Leben mit Einschränkungen: Wie die Moskowiter mit Corona umgehen

Walerij Scharifulin/TASS
Russische Unternehmen haben Homeoffice angeordnet, die Menschen tätigen Hamsterkäufe und verlassen das Haus nur, wenn es sich nicht vermeiden lässt. Die Corona-Pandemie sorgt auch in Moskau für viele Einschränkungen.

Russland will die Einreise von Ausländern vom 18. März bis 1. Mai beschränken, berichtet (rus) die Nachrichtenagentur TASS unter Berufung auf den russischen Ministerrat. Diese Ankündigung erfolgte nach einem sprunghaften Anstieg positiver Tests auf das neuartige Coronavirus. Alleine am 16. März stieg die Zahl der Neuinfizierten von 63 auf 93 Personen, sagte (rus) am Montag die stellvertretende russische Ministerpräsidentin Tatjana Golikowa, die den Krisenstab zur Bekämpfung der Erkrankung Covid-19 leitet. Nach einer Übersicht von Yandex wurden 53 der Fälle in Moskau und der Region Moskau registriert. 

Homeoffice, Fernstudium und Fieber messen auf der Arbeit 

Am 16. März 2020 hat der Moskauer Bürgermeister Sergej Sobjanin alle Arbeitgeber angewiesen (rus), bei ihren Mitarbeitern regelmäßig die Körpertemperatur zu kontrollieren und solche mit erhöhter Temperatur nach Hause zu schicken. Alle Moskauer Schulen wurden vorübergehend geschlossen. Studenten lernen online. 

Einige Unternehmen haben bereits vor Bekanntgabe dieser offiziellen Maßnahmen ihre Mitarbeiter ins Homeoffice geschickt. „Am 13. März wurde uns mitgeteilt, dass die Arbeit im Büro für mindestens zwei bis drei Monate ausgesetzt würde, bis sich alles beruhigt hat. Anfangs waren alle glücklich, aber jetzt ist es beängstigend“, erzählt ein TASS-Angestellter Russia Beyond.

Auch beim russischen Internetunternehmen Mail.ru Group arbeiten die meisten der Beschäftigten nach Angaben der Pressestelle inzwischen von zu Hause aus. „Die Kollegen werden mindestens bis zum 31. März im Homeoffice arbeiten. Ins Büro kommen nur diejenigen, deren Arbeit nicht daheim erledigt werden kann. Die Kantine, die Snack-Bar und das Fitnessstudio sind geschlossen“, erklärte die Mail.ru Group. Mitarbeiter, deren Anwesenheit vor Ort unverzichtbar ist, bekommen Taxi-Gutscheine für die Fahrt zur Arbeit. 

Anna Ustinowa, Korrespondentin bei Comnews.ru, arbeitet bereits seit Januar am heimischen PC, doch zu Pressekonferenzen muss sie persönlich erscheinen. „Generell versuche ich, öffentliche Verkehrsmittel zu meiden - ich gehe so viel wie möglich zu Fuß. Ich beschränke meine Anwesenheit unter Menschen auf Presseveranstaltungen mit wenigen Teilnehmern. In der Regel gibt es in den Räumlichkeiten Seife und Desinfektionsmittel“, berichtet sie.

Leere Regale in den Supermärkten und erhöhte Nachfrage bei Lieferdiensten 

Die Moskauer haben begonnen, Salz, Zucker, Getreide und Hygieneprodukte zu lagern. Die Regale in einigen Moskauer Supermärkten sind leergeräumt:

„Es gab noch genug Toilettenpapier, ein wenig antiseptisches Handgel, aber Fleischkonserven und Müsli sind fast weg. In Auchan war es letzte Nacht genauso! Konserven sind rasch ausverkauft. Freunde, macht euch bereit und bleibt gesund!“, schrieb (rus) ein Kunde auf Instagram. 

Das russische Ministerium für Industrie und Handel sagte, dass die Regale leer seien, weil die Mitarbeiter des Supermarkts sie nicht immer schnell genug auffüllen könnten. Die Einzelhandelsketten hätten ihre Bestellungen erhöht. Es bestünde keine Gefahr, dass es zu Lieferengpässen komme.  

