„Keine Zombie-Apokalypse!“: Wie Russen in China die Coronavirus-Epidemie erleben

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JEKATERINA SINELSCHTSCHIKOWA
Die chinesische Stadt Wuhan gilt als Epizentrum des Coronavirus. Wir haben in China lebende Russen befragt, wie Sie die aktuelle Situation erleben.

Mehr als 20.000 Menschen haben sich in China mittlerweile mit dem Coronavirus 2019-nCoV infiziert. Die meisten Fälle wurden in der chinesischen Provinz Hubei in der Stadt Wuhan, die elf Millionen Einwohner hat, verzeichnet. Die Stadt gilt als Epizentrum des Ausbruchs. Die ersten Infizierten wurden dort Anfang Dezember registriert. Seit dem 22. Dezember darf niemand mehr die Stadt betreten und verlassen. Dreihundert Russen halten sich derzeit in Wuhan auf. Die meisten wollen nicht evakuiert werden.  

„Wir haben bislang kein Militär gesehen.“

Daria Kusnezowa, Wuhan

Ich lebe und studiere in Wuhan. Als die ersten Meldungen eingingen, war ich in einer Nachbarstadt. Am 23. Januar musste ich zurück. Wuhan wurde bald darauf geschlossen und es gab keine Möglichkeit mehr, den Ort zu verlassen.

In den ersten Tagen der Quarantäne war die Lage etwas angespannt, aber inzwischen ist es besser. Alle verfügbaren Ressourcen wurden nach Wuhan geschickt: die besten Ärzte und Spezialisten. Es gab viele Spenden und es wurden zwei hochmoderne Kliniken eingerichtet. Die Menschen haben sich beruhigt. 

Wir gehen zum Einkaufen oder für andere Erledigungen auch aus dem Haus. Dabei tragen wir einen Mundschutz und möglichst auch eine Schutzbrille. Zu Hause desinfizieren wir alles nach den offiziellen Richtlinien mit Spirituslösung oder Desinfektionsmitteln. 

Öffentliche Verkehrsmittel fahren nicht, aber den Privatwagen kann man nutzen. Taxis fahren nur in Ausnahmefällen. Wer ein Taxi braucht, muss sich an die zuständige Verwaltungsstelle wenden, die ein Fahrzeug besorgt. 

In jedem Bezirk von Wuhan gibt es einen Kontrollpunkt - dies war aber schon vor dem Ausbruch des Virus der Fall. Es ist ein gewöhnlicher Sicherheitskontrollpunkt. Alle Bezirke in chinesischen Städten sind aus Sicherheitsgründen auf diese Weise organisiert.  

Wenn wir jetzt unsere Wohnanlage verlassen, achten die Sicherheitskräfte darauf, dass wir Masken tragen. Es gibt offizielle Fahrzeuge und Polizei in den Straßen, aber Militär haben wir noch nicht gesehen. 

Im Großen und Ganzen ist die Stadt recht leer, aber es herrscht hier keine Zombie-Apokalypse. Niemand bestreitet, dass die Situation schwierig ist. Normalerweise ist Wuhan eine geschäftige, lebhafte Stadt, aber die Menschen haben großes Verständnis für die Situation und bleiben, wenn möglich, zu Hause.

Ich glaube, dass die einzigen Informationen, die zu 100 Prozent zuverlässig sind, die offiziellen Informationen sind, die in den chinesischen Medien veröffentlicht werden. Was eine Evakuierung betrifft, muss das jeder für sich selbst entscheiden. 

„Wenn ich kein Geld mehr habe, wende ich mich an meinen chinesischen Vorgesetzten.“ 

Walentin Owtschinnikow, zurzeit in Wenzhou (847 km entfernt vom Epizentrum)

Im September letzten Jahres zog ich wegen der Arbeit nach China. Ich ließ mich in Wuhan nieder. Einige Bekannte wohnen in Wenzhou und ich wollte sie besuchen. Am 2. Januar wollte ich los. Die Tickets hatte ich schon gekauft.  Ein Bekannter in Wuhan berichtete mir, dass es in unserer Stadt durch einen Virus bereits Todesfälle gegeben habe und ich besser gehen sollte. Das war am 31. Dezember. Ich setzte mich in den Zug und konnte die Stadt problemlos verlassen. 

