Blok, ein raffinierter Lyriker und Romantiker, schrieb einen umfangreichen Gedichtzyklus mit dem Titel Gedichte über die Schöne Dame. Der Dichter wurde von der Philosophie seines Zeitgenossen Wladimir Solowjow und dessen Konzept des Ewig Weiblichen beeinflusst — Bloks Schöne Frau war nicht einfach eine Frau, sondern ein kosmisches und metaphysisches Konzept. Ein Ideal, das unerreichbar war.
Der Dichter schrieb eines der zentralen Gedichte des Zyklus Ich hab Dich im Gefühl, die Jahre ziehen schnell im Jahr 1901. Er war 21 Jahre alt, trauerte aber bereits darüber, dass die Jahre vergingen und er seine ideale Frau noch immer nicht getroffen hatte. Er hatte nur eine Vorahnung ihres Erscheinens — sehnsuchtsvoll und liebend, wie er sich ausdrückte und Solowjow zitierte. Nun, er lag mit seiner Vorahnung richtig — 1903 heiratete er Ljubow Mendelejewa, die Tochter des berühmten Chemikers, die auf einem benachbarten Gut lebte und die er seit seiner Kindheit kannte.
Ich hab Dich im Gefühl, die Jahre ziehen schnell –
Im einen Anblick kann ich gänzlich Dich erfühlen.
(Übersetzt von Eric Boerner)
Dieses kurze Gedicht aus dem Jahr 1912 kann in voller Länge zitiert werden. Sehr viele Menschen in Russland kennen es auswendig.
Nacht, Boulevard, Laterne, Apotheke,
innentleertes, dumpfes Licht.
Du magst noch zwanzig Jahre leben –
Kein Ausweg. Alles bleibt, wie’s ist.
Stirbst – und musst von vorn beginnen,
Es wiederholt sich, wie es war:
Nacht, eisigen Kanales Schimmern,
Apotheke, Laterne, Boulevard.
(Übersetzt von Eric Boerner)
Als echter russischer Schriftsteller kam Blok nicht umhin, über den Sinn des Lebens nachzudenken. Einerseits geht es in seinen Versen um die Vergänglichkeit des Lebens, in dem alles zum Tod führt. Gleichzeitig geht es aber auch um den geschlossenen Kreislauf des Lebens, aus dem es kein Entkommen gibt, und darum, dass der Mensch (und im weiteren Sinne die Seele) dazu verdammt ist, ein und dieselben Handlungen zu wiederholen, geboren zu werden und zu sterben. Folglich bietet auch ein freiwilliger Ausstieg aus dem Leben kein Entrinnen aus diesem Kreislauf des Schicksals.
Fast jeder russische Gymnasiast hat einen Aufsatz über Das Bild des Vaterlandes in Bloks Versen verfasst. Der Dichter hat in der Tat sehr viel über Russland gedacht und geschrieben. Für ihn war es nicht nur das Land, in dem er lebte, sondern ein lebendiges Wesen, mit dem er untrennbar verbunden war.
1908 schrieb Blok das Gedicht Russland, in dem ihm sein Heimatland als eine ewig schöne Frau erscheint, die ihre Schönheit einem Zauberer überlässt. Laut Blok kann dies jedoch nicht zu ihrem Untergang führen.
Lass dich von ihm verführen und betrügen,
Wirst nicht zugrunde gehen oder sterben,
Und nur ein Blick der Sorge trübt
Die Schönheit deiner Züge...
Was soll's? Mit einer Sorge mehr —
Der Fluss fließt um eine Träne lauter
Du bleibst dieselbe wie vorher — ein Wald, ein Feld,
Ein Tuch, gemusterter bis zu deiner Augen Brauen…
Ihr seid Millionen. Wir – Legion, Legion, Legion!
Versucht nur, euch mit uns zu schlagen!
Ja, unsre schrägen Augen, gierig schon,
Verkünden: Wir sind Skythen, Asiaten!
(Übersetzt von Alfred Edgar Thoss)
Blok schrieb das obige Gedicht im Januar 1918, als die Nachricht von der Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen im Ersten Weltkrieg die Runde machte und in Russland die Feuersbrunst der Revolution und des Bürgerkriegs wütete.
Die Strophe beginnt etwas kriegerisch — als wären die Russen eine mächtige orientalische Naturgewalt, die alles beiseite fegen könnte, was sich ihr in den Weg stellt. Doch Blok bezieht sich auf Russland als eine Barriere, die Europa von Asien abschirmt, und als eine Kultur, die eine Vielzahl von Einflüssen aus West und Ost aufgenommen hat.
Und schließlich ruft der Dichter zum Frieden auf.
Erholt euch von des Krieges Schrecken, hört,
Von unsren Armen freundlich-fest umschlossen:
Noch ist es nicht zu spät, steckt ein das Schwert,
Lasst uns zu Brüdern werden und – Genossen!
(Übersetzt von Alfred Edgar Thoss)
Es sei angemerkt, dass Blok selbst nicht sehr angetan war von seinem Gedicht Skythen, das aufgrund seiner aktuellen Bezüge und seiner prägnanten Sprache schließlich viel zitiert wurde. Er war der Meinung, dass die Poesie über den politischen Manifesten stehen sollte.
Blok war anfangs von der Revolution von 1917 begeistert, da er in ihr eine Gelegenheit zur geistigen Erneuerung der Gesellschaft und die Chance zum Aufbau eines neuen Lebens sah.
In seinem Poem Die Zwölf (1918) stellt der Dichter die Revolution als Apokalypse dar, in der eine neue Welt geboren wird. Verwüstung, Hunger, Kälte, Straßenraub und Schießereien herrschen in einem halb zerstörten Petrograd (der Name von St. Petersburg in den Jahren 1914-1924). Doch Blok begrüßt und rechtfertigt den Zusammenbruch der alten Welt und den Triumph der neuen, elementaren Kräfte der Revolution.
Die Protagonisten des Gedichts, zwölf Soldaten der Roten Armee — zwölf „Apostel“ des neuen Glaubens – opfern im Namen der neuen Ära leichtfertig Menschenleben. Genosse, schieß auf die heilige Rus / die schier unverwüstlich / gleich einer Kate / und mit fettem Arsch!, schreien sie.
Jesus Christus geht vor den Rotarmisten in einem weißen Kranz aus Rosen. Es gibt verschiedene Interpretationen dieses Bildes – entweder segnet Christus die Revolution und weist ihr den Weg, oder die Soldaten der Roten Armee vertreiben ihn und stürzen den religiösen Glauben.
In den Jahren 1920-1921 wurde Blok von der Revolution desillusioniert, hörte auf, Verse zu schreiben, und starb praktisch an Hunger.
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