„Das Virus ist schnell mutiert“ - Was russische Ärzte über das Coronavirus sagen

Ramil Sitdikow/Sputnik
Russland bereitet sich auf einen Massenausbruch von COVID-19 vor. Hier erfahren Sie, was russische Ärzte über die neue Infektionskrankheit denken.

In Russland wurden derzeit 199 Fälle von Coronavirus bestätigt. Es gab bislang keinen Todesfall. Die Zahlen sind nicht so beängstigend wie in China oder Italien. Doch jeden Tag steigt die Zahl der bestätigten Fälle um mehrere Dutzend Menschen. Die Kunden in den Lebensmittelgeschäften kaufen Buchweizen, Toilettenpapier und Desinfektionsmittel. Reisende, die aus dem Ausland zurückkehren, isolieren sich zwei Wochen lang selbst. Die Krankenhäuser bereiten sich auf den Notfall vor. Was denken russische Ärzte über die Pandemie und wie lange wird das alles dauern - wir haben ihre Ansichten gesammelt. 

„Auch Kinder infizieren sich“ – Sergei Butri, Kinderarzt in der Rasswet-Klinik, Verfasser des beliebten Telegramm-Blogs „Notizen eines Kinderarztes“:

„COVID-19 dauert zwei bis drei Wochen länger als eine häufige akute Virusinfektion der Atemwege und führt manchmal zu einer schweren Lungenentzündung. Erst dann kommt es zur medizinischen Behandlung, zur Krankenhauseinweisung, zu künstlicher Beatmung und all den Dingen, die so beängstigend wirken. 

Die Regel ist einfach: Wenn Sie unter Atemnot leiden, suchen Sie dringend einen Arzt auf. Es gibt keine wirksamen Medikamente oder Strategien, die das Risiko der Atemnot bei COVID-19 verringern können.

Es gibt Gerüchte, dass Kinder überhaupt kein COVID-19 bekommen und dass sie keine Gefahr für ältere Menschen darstellen. Das ist falsch! Kinder erkranken ebenfalls, jedoch seltener und die Infektion verläuft in der Regel milder. 

Aus epidemiologischer Sicht sind bei jeder Krankheit asymptomatische Infizierte und solche mit nur leichten Symptomen die größte Gefahr (da andere sich nicht vor ihnen schützen). Jüngsten Untersuchungen zufolge (eng) sind zehn Prozent aller COVID-19-Fälle von asymptomatischen Infizierten übertragen worden. Nehmen Sie dazu die Gewohnheit, Kinder zu umarmen und zu küssen und die hygienischen Fähigkeiten von Kindern - und Sie werden zu dem Schluss kommen, dass Kinder für ältere Menschen möglicherweise gefährlicher sind als Erwachsene. Ich würde empfehlen, den Kontakt von Kindern zu ihren Großeltern so weit wie möglich einzuschränken, um letztere zu schützen. Mit anderen Worten, Angst um die eigenen Kinder sollte jetzt das Letzte sein.“

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„Es gibt nichts Interessantes oder Erschreckendes an diesem Virus“ - Andrei Besedin, Allgemeinmediziner an der Moskauer GMS-Klinik:

„Das Coronavirus ist im menschlichen Körper ziemlich aktiv. Zu Beginn der Epidemie hofften wir sehr, dass die Möglichkeit einer Übertragung von Mensch zu Mensch sehr gering sein würde. Das Virus hat jedoch bewiesen, dass es sehr gut mutiert ist und besetzte seine Nische. 

Es wird noch viele Jahre über den Planeten marschieren. Es wird saisonal auftreten und Teil einer Kohorte klassischer saisonaler Viren. Seine Geschwister machen etwa zehn Prozent der Gesamtzahl der Infektionen der oberen Atemwege in einer Bevölkerung in einer Saison aus. Aber wir stellen ihretwegen niemanden unter Quarantäne. 

COVID-19 ist ein weit verbreitetes Virus der oberen Atemwege. Es ist nichts Interessantes oder Erschreckendes. Ja, es verursacht Sterblichkeit bei älteren und schwerkranken Menschen. Aber an dem Ausbruch in China war nichts außergewöhnlich. Weniger als 100.000 Infizierte in einer Stadt mit 20 Millionen Einwohnern. Etwa 81 Prozent aller Infektionen verlaufen fast ohne Symptome oder mit leichten Manifestationen eines Atemwegsinfekts.  

Derzeit (und darauf kann man stolz sein) ist die Geschwindigkeit der Erforschung und des Verständnisses der Pathogenese dieser Coronavirus-Infektion das am schnellsten wachsende und am schnellsten reagierende wissenschaftliche Gebiet der Welt! Berücksichtigen Sie die Menge an Informationen, die wir in weniger als drei Monaten erhalten haben ... 

