Was ist aus den Fabrikhallen des berühmten sowjetischen Autoherstellers ZIL geworden? (FOTOS)

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ALEXANDRA GUSEWA
An Stelle der einst modern Automobilfabrik werden gegenwärtig neue Häuser und stylische Parks errichtet. Der Fotograf Sascha Gentsis hielt mit seiner Kamera den Zustand kurz vor Verlassen der Produktionsstätten fest.

„Die Lüftung der Dusche ist von 7 bis 24 Uhr in Betrieb“ – das Schild an der Tür vermittelt den Eindruck, die Produktionsarbeiter hätten gerade ihre Schicht beendet, ihren Arbeitsanzug an den Haken gehängt und wären nach Hause gegangen. Vier Jahre lang lichtete Gentsis die verlassenen Werkstatträume des Moskauer Lichatschow-Werkes (kurz ZIL genannt) ab. Viele der Gebäude sind inzwischen abgerissen oder demontiert.

Hier ist eine riesige, mindestens 15 Meter hohe Presse „Erfurt“ zu sehen. „Sie stand inmitten dieser Verwüstung als majestätischer Riese – ein verstaubter Überlebender der Schlacht“, erklärt der Fotograf.

ZIL war das erste Automobilwerk in Russland. Noch vor der Revolution errichtet, wurde es unter Stalin zu einem unglaublichen Industriegiganten ausgebaut.

Im ZIL wurden die ersten Limousinen für die sowjetischen Führer manuell gefertigt. Auf dem Foto ist ein Teil der Zeche abgebildet, in der die Komponenten für die Innenausstattung gefertigt wurden. Außerdem produzierte ZIL die ersten sowjetischen Lastwagen (AMO-F-15).

Dutzende Drähte für die Elektroverkabelung der Fahrzeuge, alle in einer bestimmten Farbe und es gab nur einen einzigen Mitarbeiter, der wusste, wie jeder von ihnen angeschlossen wird. Jetzt ist er über 70, kann sein Knowhow aber an niemanden mehr weitergeben.

Innerhalb von zehn Jahren produzierte das Werk 770.000 Exemplare des berühmten Lkw ZIS-150 und dessen Modifikationen. Hier wurden ständig die alten Modelle modernisiert und neue Modelle entwickelt.

In den Achtzigerjahren erlebte ZIL eine Entwicklungskrise: Die Modelle waren veraltet, Neuentwicklungen wurden dem damals gerade erst eröffneten KamAZ-Werk überlassen. In den Neunzigerjahren und nach dem Millennium ging die Produktion stetig zurück und wurde 2013 komplett eingestellt.

In diesem Veranstaltungsraum werden wohl nie wieder Betriebsfeiern stattfinden, niemand wird jemals wieder auf dem Podium stehen.

Der Fotograf will mithilfe seines Projekts diese Atmosphäre des sowjetischen Lebens für künftige Generationen bewahren.

Auf diesem Foto spürt man die surrealistische Schichtung der Epochen: Das Lenin-Porträt und die Losung „Vermeide Ausschuss bei der Arbeit“ als sowjetische Ikonen neben Zeitungsausschnitten mit nackten Frauen aus den Neunzigern und den Sachen, die beim Verlassen des Werks zurückgelassen wurden.

Nun erfolgt im Werk ein großangelegter Umbau: Es entsteht ein innovatives Wohngebiet. Gentsis hofft, dass das Gebäude des Heizkraftwerks (auf dem Foto), das einst das gesamte Betriebsgelände mit Wärme versorgte, als technisches Denkmal erhalten bleiben wird.

Der Widerspruch zwischen der konzeptuellen Utopie des Sozialismus und dem realen Alltagsleben, den Gentsis in seinen Fotos festgehalten hat, bildet die Grundlage für seine persönliche Ausstellung Sozialistischer Surrealismus, die vom 18. Oktober bis 2. Dezember 2018 im Jüdischen Museum und Toleranzzentrum in Moskau stattfinden wird (rus).

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