Welches Verhältnis hatten Puschkin, Tolstoi und Dostojewski zu den Zaren?

Kira Lisitskaya (Images: public domain)
Das Russland des 19. Jahrhunderts war ein „literaturbegeistertes“ Land. Die Zaren kannten und lasen alle ihre großen Schriftsteller, dachten über deren Werke nach, bestraften oder begnadigten sie. Aber was dachten die Schriftsteller selbst über ihre „Gebieter“?

Alexander Puschkin – vom Hass zur Liebe

Orest Kiprenski. Porträt von Alexander Puschkin

Der wichtigste russische Dichter hatte ein besonderes Verhältnis zur Obrigkeit. 1834 schrieb Puschkin: „Ich habe drei Zaren gesehen: der erste befahl mir, meine Schirmmütze abzunehmen, und las meinem Kindermädchen wegen mir die Leviten; der zweite beklagte sich über mich; der dritte ernannte mich auf die alten Tage zum Kammerpagen, aber ich möchte ihn nicht gegen den vierten eintauschen, denn wenn man es gut hat, braucht man nichts Besseres zu suchen.“

Wladimir Borowikowski. Porträt von Paul I.

Lassen Sie uns das genauer betrachten. Der erste war Paul I., er hat Puschkin kennengelernt, als dieser noch ein Kleinkind war. Der Dichter wurde 1799 geboren und 1801 wurde Paul getötet. Gleichzeitig deutet Puschkin in seiner Ode an die Freiheit an, dass der Mord mit der stillschweigenden Zustimmung dessen Sohnes und Erben, Alexander I., geschah.

George Dawe. Porträt von Alexander I.

Der zweite Zar war eben jener Alexander I. Mit ihm verstand sich der junge und heißblütige Puschkin nicht gut. Wegen seiner freidenkerischen Gedichte verbannte der Kaiser den Dichter in die Verbannung in den Süden und sperrte ihn anschließend auf dem Familiengut Michailowskoje ein. Dies „rettete“ Puschkin jedoch davor, sich am Aufstand der Dekabristen zu beteiligen, von denen viele seine Freunde waren und von denen nicht wenige schließlich zur Zwangsarbeit nach Sibirien geschickt wurden. Für sie hatte der Dichter unendlich viel Mitgefühl und schrieb hoffnungsvoll:

Schwere Fesseln werden fallen,
Kerker werden einstürzen – und die Freiheit
wird dich freudig am Eingang empfangen.

In Eugen Onegin zieht Puschkin sehr scharf über Alexander her, nennt ihn einen „schwachen und bösen Herrscher“ und „kahlköpfigen Gecken“. Alexanders Sieg über Napoleon betrachtet Puschkin als „zufälligen“ Ruhm. Das Verhalten des russischen Kaisers in diesem Krieg und seine Feigheit machte der Dichter wiederholt in Epigrammen lächerlich.

Franz Krüger. Porträt von Nikolaus I.

Der dritte Zar, den Puschkin erlebte, war Nikolaus I. Man glaubte, dass der Kaiser ein ungebildeter Soldat war, doch Puschkin wurde von ihm hoch geschätzt und hielt ihn in seiner Nähe. Nikolaus war in der Tat der persönliche Zensor des Dichters und las alle dessen Werke vor dem Druck. Darüber hinaus ernannte der Kaiser Puschkin zum Hofhistoriographen, gewährte ihm Zugang zu den Archiven und erlaubte ihm, an der Geschichte des Pugatschów-Aufstandes und anderen Themen zu arbeiten, die ihn interessierten.

Nikolaus I. erkannte dem Dichter den niedrigsten Hofrang eines Kammerpagens (eigentlich Kammerjunker) zu, was der bereits berühmte 34-jährige Puschkin als Demütigung empfand, ihm aber ein gutes Gehalt und verschiedene Privilegien bescherte. Es gab auch pikante Momente in der Beziehung zwischen dem Dichter und dem Zaren – so waren Gerüchte im Umlauf, dass Nikolaus in Puschkins Frau Natalia Gontscharowa verliebt gewesen sei, und der Dichter war sehr eifersüchtig.

