Zwangskollektivierung in der UdSSR: Komm zu uns in die Kolchose, Genosse!

Die Zwangskollektivierung einzelner Bauernhöfe war ein Angriff auf die Traditionen der russischen Bauernschaft. Doch die Agrarreformen und die Industrialisierung beschleunigten die wirtschaftliche Entwicklung des neugeborenen Sowjetstaates.

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Die 1920er-Jahre waren eine schwere Zeit für Russland. Nach dem verheerenden Bürgerkrieg und Interventionen aus dem Ausland, der Agrarkrise und gescheiterten Wirtschaftsreformen musste der junge Sowjetstaat große und radikale Schritte für die zukünftige Entwicklung nehmen. Die Kollektivierung war einer dieser Schritte.

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Die neue Politik führte zu großen Reformen des Agrarsektors. Ab 1927 zielte die Kollektivierung darauf ab, einzelne Bauernhöfe und deren Bauern in kollektiven Genossenschaften, sogenannten "Kolchosen", zusammenzuschließen. Statt Gehältern bekamen die dort angestellten Bauern nur einen Teil von dem, was die Kolchose produzierte. Dies musste reichen, um sich selbst und die Familie zu ernähren.

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Zeitgleich mit den Agrarreformen arbeitete die Regierung daran, die Sowjetunion in einen Industriestaat zu verwandeln. Die Industrialisierung führte zu einem Wachstum der Städte und zur Konzentration der Arbeitsressourcen in Fabriken. Die Staatsführung hoffte, dass die Kollektivierung der Landwirtschaft dem Mangel an Nahrungsmitteln in den Städten entgegenwirken würde.

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„Das Jahr des großen Umbruchs.” Unter diesem Titel erschien am 7. November 1929 der berühmte Artikel Joseph Stalins in der Zeitung „Prawda“. Er bezeichnete die Reformen als Erfolge und definierte die Politik der Kollektivierung und Industrialisierung als die wichtigsten Schritte zur Modernisierung des Landes. Gleichzeitig proklamierte Stalin, dass die Klasse der wohlhabenden Bauern, die sogenannten „Kulaken", beseitigt werden müsste. Damit begann der Prozess der Entkulakisierung.

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Gemeinden von glücklichen Arbeitern, die in völliger Glückseligkeit und Harmonie und zugunsten des Staates zusammenarbeiteten – so sah die sozialistische Ideologie die Kolchosen. Der Realität aber entsprach dies nicht.

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Die Bauernschaft wurde durch die Zwangskollektivierung zutiefst traumatisiert. Die gewaltsame Einziehung von Fleisch und Brot führte zu Widerstand: Einige Bauern schlachteten ihr Vieh anstatt es den kollektiven Bauernhöfen zu übergeben. Einige Male musste die Armee Aufstände gewaltsam unterdrücken.

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Die alten Traditionen der russischen Bauernschaft wurden vernichtet. Früher waren sie an den Ergebnissen ihrer Arbeit interessiert, aber in den Kolchosen verloren sie jede Initiative. Die ersten Jahre der Kollektivierung führten letztlich zu einer Katastrophe: Von 1932 bis 1933 wurde die Sowjetunion von einer großen Hungersnot getroffen, etwa acht Millionen Menschen kamen ums Leben.

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Bis in die 1970er-Jahre hatte ein Bauer, damals „Kolchosnik“ genannt, kein Anrecht darauf, einen Pass zu besitzen. Ohne diesen konnte man nicht in die Stadt ziehen und war deshalb offiziell an seine Kolchose gebunden.

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Dennoch hatte die Kollektivierung auch ihre Vorteile: Der Großteil der Bauern, der von der Reform verschont geblieben war, zog in die Städte und wurde dort zu den Pionieren der Industrialisierung.

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Durch die Kollektivierung übernahm der Staat die Kontrolle über den Agrarsektor und die Lebensmittelverteilung. Dies und das Wachstum der Industrie sollten die Verteidigungskapazitäten des Landes vor dem Kriegsausbruch 1941 stärken.

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