Für gewöhnlich werden Russen als äußerst entspannte Mitarbeiter wahrgenommen, die einen Auftrag, auch wenn genug Zeit gegeben ist, gerne auf den letzten Drücker fertigstellen. Dennoch gibt es in Russland zahlreiche staatliche und private Unternehmen, insbesondere im Verteidigungs- und Sicherheitssektor, die nicht existieren würden, wenn sich ihre Mitarbeiter nicht dieser Arbeit verschrieben hätten. Es wäre also falsch, Russen bei Arbeitsfragen allgemein als unverantwortlich zu charakterisieren, denn jene, die Berufe im Rechtsstaat oder in Verbindung mit Nukleartests ausüben, schaffen es ohne Frage, alle Fristen einzuhalten.
Gleichzeitig können Abgabefristen für Russen, die in kreativen Berufen arbeiten, wie beispielsweise im Journalismus-, IT- oder Designbereich, tatsächlich ein Problem darstellen. So sagen viele meiner Kollegen, dass sie dazu neigen, ihre Aufträge bis zur letzten Minute aufzuschieben. Sie können sich entweder nicht dazu bringen, es frühzeitig zu erledigen, oder glauben, dass sie produktiver wären, wenn sie in einer kreativen Phase schrieben. Es sei besser, auf eine zündende Idee zu warten und den Artikel dann in 15 Minuten fertigzustellen, anstatt stundenlang daran zu schreiben, ohne in der richtigen Stimmung zu sein.
Tatsächlich fanden Wissenschaftler heraus, dass es oft der Sache nutzt, eine kreative Aufgabe ein wenig aufzuschieben und seine „Gedanken wandern zu lassen“, um auf eine zündende Idee zu kommen.
Russen kennen das Konzept der Frist nicht
Roman Alechin, Gründer der Marketingfirma Alechin und Partner, stimmt dem zu: Russen neigten für gewöhnlich immer dann dazu, besonders hart zu arbeiten, wenn die Abgabefrist quasi „um die Ecke“ sei. Für ihn hängt das jedoch nicht nur mit der Komplexität der „russischen Seele“ zusammen, sondern auch damit, dass „Deadlines“ ein recht junges Phänomen in der russischen Geschäftskultur sind.
Laut Alechin stammt der Begriff „Deadline“ ursprünglich aus Marketing, Design, IT und anderen Industrien, die in Russland noch relativ neu sind. Es sei daher logisch, dass sich die russischen Belegschaften erst daran gewöhnen müssten. „Das führt zu Situationen, in denen sogar die Manager erst kurz vor einer Abgabefrist mit der Arbeit beginnen. Ihre Untergebenen ignorieren diese sogar ganz, da sie denken, dass es sich hierbei um überflüssige konventionelle Methoden handelt“, so Alechin.
Pawel Sigal, Vizepräsident der russischen Assoziation der Klein- und Mittelunternehmer Opora Rossii, stimmt dem zu: „Für Russen ist es okay, Deadlines nicht einzuhalten, das ist für sie nichts Ungewöhnliches, weil sie meist nicht mit ernstzunehmenden Konsequenzen rechnen müssen, wenn sie diese nicht einhalten. In Europa wird so ein Verhalten finanziell bestraft.“
Was kann also ein ausländischer Manager unternehmen, um die Einhaltung von Fristen im russischen Berufsleben zu sichern? Hier sind einige Vorschläge:
- Setzen Sie die Frist früher als eigentlich geplant. Falls etwas schiefgeht, haben Sie ein wenig mehr Zeit für Lösungen.
- Besprechen Sie den Zeitplan mit Ihrem Team. Wenn Ihr Team bei der Fristsetzung ein Mitspracherecht besitzt, wird es weniger Gründe für Beschwerden geben und dafür mehr Engagement, um den Plan einzuhalten.
- Erklären Sie, warum eine Deadline so wichtig ist. Geben Sie Gründe dafür an, warum gewisse Dokumente bis nächste Woche fertig sein müssen – beispielsweise, weil Sie diese im Gericht oder für zukünftige Verhandlungen brauchen.
- Äußern Sie auch ein paar der negativen Folgen, die eintreten würden, wenn eine Frist nicht eingehalten wird. Drohen Sie nicht, sondern teilen Sie Ihrem Team mit, wie sich das auf die Belegschaft auswirkt. Beispielsweise könnten die Auftraggeber finanzielle Mittel streichen, wodurch jedes Mitglied des Teams weniger verdienen würde.
- Benutzen Sie Apps zur Erinnerung oder setzen Sie Aufgabenplaner ein, um die täglichen Aufgaben im Blick zu behalten. So werden Sie den Arbeitsprozess beschleunigen können, falls es nötig sein sollte.
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