Bei vielen Infektionen dauert es Jahre, um eine vergleichbare Menge an Informationen zu sammeln. Ich persönlich bezweifle die Aussichten, rasch einen Impfstoff gegen Coronavirus zu entwickeln. Die Forschung ist im Gange. Sowohl China als auch die USA arbeiten aktiv daran, aber leider haben wir kein einziges bestätigtes Ergebnis eines Impfstoffs gegen ähnliche Viren desselben Subtyps. Derzeit ist dies technisch unmöglich.“ 

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„Nur totalitäre Regime können diese Epidemie bekämpfen“ - Fjodor Katasonow, Kinderarzt und Blogger: 

„Es ist noch zu früh, um sagen zu können, dass das neuartige Coronavirus ein saisonales Virus sein wird, aber es ist sehr wahrscheinlich. Die Pandemie endet, wenn alle Menschen das Corona-Virus hatten oder das Virus unter Kontrolle gebracht wird. Letzteres ist aufgrund seiner Ansteckungsgefahr unwahrscheinlich. Die einzige Hoffnung ist ein Impfstoff. Ersteres ist auch alles andere als sicher, da das Coronavirus nach unserem Kenntnisstand keine lebenslange Immunität erzeugt. Nach einem saisonalen Einbruch durch heißes Wetter und ultraviolette Strahlen, was das Coronavirus nicht mag, kann die Epidemie erneut auftreten.

Es kann durchaus sein, dass die Epidemie nur in totalitären Regimen wirklich bekämpft werden kann, wo man erschossen wird, wenn man infiziert ist oder die Ausgangssperre verletzt (wie angeblich in Nordkorea, was jedoch Fake-News sind).

Im straff organisierten China hat man das Virus besiegt. 3.000 Todesfälle bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden - das ist ein enormer Erfolg. Ich bin nicht sicher, ob dies in liberalen Systemen wiederholt werden kann, in denen die Menschenrechte mehr geachtet werden.

Was die Mortalität betrifft, so ist das neuartige Coronavirus in allen Altersgruppen über zehn Jahren weitaus gefährlicher (eng) als die saisonale Grippe. Bei Patienten unter 50 Jahren liegt die Mortalität jedoch immer noch unter einem Prozent. Höchstwahrscheinlich wird die Zahl einmal sogar noch niedriger sein. Der Höhepunkt ist vorbei und es werden neue Mittel zur Bekämpfung der Infektion gefunden. Die Mortalität durch COVID-19 dürfte der der saisonalen Grippe noch näher kommen. Die Spanische Grippe (die durch dasselbe H1N1-Influenza-A-Virus wie 2009 die Schweinegrippe und wie andere Formen der Grippe verursacht wurde) war viel gefährlicher als das neuartige Coronavirus.“

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„Wir brauchen einen Shutdown in Moskau“ - Denis Protsenko, Chefarzt des Moskauer Kommunarka-Krankenhauses, in dem die meisten bestätigten und vermuteten COVID-19-Fälle behandelt werden:

„Wir haben Patienten, die älter als 65 Jahre sind, aber sie sind nicht schwer erkrankt. In Moskau wird kein einziger Patient künstlich beatmet. Neun Menschen sind auf der Intensivstation, aber sie befinden sich nicht in einem kritischen Zustand.

Wir wissen nicht, wann die Epidemie ihren Höhepunkt erreichen wird. Wir machen nur unseren Job, an dem sich nichts ändert. Es ist jetzt Mode, das Gesundheitssystem zu kritisieren, aber wir haben ein gut funktionierendes Team. Ich bewundere meine Ärzte, sie machen Überstunden, es kommen Freiwillige ins Krankenhaus.

Die Medien müssen dieser Hysterie ein Ende setzen: Die Panik stört, weil sich die Menschen ohne guten Grund an Kliniken wenden und somit Ressourcen verbrauchen.

Gesunde Menschen müssen keine Masken tragen - sie helfen nicht. Unsere Ärzte verwenden FFP2-Atemschutzmasken zusammen mit einem Schutzanzug, der den gesamten Körper bedeckt. Das Tragen einer solchen Maske auf der Straße würde nur zu mehr Hysterie führen. Eine Maske allein verhindert nicht die Ausbreitung des Virus, sondern nur die Selbstisolation. Als Arzt bin ich dafür, die Stadt zu schließen. Die Frage ist, wie viel es kosten würde. Die Frage ist, wann es unverhältnismäßig werden würde.“

Quelle

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