Wie verläuft die Quarantäne von Coronavirus-Patienten in Russland?

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WICTORIA RJABIKOWA
Eine Account-Managerin, eine Produzentin und ein Hobbyfußballer erzählen uns, wie sie sich mit dem COVID-19-Virus angesteckt haben, wie sie im Krankenhaus behandelt werden und was sie in der Quarantäne tun.

Bis zum 25. März haben sich in Russland 495 Personen mit dem Coronavirus infiziert, 22 davon sind wieder genesen. In Moskau erkrankten 290 Personen, von denen neun das Krankenhaus bereits wieder verlassen haben.

Maria Dolgolenko, 46, Account-Managerin

Ich war in Österreich Skifahren und bin am 8. März 2020 nach Hause zurückgekehrt. Am Abend desselben Tages stieg meine Temperatur auf 37,6 °C und ich rief einen Arzt, der bald darauf zu mir nach Hause kam und einen Abstrich entnahm. Am nächsten Tag kam er dann wieder und entnahm einen zweiten Abstrich, so wie es vorgeschrieben ist. Dann wurde ich angerufen und man sagte mir, dass ihnen die Testergebnisse „nicht gefallen“, so dass mich ein Krankenwagen ins Krankenhaus bringen werde. Ich wurde gefragt, ob minderjährige Kinder in meinem Haushalt wohnen und ich antwortete, dass ich zwei Söhne, elf und 17 Jahre alt, habe. Kurz darauf kamen sie, um uns abzuholen.

Nachdem wir im Krankenhaus angekommen waren, wurden jede Menge Tests durchgeführt und mir sofort ein Antibiotikum verabreicht. Die Kinder wurden mit Anti-Virus-Tabletten vollgestopft. Die Testergebnisse wurden uns nicht mitgeteilt. Die Versorgung war in Ordnung – das Essen wurde vom Flur aus in einer Durchreiche abgestellt und ich nahm es auf der anderen Seite heraus. Es gab keinerlei persönlichen Kontakt mit der Außenwelt. Alle Ärzte betreten das Zimmer  nur in Schutzanzügen, wir werden nicht rausgelassen.

Erst am achten Tag nach den Tests erfuhr ich, dass meine Kinder und ich mit dem Coronavirus infiziert waren.

Ich war überrascht, dass die Kinder sich auch angesteckt hatten. Zu Hause hatte ich alles Erdenkliche unternommen, um die Sicherheitsvorschriften einzuhalten – ich hatte ein Handtuch, eine Tasse, einen Löffel und einen Teller ausschließlich für mich und verließ mein Zimmer nur mit einer Maske. Ständig habe ich mir die Hände gewaschen und alle Wasserhähne und Türklinken mit Alkohol desinfiziert. Irgendwie haben sie sich den Virus aber trotzdem eingefangen. Nun werden wir alle drei mit Antibiotika behandelt und hängen am Tropf.

Ich habe bei unserer Ankunft gleich darum gebeten, dass ich und die Kinder in verschiedenen Zimmern untergebracht werden, da meine Söhne keine Anzeichen der Krankheit hatten und immer noch nicht haben. Wir kommunizieren jetzt nur per Telefon.

Die härteste Zeit für eine Quarantäne in einem Krankenhaus ist der Sonntag – da ist es noch ruhiger als sonst. Man fragt sich sofort, was man tun soll, wenn das Frühstück vorbei ist und es bis zum Mittagessen noch ewig hin ist.

Als es mir besser ging, habe ich mit Gymnastik angefangen, vor allem mit Atemgymnastik. Ich habe auch begonnen, Bücher zu lesen und Filme zu schauen.

Nach einigen Tagen teilte mir mein Arzt mit, dass das Krankenhaus nun sein eigenes Labor für Coronavirus-Tests in Betrieb genommen habe – zuvor waren die Abstriche nach Nowosibirsk geschickt worden, weshalb man so lange auf das Ergebnis warten musste.

Mir selbst geht es gar nicht so schlecht, aber die Ärzte und Krankenschwestern tun mir leid. Die Schutzanzüge sind offensichtlich sehr unbequem, die Masken werden mit Chlorbleiche desinfiziert, so dass dem Personal die Augen ständig tränen.