Viele Moskowiter meiden dagegen inzwischen den Einkauf vor Ort und weichen auf Lieferdienste aus. „Ich habe Müsli bei Ozon bestellt. Der Bote hat es vor der Türe abgestellt, geklingelt und ist wieder gegangen. Ich finde diese kontaktlose Zustellung sehr gut“, sagt die 24-jährige Natalja aus Moskau. 

Freiwillig in Quarantäne und eine neue Klinik für Covid-19-Patienten 

Am 16. März wachte die 25-jährige Tatjana Morosowa aus Moskau mit Husten und Schnupfen auf. Sie wollte einen Arzt aufsuchen und auf das Coronavirus getestet werden – rein vorsorglich. Doch der Versuch war vergeblich. Sie kam nicht bis zum Arzt. Die Website des Gesundheitswesens, auf der online Termine zur Testung vereinbart werden können, war nicht erreichbar, die Hotline überlastet. 

Einige Stunden später hatte Tatjana bereits Fieber. Schließlich fand sie einen Arzt, der sie untersuchte: „Er hörte die Lunge ab, schaute mir in den Hals und fragte, ob ich in den letzten Wochen Kontakt zu Ausländern gehabt hätte oder im Ausland gewesen sei. Er verschrieb mir Aspirin und Paracetamol und empfahl mir, mehr Wasser zu trinken. Doch er weigerte sich, einen Test durchzuführen.“

Am selben Tag wies Moskaus Bürgermeister Sergej Sobjanin die medizinischen Einrichtungen an, alle Patienten mit respiratorischen Symptomen auf Coronavirus testen zu lassen (rus). „Jeder neue Fall erfordert einen Klinikaufenthalt nicht nur der erkrankten Person, sondern auch aller Personen, die mit ihr in Kontakt standen, wenn sie die geringsten Anzeichen einer akuten Atemwegserkrankung zeigen”, schrieb Sobjanin.

Darüber hinaus soll in Moskau ein neues Krankenhaus speziell für Pateinten mit Covid-19 gebaut werden (rus). Moskowiter, die kürzlich aus Europa zurückgekehrt sind, wurden angewiesen, sich zu Hause selbst zu isolieren. Die gleichen Einschränkungen gelten für ihre Familienangehörigen. 

Veranstaltungsverbote 

Der Bürgermeister von Moskau hat bis zum 10. April Massenveranstaltungen mit mehr als 50 Personen untersagt. Das Kulturministerium hat ein russlandweites Verbot des Besuchs von Bibliotheken eingeführt, berichtet RIA Nowosti. Die Theater Wachtangow und Sowremennik haben alle Aufführungen vom 17. März bis 10. April gestrichen. Das Jüdische Museum, das Museum für russischen Impressionismus und das Gulag-Geschichtsmuseum bleiben geöffnet, haben jedoch alle Veranstaltungen abgesagt, berichtet (rus) die Zeitung Wedomosti. 

Um die Russen in der Isolation zu unterhalten, bieten russische Streamingdienste kostenlos (rus) Filme und Serien an. Das Puschkin-Museum wird seine Konferenzen und Vorträge online stellen, berichtet (rus) Rossijskaja Gaseta. Führungen finden nur noch virtuell statt, auch in der Eremitage und im Russischen Museum in St. Petersburg.

Wer auch in Quarantäne nicht auf den Besuch in der Bar verzichten will, der kann die internationale Online-Bar „Stay The F*ck Home Bar“ der russischen Agentur Shishki.Collective besuchen. Sie besteht aus einer Reihe von „Chatrooms“, die vom Wobei-Videokonferenzdienst betrieben werden. Hier können sie sich virtuell mit vier bis zwölf Personen treffen, gemeinsam etwas trinken und sich unterhalten. 

Andere Moskowiter sind schon länger in der selbstgewählten Isolation: „Ich habe bereits zwei Wochen lang versucht, so viel wie möglich zu Hause zu bleiben“, sagt Natalja, die bei der Russischen Eisenbahn arbeitet. „Ich habe mich mit Lebensmitteln eingedeckt und eine Schutzmaske gekauft. Clubs und andere Vergnügungen interessieren mich momentan nicht. Es ist besser, alles abzuwarten. Alles wird gut, hoffe ich.“   

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