Zwischen der DDR und der UdSSR gab es einen regen kulturellen Austausch, unter anderem auch im Filmbereich. So zählten Filme, die auf der russischen Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts beruhen, wie etwa „Krieg und Frieden“ und „Wie der Stahl gehärtet wurde“, in Ostdeutschland zu den Filmklassikern. Alle Kinder kannten den Zeichentrickfilm „Nu pogodi“ (Na, warte), der in der deutschen Übersetzung zu „Hase und Wolf“ wurde.
Beim sowjetischen Publikum wiederum standen die Produktionen des ostdeutschen Filmstudios DEFA hoch im Kurs. „Schild und Schwert“ und „Menschen und Tiere“ waren wohl die bekanntesten sowjetisch-deutschen Gemeinschaftsproduktionen. Aber auch Filme, die ohne sowjetische Beteiligung entstanden, sorgten für volle Kinosäle.
Während im Westen der Western die Kinos eroberte, entwickelte sich in sozialistischen Ländern sein Pendant, der „Eastern“ oder „rote Western“ zu einem eigenen Genre. Zu den echten Perlen des Easterns zählten Indianerfilme mit dem jugoslawischen Star Goiko Mitić, die in der UdSSR enorm populär waren. Auf einer Rangliste der Kassenschlager unter den ostdeutschen Filmen in der Sowjetunion würden diese mehr als die Hälfte der Top Ten ausmachen. Der größte Erfolg wurde dem Film „Apachen“ aus dem Jahr 1973 zuteil, der über 40 Millionen Zuschauer anlockte, fast ein Drittel der damaligen Bevölkerung des Russischen Sozialistischen Föderativen Sowjetrepublik.
Die Indianerfilme der DEFA stellten die Antwort der DDR auf westliche Filme mit ähnlicher Thematik dar. Diese waren in erster Linie Verfilmungen der Abenteuerromane von Carl May aus der BRD. Da diese für das Publikum in den sozialistischen Ländern zugänglich und beliebt waren, wollte man ihnen ein eigenes Gegenstück bieten und die westlichen Produkte aus den Herzen der Zuschauer verdrängen. So erschien 1966 „Die Söhne der großen Bärin“ und es folgten mehr als zehn Filme nach den Romanen von Liselotte Welskopf-Henrich, James Fenimore Cooper und Thomas Mayne Reid, mit denen sowjetische Kinder bereits aufwuchsen.
Während in Westernfilmen die Indianer als blutrünstige Banden dargestellt wurden, die den heldenhaften weißen Männern feindlich gegenüberstanden, boten die Filme aus dem Osten eine diametral entgegengesetzte Sicht der Geschichte. In ihnen wurden die starken und tapferen Indianer zu Befreiern ihrer Heimat, die sich den Kolonisatoren zur Wehr setzten. Die weißen Männer hingegen unterdrückten die amerikanischen Ureinwohner und versuchten manchmal sogar, sie auszurotten.
In den Spielen der sowjetischen Kinder waren die Indianer, die Edelmut und Heldentum auszeichneten, fest verankert. „Indianer“ zu spielen, galt als ehrenvoller als „Krieg“, „Rote und Weiße“ oder „Spione und Grenzsoldaten“. „Selbst die beliebtesten Helden der Hinterhof-Folklore, die „Neulovimyje Mstiteli“ (Geheimnisvollen Rächer), kamen an „Ulzana“ und die „Weitspähenden Falken“ nicht heran", erinnerten sich Zeitgenossen.
In den späten 1950er Jahren entstanden vier deutsch-französische Filme. Einer davon war die Verfilmung von Victor Hugos Roman „Die Elenden“, der Geschichte des ehemaligen Sträflings Jean Valjean und seines Verfolgers, des Polizeiinspektors Javert. Die meisten Darsteller, Drehbuchautoren und der Regisseur Jean-Paul Le Chanois stammten aus Frankreich, aber einige der Aktionssequenzen wurden in Ostdeutschland gefilmt.