Ich bin die dritte Woche im Krankenhaus und meine Kinder und ich sind faktisch bereits geheilt. Es müssen jedoch zwei negative Coronavirus-Tests vorliegen, damit wir entlassen werden können. Also warten wir. Ich will wirklich endlich nach Hause!

Maria Muсhina, 27, Produzentin

Ich nehme an Fortbildungskursen im Ausland teil, weshalb ich viel in Europa herumgereist bin. Natürlich war ich sehr besorgt, dass ich mir das Virus irgendwo einfangen könnte. Zuerst der Trubel bei der Berlinale, dann ging es nach London. Dort auf der Insel schien keine Panik zu herrschen: Das Leben dort brodelt, die Kneipen sind gut besucht, die Leute besuchen Musicals, tragen keine Masken und statt Desinfektionsmittel gibt es überall nur Seife. Aber am Ende unseres Aufenthalts wurde uns plötzlich mitgeteilt, dass die Fortbildung ausgesetzt werde und wir nach Hause zurückkehren müssen. Ich habe einen echten „Fluchtplan“ ausgearbeitet – die Flugtickets hatte ich bereits gekauft, aber meine Flüge wurden gestrichen. Irgendwann wurde mir klar, dass ich den Stress nicht ertrug. Auf einem Anschlussflug nach Helsinki stieg meine Temperatur an. Ich dachte erst, das käme alles von den Nerven.

Am 17. März landete ich auf dem Flughafen Scheremetjewo in Moskau. Jedem Passagier im Flugzeug wurde die Temperatur gemessen, mein Fieber war zu diesem Zeitpunkt bereits gesunken. Anschließend mussten wir einen Fragebogen ausfüllen. Mit dem Fragebogen wandte ich mich an die „Laboranten“ und bat sie, bei mir einen Test durchzuführen. Sie entnahmen eine Abstrich von meinem Hals und meiner Nase und schickten mich in Quarantäne.

Ich blieb bis zum 22. März zu Hause in der Selbst-Isolierung. Allmählich begann ich die ersten Anzeichen der Krankheit zu verspüren. Am Abend wurde ich mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus in Kommunarka gebracht, da mein Testergebnis positiv war. Im Krankenhaus wurde ein weiterer Test durchgeführt.

In der Nacht vom 22. zum 23. März stieg meine Temperatur auf 38,4 °C, ich hustete viel und stark, sodass meine Kiefer zu schmerzen begannen. Deshalb konnte ich die halbe Nacht nicht schlafen. Und ich habe in meinem Speichel immer wieder nach Blut gesucht...

Irgendwann hielt ich es nicht mehr aus und drückte den roten Knopf, um die Arzthelfer zu rufen. Die Jungs waren gutgelaunt und schlossen mich gleich an den Tropf an. Allerdings hatten sie Problem, mir die Kanüle zu setzen und ich hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden.

Die gleichen Mitarbeiter kamen am Morgen zu mir, um die Temperatur zu messen. Sie betrug 37,6 °C. Den ganzen Tag bin ich eingeschlafen und wieder aufgewacht. Beim Husten spuckte immer mehr Schleim aus.

Plötzlich hatte ich ein Problem mit dem Stuhl, so dass ich auf das Mittagessen verzichten musste.

Am 23. März wurde mir gesagt, dass ich neben dem Coronavirus auch eine Lungenentzündung habe. Am Abend fingen sie an, mich mit Azithromycin, einem Antibiotikum, zu behandeln. Die Krankenschwestern und Ärzte begannen, mir viel Aufmerksamkeit zu schenken – sie kamen oft zu mir ins Zimmer, schalteten den Wi-Fi-Anschluss frei und versprachen mir, die Heizung herunter zu regeln, da es im Raum sehr warm war.

Am 24. März kamen sie schon um 6 Uhr morgens und hängten mich an einen zweiten Tropf. Der Husten nahm ab.

Meine Temperatur betrug 37 °C, aber ich fühlte mich furchtbar schwach und schlaff. Ich will immer nur schlafen und das Sitzen fällt mir schwer. Der Arzt sagte, dass dies eine Intoxikation nach dem Fieber sei, wegen der ich auch keinen Appetit habe.