Puschkin hatte eine besondere Beziehung zu Peter I., dem er das Gedicht Der eherne Reiter widmete, in dem er sowohl die Macht und Größe Peters bewunderte als auch beklagte, wie rigoros dieser über das seinem Volk und sein Land herrschte.

Außerdem war Puschkin der Urenkel von Abram Hannibal, einem Äthiopier, den Peter in seine Dienste nahm und dessen Patenonkel er war (und ihm seinen Vatersnamen gab). Puschkin schrieb darüber die unvollendet gebliebene Erzählung Der Mohr des Zaren.

Puschkin bereitete sich viele Gedanken über die Zarenherrschaft und überdachte es in seinen Werken neu. In der Erzählung Die Hauptmannstochter wendet sich Puschkin der Figur Katharinas II. zu und zeigt sie als großmütige und weise Kaiserin.

Leo Tolstoi: alle Herrscher sind „dumm und verdorben“

Leo Tolstoi

Tolstoi widmet Alexander I. in seinem Roman Krieg und Frieden viel Aufmerksamkeit. Er entwirft das Bild eines einfachen Mannes mit einer Vielzahl von Charaktereigenschaften, darunter Kleinlichkeit und Stolz, jedoch auch Sensibilität (Tolstoi schildert anschaulich, wie dem Kaiser der Anblick der Verwundeten nahegeht). Der Leser hat das Gefühl, dass die Figur Napoleons Tolstoi viel sympathischer ist, und er hält Alexander, den „Befreier Europas“, nicht wirklich für einen großen Lenker von Schicksalen. Gleichzeitig zeigt der Schriftsteller, mit welcher Frömmigkeit der Herrscher das russische Volk behandelt, das von seiner bloßen Anwesenheit begeistert ist.

Und doch kann Tolstoi mit einigen Vorbehalten als Anarchist bezeichnet werden. Er erkannte keine Autorität an, fürchtete sie nicht und prangerte die russischen Behörden unverblümt an. Er hält den Staat für einen Räuber, der einem Menschen, der auf seinem Land geboren ist, das Recht nimmt, dieses Land zu nutzen.

Die ganze Geschichte Europas ist laut Tolstoi die Geschichte dummer und verkommener Herrscher, die „ihr Volk töten, ruinieren und vor allem korrumpieren.“ Wer auch immer auf den Thron kommt, es wiederholt sich das Gleiche – Tod und Gewalt gegen die Menschen.

Nach Meinung des Schriftstellers sind es immer die „schlechtesten, niedrigsten, grausamsten und unmoralischsten und vor allem verlogensten Menschen“, die regieren. Als ob all diese Eigenschaften eine notwendige Bedingung für Macht wären.

Wiktor Wasnezow. Zar Iwan der Schreckliche

In dem ArtikelEins aber ist Not. Über die Macht des Staates geht Tolstoi sehr grob mit den russischen Zaren um, nennt Iwan den Schrecklichen „geisteskrank“, Katharina II. „eine Deutsche mit schamlosen und promiskuitiven Verhalten“ und Nikolaus II. zum Beispiel „einen kleingeistigen Husarenoffizier“.

Alexander Roslin. Porträt von Katharina der Großen

Alexander III., der übrigens Tolstois Talent sehr schätzte, nennt der Schriftsteller „dumm, unhöflich und ignorant“. Gleichzeitig war die Lieblingstante des Schriftstellers, Alexandra, zum Beispiel die Trauzeugin der Zarin Maria Fjodorowna, der Frau Alexanders III. Ein einflussreicher Verwandter trug dazu bei, dass Leo Tolstoi für die aufrührerische Erzählung Kreutzersonatenicht bestraft wurde. Das Werk wurde einfach verboten und der Schriftsteller wurde vom Kaiser nicht angetastet.

