.

Epilog

Pierre und Natascha heiraten 1813 und bekommen vier Kinder. Natascha findet in der Ehe und den Kindern ihr absolutes Glück (Tolstois Verständnis von der Rolle und Aufgabe der perfekten Frau). Zugleich heiratet Nataschas Bruder die Schwester von Andrej Bolkonski. Sie alle verbringen Zeit miteinander und sprechen über Hoffnungen, ein neues Leben - und natürlich über Politik. 

Derweil philosophiert Tolstoi über Geschichte... „Sieben Jahre sind seit 1812 vergangen. Das turbulente Meer der europäischen Geschichte hat sich an seine Ufer zurückgezogen. Es scheint still vor uns zu liegen, aber die geheimnisvollen Kräfte, die die Menschheit bewegten (geheimnisvoll, weil wir die Gesetze, die ihre Bewegung steuern, nicht kennen), wirken weiter.“

Pierre möchte sich einem russischen Tugendbund anschließen, kritisiert die Behörden und hofft auf große Veränderungen. 

Dieses Ende könnte der Anfang eines anderen Romans sein, den Tolstoi schon vor „Krieg und Frieden“ schreiben wollte. Sein Interesse galt den Dekabristen, Adligen, die 1825 den großen Aufstand in Sankt Petersburg organisierten. Bei seinen Nachforschungen stellte er jedoch fest, dass die Wurzeln im Krieg von 1812 lagen. Also schrieb er zunächst einen Roman über diesen Krieg. Tolstoi begann zwar mit dem Roman „Die Dekabristen“, ließ aber die Idee aber nach drei Kapiteln fallen, weil er kein „allgemeines menschliches Interesse“ finden konnte, nach dem er stets suchte.

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