Des Zaren dunkle Reiter: Wer waren die „Opritschniki“?

Oprichniks in Novgorod, Early 20th century. Artist: Avilov, Mikhail Ivanovich (1882-1954)

Oprichniks in Novgorod, Early 20th century. Artist: Avilov, Mikhail Ivanovich (1882-1954)

Vostock-Photo
Die „Opritschniki“ des Zaren Iwan des Schrecklichen sind zum Symbol des russischen Mittelalters geworden. Massenhinrichtungen, Verfolgung von „Feinden“ des Zaren, Beschlagnahmung von Eigentum: Der Umfang ihrer Aufgaben war spektakulär. Wo aber kamen sie her und womit beschäftigte sich dieser altertümliche „Geheimdienst“ in schwarzen Kutten?

Die Hinrichtung eines Bojaren in der Zeit Iwans des Schrecklichen von Wassili Wladimirow, 1906 / Legion MediaDie Hinrichtung eines Bojaren in der Zeit Iwans des Schrecklichen von Wassili Wladimirow, 1906 / Legion Media

Kompromisslos, brutal, im Namen des Zaren für jede Tat bereit: Die „Opritschniki“ hielten das ganze Land in Angst und Schrecken und ihr Wort galt mehr als jenes der Richter und Ermittler. Auf den Hälsen ihrer Pferde schlackerten abgehackte Hundeköpfe und ihre Gewänder erinnerten an dunkle Mönchskutten. Nichts fürchteten die Menschen mehr als das Erscheinen dieser Leute auf der Schwelle ihrer Häuser.

Über den widersprüchlichen Zaren Iwan den Schrecklichen, der nach einer gängigen Version seinen eigenen Sohn getötet haben soll, streitet man bis heute. Zweifellos ist jedoch einer der dunkelsten Abschnitte der russischen Geschichte mit ihm verbunden. Er schuf mit den „Opritschniki“ einen neuen Gesellschaftsstand, persönliche Garde und Geheimpolizei in einem. Mit deren Hilfe bekämpfte er alles Unerwünschte im Land.

Ein Staat im Staat

"Ein Moskauer Verlies aus der Epoche der Opritschniki". Gemälde von Appolinarij Wasnezow aus dem Jahr 1912.  / Wikipedia.org"Ein Moskauer Verlies aus der Epoche der Opritschniki". Gemälde von Appolinarij Wasnezow aus dem Jahr 1912. / Wikipedia.org

Als Iwan der Schreckliche 1564 mit dem Verrat seines nächsten Bojaren, des eigenen Feldherren Andrej Kurbskij, konfrontiert war, entschied er sich für einen Schritt, wie es ihn bislang nicht gegeben hatte: Der Zar verließ die Hauptstadt inmitten des Krieges gegen Litauen. Nach einem Gebet und in Schweigen gehüllt, packte er die gesamte Staatskasse sowie die verehrtesten Ikonen des Landes zusammen und reiste mit seiner Familie aus dem Kreml ab. 123 Kilometer von Moskau entfernt ließ er sich in dem befestigten Schloss der Alexandrowskaja-Siedlung nieder.

Zuvor war es zu Auseinandersetzungen mit der gesamten politischen Elite des Landes gekommen. Der Zar hatte zwar gute Gründe, um seine Macht und sein Leben zu fürchten, aber seine plötzliche Abreise sorgte für viel schwerwiegendere Folgen. In seiner Abwesenheit brach in der Hauptstadt eine Panik aus. „Feinde, Irrgläubige, greifen uns an, der Zar ist nicht da, wir sind verloren“, hieß es in der Bevölkerung. Eine ganze Reihe Bittsteller zog es zum neuen Sitz des Zaren, um ihn von einer Rückkehr nach Moskau zu überzeugen.

Ein Monat darauf kehrte Iwan der Schreckliche tatsächlich in den Kreml zurück – und brachte eine ultimative Forderung mit: Der Staat sollte in zwei Teile aufgeteilt werden, über deren beide er herrschen würde. Der eine Teil sollte dem Zaren und seinen „Opritschniki“, seiner persönlichen, von ihm ausgesuchten Garde, gehören. Der „Semstwo“, der all die anderen Gesellschaftsstände vereinte, sollte auf sich alleine gestellt sein und nur in seltenen Fällen zu innerstaatlichen Angelegenheiten herangezogen werden.

