Warum Frauen in Russland keine Züge führen (FOTOS)

V. Belokolodov/Sputnik
Es gibt viele Frauen, die in der U-Bahn oder bei der Eisenbahn arbeiten. Aber haben Sie viele Lokführerinnen gesehen?

In Russland wurde der Beruf des Lokführers immer als ausschließlich männlich angesehen, da seine Arbeitsbedingungen als zu schwierig und gefährlich eingestuft wurden. Trotzdem gelang es einigen Frauen, Zug- und Dampflokführerinnen zu werden.

Jelena Tschuchnjuk

In der Sowjetunion gab es eine Liste von Berufen, die wegen des hohen Gesundheitsrisikos für Frauen verboten waren. 1938 wurde die Arbeit als Zugführer jedoch aus der Liste entfernt und die UdSSR bekam ihre ersten Lokführerinnen. Eine von ihnen war Jelena Tschuchnjuk, die 1941 den Titel einer „Verdienten Eisenbahnerin“ erhielt. Sie war damals erst 26 Jahre alt. Während des Krieges mit Nazi-Deutschland lieferte sie die Munition, Militärausrüstung und Kohle an die Front bei Stalingrad und Kursk.

Bascharat Mirbabajewa

Eine andere junge Frau, Bascharat Mirbabajewa, wurde 1939 die erste weibliche Lokführerin im  sowjetischen Usbekistan. Nach dem Krieg fuhr sie weiter eine Diesellok. 1951 erschien ihr Bild sogar auf der Titelseite der Zeitschrift Ogonjok. Mirbabajewa war auch die erste Frau in Usbekistan, die einen Fallschirmsprung ausführte.

Hauptzugführerin des Depot Sewernoje E. Mishina (links stehend), 1949

Erst während des Krieges, als viele Männer an die Front gegangen waren, begannen Frauen als Metrozugfahrerinnen zu arbeiten. Das Fahren eines U-Bahn-Zuges galt als nicht weniger schwierig als das Fahren einer Lokomotive, da die Fahrer ihre gesamte Schicht im Untergrund mit ständigem Lärm und Vibrationen verbringen mussten.

Am 8. März 1942 fuhr der erste Zug, der nur von Fahrerinnen betrieben wurde. Auch nach dem Krieg arbeiteten Frauen in der U-Bahn weiter. 

Frauenzug vom 8. März

Übrigens der „Frauenzug vom 8. März“ wurde zum ersten Themen-Zug in der Moskauer Metro. Er fuhr auf der „roten“ Sokolnitscheskaja-Linie bis er 1975 modernisiert wurde. Heutzutage wird dieser Zug nicht unbedingt von Frauen gefahren.

1955 gründete die Leningrader Metro ihr einziges weibliches Team von vier Zugführerinnen. Eine von ihnen, Natalja Donskaja, arbeitete 32 Jahre lang bei der U-Bahn und ging erst 1987 in den Ruhestand. Sie erinnerte sich:  „Der Arbeitszeitplan ist hart und es gibt viele stressige Situationen. Oft muss man Feiertage in der Zugkabine feiern. Sie müssen eine sehr gute Gesundheit haben, schnell reagieren und emotional und mental stabil sein. Während ihrer Schicht haben die Zugführer keine Pause zum Tee oder Kaffee trinken oder für Gespräche. Man sollte gut überlegen, bevor man Zugführer wird. Schließlich bedeutet diese Arbeit eine enorme Verantwortung für das Leben der Passagiere. Wenn etwas brennt oder ein Passagier auf die Gleise fällt, wird niemand auf Sie Rücksicht nehmen, nur weil Sie eine Frau sind.“

Zugführerin Tamara Arantschij, 1989

Trotzdem gab es unter jungen Frauen viele Enthusiastinnen, die diese Bedingungen nicht ängstlich gemacht haben.

Zugführerin der Moskauer Metro A. Netschajewa im Kremlpalast, 1971

In den 1980er Jahren wurde der Beruf des Metrozugfahrers wieder ausschließlich männlich. 

Die Leitung der Moskauer U-Bahn entschied jedoch, Frauen mit langer Berufserfahrung nicht zu entlassen. Sie arbeiteten auch nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion weiter.

Die letzte Frau, die weiterhin Züge in der Moskauer U-Bahn fuhr, war Natalja Kornejenko. Über 30 Jahre lang fuhr sie Züge auf der Sokolnitscheskaja-Linie und ging erst 2014 in den Ruhestand.

Julia Jurowa

Interessanterweise ist es Frauen in Russland nicht untersagt, Zugführerinnen zu werden, aber sie werden praktisch keine Arbeit finden. Die einzige Frau, die heute in diesem Beruf tätig ist, ist Julia Jurowa, eine Zugführergehilfin im Aeroexpress-Zug.

Mitte 2019 entschied das russische Arbeitsministerium, dass Frauen nicht länger der Beruf als Zugführerinnen verboten werden sollten, da das Fahren eines modernen Zuges viel einfacher sei als zuvor. Die Moskauer Metro verspricht, ab 2021 wieder weibliche Zugführerinnen einzustellen. 

>>> Gibt es in Russland typisch männliche und typisch weibliche Berufe?

>>> Arbeiten im Untergrund: Die ungewöhnlichen Lebenswege Moskauer Metro-Fahrer

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