Das als Monumentalfilm zu bezeichnende Filmwerk, in dem das kapitalistische Paris mit dem sozialistischen Berlin zusammenkommt, fällt durch den Einsatz großer Kulissen und einer Vielzahl von Statisten auf. Heute gilt „Die Elenden“ als einer der ersten europäischen Blockbuster.
Doch das war nicht das Einzige, was diesen Film in der UdSSR zu einem Kassenerfolg machte. Das literarische Werk von Hugo wurde hier sehr geschätzt. Zudem war in der Sowjetunion bereits 1937 mit dem Titel „Gavroche“ eine inländische Verfilmung des Buches erschienen. Dieser für ein junges Publikum adaptierte Film reduzierte die ursprüngliche Vorlage jedoch stark: Von allen Handlungssträngen des Roman-Epos blieb nur die Geschichte des Schicksals des jungen Revolutionärs erhalten, der heldenhaft für die richtige Sache stirbt.
Auch „Die Elenden“ des Regisseurs Le Chanois wich von Hugos Vorlage ab: Insbesondere im Hinblick auf das Alter der Protagonisten. Während sie im Original etwa der gleichen Generation angehören, lernt Javert in der Verfilmung von 1958 Jean Valjean als Kind kennen, als Sohn eines Gefängnisaufsehers.
Der zweiteilige Film hat eine Länge von fast 3,5 Stunden. Die wichtigste Kinozeitschrift der UdSSR „Sowjetskij Ekran“ (Sowjetischer Bildschirm), in der dem Steifen „Die Elenden“ und ihrem Regisseur eine ganze Seiten gewidmet wurden, stellte fest, dass es der Crew „gelungen ist, ohne die Handlung mit einer Fülle von Details zu überfrachten, alle besonders interessanten und notwendigen Elemente auszuwählen, um die Epoche, die Haupt- und Nebenfiguren zu charakterisieren.“
Die sowjetische Filmzeitschrift „Sowjetskij Ekran“ stellte diesen Film mit einer kurzen Ankündigung vor: „Dieses Märchen ist den Kindern nicht nur in der Tschechoslowakei, sondern auch in der Sowjetunion vertraut. Es gehört in die Schatzkammer der Märchen in aller Welt“. Die berühmte Geschichte eines einfachen Mädchens, das unter den Anfeindungen seiner Stiefmutter leidet, aber schließlich aufgrund seiner besonderen Eigenschaften einen Prinzen heiratet, war in der Umsetzung durch das tschechoslowakische Studio Barrandov und die ostdeutsche DEFA beim sowjetischen jungen Publikum so beliebt, dass sie bis heute im russischen Fernsehen gebracht wird.
Die Idee einer Verfilmung des Märchens der tschechischen Schriftstellerin Božena Němcová mit dem Titel „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ stammt aus der Tschechoslowakei. Das dem Regisseur Václav Vorlíček zugewiesene Budget reichte jedoch nicht aus, um dieses Vorhaben zu verwirklichen. So schloss sich die DDR dem Projekt an, verdoppelte die ursprüngliche Summe und stellte das malerische Schloss Moritzburg und deutsche Schauspieler - allen voran Rolf Hoppe und Karin Lesch als Königspaar - zur Verfügung.
Auch die Handlung des Films trägt eine deutsche Handschrift. Die Zauberkraft kommt Aschenputtel nicht durch die gute Fee zu Hilfe, sondern durch den Haselnussbaum - wie in der Geschichte der Gebrüder Grimm. Im Gegensatz zum alten Märchen wartet die Heldin jedoch nicht auf Hilfe von außen, sondern ist bereit, für ihr eigenes Glück zu kämpfen. Sie kann den Prinzen leicht in den Schatten stellen.
Übrigens waren auch andere bildmächtige Märchen der DEFA in der UdSSR sehr beliebt, so etwa „Die Abenteuer des kleinen Muck“, „König Drosselbart“, „Frau Holle“, „Die goldene Gans“, „Schneewittchen und Rosenrot“, „Das Feuerzeug“, „Regentrude“ oder „Zwerg Nase“.
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