Fjodor Dostojewski war ein überzeugter Monarchist

Wassili Perow. Porträt von Fjodor Dostojewski

Dostojewskis Beziehungen zur Obrigkeit gestalteten sich auf höchst dramatische Weise. In seiner Jugend geriet Dostojewski unter dem Einfluss des Kritikers Wissarion Belinskij in den revolutionär gesinnten Kreis der Petraschewzen und las bei einem der Treffen den verbotenen Brief Belinskijs an Gogol vor, in dem das Leben in Russland in den dunkelsten Farben beschrieben ist.

Georg Botman. Porträt von Nikolaus I.

Im Jahr 1849 wurde er unter anderem wegen dieser Petraschewzen verhaftet. Nach acht Monaten im Gefängnis wurde der Schriftsteller zum Tode verurteilt. Bereits auf dem Schafott wurde Dostojewski und den anderen Mitgliedern des revolutionär gesinnten Kreises verkündet, dass Kaiser Nikolaus I. sie begnadigt und ihre Strafe in acht Jahre Zwangsarbeit in Sibirien umgewandelt habe. Einer der Verurteilten wurde durch die Scheinhinrichtung wahnsinnig und auch Dostojewski selbst war in seinem Geisteszustand gestört.

Aufgrund dieser Ereignisse nahm der Schriftsteller eine Neubewertung seiner Werte vor. Er schloss sich den Potschwenniki an, glaubte an die russische Identität und die Bedeutung der russischen Idee und wurde ein überzeugter Monarchist. In seinem Roman Die Dämonen beschrieb er anschaulich die Schädlichkeit revolutionärer Ideen und revolutionär gesinnter Jugendlicher.

Nikolai Lawrow. Porträt von Alexander II.

Dostojewski hatte auch direkte Kontakte zum Zarenhaus. Alexander II., der offiziell die Begnadigung der Potschwenniki verkündete, lud den Schriftsteller viele Jahre später zu einem Gespräch mit seinen Söhnen Sergej und Pawel ein. Dostojewski sah den Kaiser zwar nicht persönlich, aber er speiste dreimal mit den Großfürsten und erläuterte ihnen seine Vision von Russlands Zukunft. Er sprach u. a. über politische Themen.

Dem Schriftsteller gefiel die Persönlichkeit des Thronfolgers, des zukünftigen Alexander III., sehr gut und dieser schätzte Dostojewski und vor allem seinen Roman Die Dämonen sehr. Im Jahr 1880 empfing der zukünftige Kaiser den Schriftsteller in seinem Palast. Dostojewskis Tochter Ljubow erinnerte sich an dieses Ereignis: „Es ist sehr bezeichnend, dass Dostojewski, der in jener Zeit ein glühender Monarchist war, sich nicht an die Etikette des Hofes halten wollte <...>. Es war wahrscheinlich die einzige Zeit im Leben Alexanders III., in der er wie ein gewöhnlicher Sterblicher behandelt wurde. Er war dadurch nicht beleidigt und sprach später mit Respekt und Sympathie von meinem Vater.“

Iwan Kramskoj. Porträt von Alexander III.

Alexander nannte Dostojewskis Tod einen „großen Verlust“, und nur einen Monat später töteten die Terroristen, um die sich der Schriftsteller so sehr sorgte, seinen Vater, Kaiser Alexander II., und er bestieg den Thron.

Dostojewski plante auch ein Gedicht mit dem Titel Der Kaiser, dessen Hauptfigur Iwan VI. sein sollte, das Kaiserkind, das von der Tochter Peters des Großen, Elisabeth, abgesetzt, 20 Jahre lang eingekerkert und anschließend ermordet wurde.

>>> Die 10 größten russischen Schriftsteller aller Zeiten (TEIL 1)

>>> Die 10 größten russischen Schriftsteller aller Zeiten (TEIL 2)

Hier können Sie unserem Telegram-Kanal beitreten: t.me/rbth_deu

Aktivieren Sie die Push-Benachrichtigungen auf unserer Website!

Alle Rechte vorbehalten. Vervielfältigung ausschließlich unter Angabe der Quelle und aktiven Hyperlinks auf das Ausgangsmaterial gestattet.

Diese Webseite benutzt Cookies. Mehr Informationen finden Sie hier! Weiterlesen!

OK!