Vorbild Greta Thunberg: Wer sind Russlands junge Klimaschützer

Greta Thunberg/AP
Die „Fridays for Future”-Kampagne der schwedischen Schülerin Greta Thunberg ist in Russland noch nicht so weit verbreitet wie in den USA, Australien oder Westeuropa. Aber im ganzen Land treten mehr und mehr junge Leute mutig für den Kilmaschutz und ihre Zukunft ein.

Arschak Makitschjan spielt Geige. Der 25-jährige hat gerade sein Studium am renommierten Moskauer Staatskonservatorium abgeschlossen. Doch Arschak ist auch Klima-Aktivist. Dass er die Welt nicht mit seinem Geigenspiel retten kann, ist ihm bewusst. Also streikt Arschak. 

Am letzten Freitag stand er zum 28. Mal, seit weltweit an diesem Tag gegen den Klimawandel protestiert wird, einsam in der Mitte des Moskauer Puschkin-Platzes. Auch Arschak fordert mehr Umweltschutz. Am ersten Tag der Globalen Woche der Zukunft, vom 20. bis 27. September 2019, gingen rund vier Millionen Menschen in 150 Ländern auf die Straße, um für die Rettung des Klimas zu demonstrieren. 

Arschak Makitschjan: „Streik für das Klima”

Eine der Schlüsselbewegungen des Protests ist „Fridays for Future”, auch bekannt als „Schulstreik für das Klima, die im August 2018 von einer inzwischen sehr berühmten jungen Schwedin ausgerufen wurde. Inspiriert von Greta Thunberg gehen seitdem weltweit Schüler und Schülerinnen freitags nicht zur Schule sondern auf die Straße. Sie fordern den Umstieg auf 100 Prozent saubere Energie und den Verzicht auf den Abbau fossiler Brennstoffe.  

Letzte Woche Freitag hatte die Protestbewegung weltweit ihren Höhepunkt mit der bislang höchsten Teilnehmerzahl am Schulstreik. Doch in St. Petersburg zog es nur 100 junge Menschen auf die Straße. In Moskau und Nowosibirsk waren es sogar noch weniger, etwa 30 bis 40, erklärte Konstantin Fomin, Pressesprecher von Greenpeace Russland.  

Diese Zahlen klingen sehr bescheiden. Doch Arschak Makitschjan ist wenigstens nicht mehr alleine mit seinem Protest. Als „Russlands Greta Thunberg” hat er die Jugend aus  Irkutsk, Kaliningrad, Kursk, Nowosibirsk, Nischni Nowgorod, Sotschi und weiteren russischen Städten motiviert, es ihm gleich zu tun und für eine saubere, sichere und lebenswerte Zukunft zu kämpfen.  

„Hört auf zu lügen!” 

„Das Hauptproblem in Russland ist, dass es in den Massenmedien so wenig Informationen über die Klimakrise gibt, ebenso wie über Jugendbewegungen wie „Extinction Rebellion“ und „Fridays for Future“, die sich für ihre Zukunft einsetzen“, sagt Arschak zu „Russia Beyond”. 

Irina Koslowskich vom Greenpeace-Projekt „Zero Waste“ in Russland glaubt auch, dass eines der größten Hindernisse für die Ausbreitung dieser Bewegung in Russland mangelndes Wissen über die Ursachen und Auswirkungen der globalen Erwärmung ist.

Irina Koslowskich: „Wenn ich groß werde, will ich wie Greta sein”

„Jüngsten Studien zufolge gehören ökologische Probleme zu den drei größten Sorgen der Russen. Doch wenn Russen von ökologischen Problemen sprechen, meinen sie Deponien oder die Luftqualität. Der Klimawandel ist für die Mehrheit der Russen noch immer ein sehr abstraktes Konstrukt. Wenn die Menschen in Russland den Begriff  ‚ökologische Katastrophe‘ hören, denken sie an Tornados, Taifune, Waldbrände usw. Doch der Klimawandel verzieht sich ganz allmählich, im Laufe der Zeit spüren wir die Folgen immer mehr, doch wir tun nichts dagegen”, erklärt Irina. 

Arschaks Verzweiflung darüber, dass sich in Russland niemand für das Klima einsetzt, wandelte sich schnell in Entschlossenheit. Er beschloss, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und seine Landsleute über die Dringlichkeit, diese globale Krise aufzuhalten, aufzuklären. 