Normalerweise esse ich kein Fleisch und keine Milchprodukte, aber hier bekomme ich ständig Milch gebracht. Die unpassenden Speisen lasse ich einfach auf dem Tisch stehen. Mir wurde erklärt, dass meine Ernährungsgewohnheiten nicht berücksichtigt werden können, weil alles bereits kalkuliert worden sei. Zum Glück hat meine Familie mir Früchte mitgebracht, so dass es für mich einfacher geworden ist. Die Gemüsegerichte hier sind jedoch sehr schmackhaft. Alles wird in Vakuumverpackungen mit Einwegbesteck und -becher serviert.

Ehrlich gesagt, fühle ich mich noch zu schwach, Filme zu sehen oder Bücher zu lesen. Es fällt mir immer noch schwer zu sitzen. Dreimal pro Tag hänge ich am Tropf. Sobald es mir besser gehen wird, werde ich versuchen, meine Lektionen weiter zu lernen, meine Kommilitonen haben bereits begonnen, sich online zu beschäftigen und ich möchte nichts verpassen.

David Berow, Amateur-Fußballspieler, erster Coronavirus-Patient in Moskau

Am 1. März 2020 bestätigte die Verbraucherschutz-Aufsichtsbehörde Rospotrebnadzor den ersten Fall einer Infektion mit dem Coronavirus in Moskau. Der Russe David Berow war kurz zuvor aus Italien zurückgekehrt. Hier beschreibt Berow die Tests und die Quarantäne.

„Ich wurde in ein Mehrbettzimmer des Ersten Krankenhauses für Infektionskrankheiten in Moskau eingewiesen. Ja, da lagen viele verschiedene Leute. Davor hatte ich nur mit einigen wenigen Mitgliedern meiner Familie Kontakt. Sie alle befinden sich bereits in Krankenhäusern in Quarantäne. Sie hatten und haben keine Symptome der Krankheit. Ihre Tests waren alle negativ.

Die Art und Weise, wie die Leute in die Quarantäne gebracht werden, wirft große Fragen auf. Meiner Familie wurde zuerst telefonisch mitgeteilt, dass der Test zu Hause erfolgen würde. Als dann jemand kam, wurde mitgeteilt, dass mein Testergebnis positive sei (obwohl das zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht bekannt war) und sie mussten mit der Polizei zum Krankenhaus für Infektionskrankheiten fahren und wurden dort eingeliefert“, schrieb Berow auf Instagram.

Am 5. März wurde das Coronavirus mit Berows drittem Testergebnis bestätigt.

„Das Virus wurde nicht im Blut, sondern im Speichel gefunden. Wie mir erklärt wurde, ist er nur sehr schwach sichtbar, deshalb haben sie so lange gezweifelt. Mir wurde eine symptomatische Behandlung verschrieben – wenn ein Symptom auftritt, wird es behandelt. In meinem Fall ist das ein leichter Husten, ansonsten ist alles ist in Ordnung. Das Fieber ist schon lange vorbei, mein Allgemeinzustand ist normal“, berichtet Berow.

Am 7. März wurde Berow aus dem Krankenhaus entlassen. Später gab er ein Interview für das Online-Portal Lenta.ru, in dem er über die Verhältnisse im Krankenhaus und sein Befinden sprach.

„Ich wurde im Krankenhaus sehr gut behandelt. Das medizinische Personal schenkte uns die gebührende Aufmerksamkeit und Sympathie. <…> Ich hatte das Gefühl, eine einfache Erkältung zu haben und sonst nichts. Im Prinzip weiß ich immer noch absolut nicht, an was ich erkrankt war. Schließlich hatte ich auch negative Ergebnisse bei dem Coronavirus-Tests“, sagte Berow in dem Interview.

Nach eigenen Worten arbeitet er jetzt wieder. Er ist überzeugt, dass man sich vor dem Coronavirus immer noch hüten sollte.

„Ich kann und will nicht sagen, dass man sich nicht so viele Sorgen um dieses Virus machen muss. Ich habe nur über meine eigenen Erlebnisse berichtet“.fasst Berow zusammen.

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