Die Hundeköpfe

Opritschniki in Nowgorod von Michail Awilow / Vostock-PhotoOpritschniki in Nowgorod von Michail Awilow / Vostock-Photo

Zu seiner Garde ernannte Iwan der Schreckliche ausschließlich Menschen aus den unteren Gesellschaftsschichten. Wichtigste Voraussetzung war dabei, dass sie keine Beziehungen zu edlen Bojaren- oder Fürstenstämmen haben durften. Die „Opritschniki“ schworen dem Zaren absolute Treue und lebten strikt nach ihrem „Kodex“. Unter Eid schworen sie, „mit „Semschina“ nicht zu essen, trinken oder befreundet zu sein“. Wurde ein Mitglied der „Opritschniki“ in Begleitung eines „Semschina“ gesehen, wurden beide hingerichtet.

Die Garde wohnte in einem Sondergebiet der Stadt, das in einigen Zentralbezirken Moskaus eingerichtet wurde. Heute befinden sich dort der Alte Arbat und die Nikitskaja-Straße. Die Einwohner der Bezirke wurden schlicht vertrieben, ihr Besitzrecht erlosch. Familien wurden „mit ihren Frauen und Kindern auf die Straße verbannt, hatten sich an einen neuen Ort zu schleppen und sich von Spenden zu ernähren“. Auf diese Weise wurden ganze Bezirke gesäubert. Iwan der Schreckliche befahl, in den nun freien Lagen ein neues Palais zu errichten und es mit hohen Mauern zu schützen.

Zur Zarengarde zählten zunächst 1 000 „Opritschniki“, später wurde sie auf 6 000 Mann erweitert. Unheilverkündende Attribute wie der Hundekopf und ein am Pferd angebundener Besen waren Symbole der Treue dem Zaren gegenüber und der Bereitwilligkeit, die „Feinde“ Russlands wie ein Hund zu zerreißen und aus dem Land „zu fegen“.

Hinrichtungen nach des Zaren Willen

Die Opritschnina am Zarenhof von Iwan dem Schrecklichen, Nikolai Newrew / Legion MediaDie Opritschnina am Zarenhof von Iwan dem Schrecklichen, Nikolai Newrew / Legion Media

Der politische Sinn der „Opritschniki“ bestand darin, die Gesinnungsgleichheit im Land zu bewahren und es so zu regieren. So entstand auch der Ausdruck „ Verbrechen gegen den Zaren“, der in dieser Zeit zum ersten Mal auftrat und schnell zu einem akzeptierten Grund wurde, Menschen zu bestrafen. In das russische Recht wurde das Konzept erst 1649 aufgenommen.

Der Ersten Nowgoroder Chronik zufolge führten die „Opritschniki“ Massenmorde durch, raubten „Semschina“ aus und verwüsteten Städte. 1570 beschuldigten sie den gesamten Nowgoroder Hochadel des Komplotts gegen den Zaren. „Die Anklage war offensichtlich absurd und voller Widersprüche“, sagt der Historiker Wladimir Kobrin. Dennoch wurde der gesamte Hochadel hingerichtet – und mit ihm einige Hundert Nowgoroder Bürger. Sie wurden mit einer brennbaren Flüssigkeit übergossen, angesteckt und noch lebend in den Fluss geworfen.

Das Gesetzbuch Iwan des Schrecklichen machte die Hinrichtung zu einer der häufigsten Strafen. Sie galt zum Beispiel bereits beim ersten Diebstahl, bei Raub oder auch der Bezichtigung. Oft aber reichte bereits ein Wort der „Opritschniki“. Der gesamte Besitz der „Verräter“ ging nach deren Tod auf die „Opritschniki“ über. Diejenigen, die besonders viele „Verräter“ fanden, wurden reichlich entlohnt. „Des Zaren Willen ist ein Gesetz und Geheimnis“, sagt ein Held des Romans „Der Tag des Opritschniks“, von Wladimir Sorokin geschrieben. Das Werk ist dem liebsten „Opritschnik“ Iwan des Schrecklichen, Maljuta Skuratow, gewidmet. Es verwundert nicht, dass niemand die Beweise für eine Hinrichtung „nach des Zaren Willen“ hinterfragte – obwohl viele Anklagen schlicht ausgedacht waren.

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