Kampf ums Klima und um Rechte 

Laut Dschingis Balbarow, Koordinator für soziale Medien beim WWF Russland, ist der Kampf russischer Jugendlicher für saubere Luft oder sauberes Wasser Teil des Kampfes für ihre eigenen Rechte. Sie seien schließlich diejenigen, die diesen Planeten erben werden. 

Karina Kusnezowa: „Das Klima ändert sich. Vielleicht sollten wir uns auch ändern?”

Wenn die Regierung ihre Forderungen weiterhin ignoriert, werden sie aktiver sein und öfter auf die Straße gehen, ist Balbarow überzeugt. Doch die rechtlichen Bestimmungen für Kundgebungen und Versammlungen sind komplex, insbesondere für Jugendliche.  

Personen unter 18 Jahren ist es gesetzlich verboten, an Massenprotesten teilzunehmen oder alleine zu demonstrieren. Einige der Aktivisten lassen sich davon jedoch nicht abschrecken. In der kleinen Stadt Gus-Chrustalny streikt die 16-jährige Gymnasiastin Karina Kusnezowa jeden Freitag für ihre Zukunft, ganz alleine.  An ihren ersten Schulstreik erinnert sie sich noch ganz genau: „Es war beängstigend. In einer so kleinen Stadt wie unserer, in der sich alle kennen, ist das gewagt. Aber es lief gut. Die Menschen reagierten anders als erwartet. Einige lächelten mich an oder begannen eine Diskussion oder wollten wissen, warum der Planet sterben wird.” 

Oft ist es sehr umständlich, in Russland eine Kundgebung oder Protestveranstaltung mit den örtlichen Behörden abzustimmen und erforderliche Genehmigungen erteilt zu bekommen. In Moskau wurde der Antrag von Arschak, Kundgebungen abzuhalten, abgelehnt. Lediglich in einem abgelegenen Teil des Moskauer Sokolniki-Parks darf er sich mit anderen versammeln. 

Karina Kusnezowa: „Unser Planet stirbt. Und wir sprechen darüber nicht”

Blick in die Zukunft 

Konstantin Fomin ist der Ansicht, dass „Fridays for Future” auch in Russland eine Zukunft haben wird: „Der Durchbruch für die Bewegung kam im Mai 2019, als die Moskauer Behörden schließlich zwei Protestkundgebungen genehmigten. In den letzten zwei Wochen haben wir registriert, dass sich immer mehr junge Russen „Fridays for Future” anschließen. Vielleicht, weil Sie Gretas Rede vor der UN-Vollversammlung gehört haben und sich von der enormen globalen Zustimmung haben anstecken lassen.” 

Das trifft zum Beispiel auf die 25jährige Ksenia Stadnikowa zu, eine IT-Spezialistin aus Nischni Nowgorod. Sie folgt der Berichterstattung über Greta Thunberg bereits seit einem Jahr. Auf der Internetseite „fridaysforfuture.org” suchte sie nach Veranstaltungen in Nischni Nowgorod. Doch sie erkannte schnell, dass Russland ein weißer Fleck auf der Landkarte der Bewegung war. 

Ksenia bot an, selbst eine Veranstaltung zu organisieren. Zusammen mit einigen anderen lokalen Aktivisten reichte sie einen entsprechenden Antrag ein und am 24. Mai protestierten sie erstmals in der Innenstadt. „Ich hatte Angst, insbesondere weil in anderen russischen Städten Demonstranten nach friedlichen Protesten verhaftet worden waren. Aber alles lief reibungslos. Wir waren 13 Personen und konnten die Aufmerksamkeit der Passanten wecken“, erzählt sie. 

Irina Koslowskich, die schon bei mehreren Freitagsprotesten in Moskau und Kaliningrad war, zeigte sich überrascht von der Menge der jungen Leute, die gekommen waren. Sie sagte, sie sei beeindruckt, wie gut die russischen Jugendlichen über das Pariser Klimaabkommen informiert waren.

„Es ist wichtig, dass junge Menschen an diesen Protesten teilnehmen, um zu zeigen, dass es keine Bedrohung darstellt, dass alles im Rahmen der Gesetze abläuft. Es gibt keinen Grund für Verhaftungen. Wir müssen weiter über positive Beispiele aus anderen Ländern sprechen, zum Beispiel über Berlin, wo es 270 000 Demonstranten gegeben hat. Weltweit waren es über vier Millionen. Wir müssen wieder und wieder darauf hinweisen, dass wir keine Zukunft auf diesem Planeten haben, wenn die Erderwärmung weiterhin so schnell voranschreitet”, zieht sie ihr Fazit. 

>>> Klimawandel: Welche schlimmen Folgen hat die Erderwärmung für Russland?

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