Die Anzahl der Fälle wird Provinz für Provinz gezählt. Die Provinz, in der ich mich gerade aufhalte, liegt nach Hubei an zweiter Stelle. Hier wurden 829 Menschen infiziert. Wenzhou hat fast acht Millionen Einwohner. Im Moment sind kaum Menschen auf der Straße, obwohl der Verkehr uneingeschränkt fließt. Cafés und Bars sind geschlossen. 

Beim Betreten eines Supermarkts, wird die Körpertemperatur gemessen. Einmal hatte ich 37,7 °C und bekam einen Schreck. Eine zweite Messung ergab jedoch einen normalen Wert und ich durfte einkaufen. Wer eine erhöhte Temperatur hat, wird gebeten, das nächste Krankenhaus aufzusuchen. Wer sich weigert, wird gezwungen. 

In den Geschäften gibt es alles. Im Moment sind jedoch Schutzmasken rar. Ohne darf man nicht vor die Tür, dann droht eine Strafe. Ich habe keine Schutzmaske mit dem richtigen Filter, nur eine aus Stoff, die nicht gut gegen den Virus schützt. Ich wickele mir bei Bedarf Schal und Pullover um Mund und Nase. 

Jetzt warten alle darauf, dass der Ausbruch seinen Höhepunkt erreicht. Dann wird klar, wer infiziert ist und wer nicht (die Inkubationszeit für das Coronavirus beträgt 14 Tage, im Moment zeigen noch nicht alle Infizierten Symptome). 

Die Chinesen sind gelassen. Es gibt keine Panik. Einige der russischen Leute, die ich kenne, haben Wuhan vor der Quarantäne verlassen. Sie wurden mit russischen Militärflugzeugen evakuiert. Viele haben beschlossen, zu bleiben. Vor allem gehen die, denen das Geld ausgeht. 

In Wuhan wird nicht mehr gearbeitet und daher bekommt auch niemand Geld. Ich lebe im Moment von Ersparnissen. Wenn ich kein Geld mehr habe, werde ich mich an meinen chinesischen Chef wenden. Er sagte: „Im Moment müssen Sie das einfach aussitzen.“

Aus Wenzhou wurden bislang keine Russen evakuiert. Aber ich habe meine Daten an die Botschaft übermittelt. 

„Viele Fehlinformationen!“

Olesia, Shenzhen (1.000 km südlich von Wuhan, 30 km von Hong Kong)

Bis zum 20. Januar hatten wir hier noch überhaupt nichts vom Coronavirus mitbekommen. Das änderte sich am 21. Januar, als wir von den Behörden per SMS benachrichtigt wurden. 

Es wurde geraten, Schutzmasken zu tragen und Maßnahmen zur Händehygiene durchzuführen. 

In chinesischen Apotheken gibt es keine Warteschlangen - das gilt mehr für Hongkong. In Hongkong stehen die Menschen schon an, bevor die Apotheken öffnen. Es ist schwierig, Schutzmasken zu bekommen. Diese waren schon zum chinesischen Neujahr ausverkauft, nachdem die ersten Meldungen zum Virus eintrafen. In den Ferien kam die Produktion dann zum Erliegen. Ich las, dass einige Fabriken während der Ferien geöffnet blieben und das Personal extra bezahlt wurde und dass zusätzliche Masken produziert wurden. Die gingen jedoch alle ins Epizentrum. Dort herrschte der größte Mangel.

In China gibt es viele Russen, die kein Mandarin sprechen, so dass sich unzuverlässige Informationen schnell ausbreiten. Niemand überprüft sie, sie werden einfach weitererzählt. Um ein lächerliches Beispiel zu nennen: Es wurde irgendwo geschrieben, dass es 20 Millionen Infektionsfälle seien. 

Ich lebe im Süden Chinas - wir sind weit vom Epizentrum entfernt. Da ein großer Teil der Bevölkerung von Shenzhen aus Zugezogenen besteht, befinden wir uns aber auch in der Gefahrenzone. Viele Menschen kehren jetzt nach den Ferien aus anderen Provinzen zurück und wir wissen nicht, wer infiziert ist und wer nicht. Aber ich sehe keinen Evakuierungsbedarf.

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