Der Duft der Metropole: Wie riecht Moskau?

Einige verbinden Moskau mit dem Aroma von Fast Food und Benzin, andere mit Wald, Frische und Blumen. Wir beschreiben, welche Gerüche, Genüsse und Herausforderungen den Moskau-Besucher erwarten.

Der russisch-sowjetische Schriftsteller und Lokalhistoriker Wladimir Giljarowski beschreibt in seinem Buch „Moskau und die Moskauer“ um die Jahrhundertwende den Duft der Stadt als Mischung aus Gülle, Abwasser und anderen Unannehmlichkeiten.  

Inzwischen leben in der russischen Hauptstadt 12,6 Millionen Menschen auf einer Fläche von 2.500 Quadratkilometern. Es ist eng in der Stadt. Jedes Viertel hat seine eigene spezifische Duftmarke. Wie riecht das moderne Moskau für Einheimische und Expats? 

Baustellen, Benzin und der Duft der Metro als Kopfnote 

„Moskau riecht für mich wie ein Kater nach einer durchzechten Nacht. Sie nehmen morgens die U-Bahn, den Bus oder den Zug und stellen fest, dass nicht wenige der Mitreisenden am Abend vorher Spaß hatten“, beschreibt Lucia Bellinello, Redakteurin der italienischen Website von „Russia Beyond“, die seit Anfang der 2000er Jahre in Moskau arbeitet, ihre Duft-Erfahrungen. 

Bei ihrem ersten Besuch in Moskau bekam Lucia zuallererst einen scharfen Benzingeruch in die Nase. Das ist nicht verwunderlich. Schon 2018 war Moskau die Welthauptstadt der Verkehrsstaus. 

„Ich habe den Eindruck, dass die Autos in Russland mit altem Benzin fahren. Es ist ein besonderer Geruch, den ich in Italien nicht wahrnehme“, sagt Lucia.

Für Olga Kozlova, die ebenfalls in Moskau arbeitet, aber in den Vororten lebt, hat die Hauptstadt ein ausgeprägtes Baustellenaroma entwickelt.  

„Sobald Sie eine U-Bahn-Station verlassen, sehen Sie Arbeiter und Baugruben. Jedes Jahr werden in Moskau neue U-Bahn-Stationen gebaut und ständig werden die Straßen ausgebessert. Es riecht nach Beton, Zementstaub und Farbe und auch oft nach Schwefel“, erzählt Olga Kozlova. Die Schwefelnote stammt wahrscheinlich von den Deponien im südöstlichen Moskauer Bezirk.  

Der Geruch von Abwasser ist zwar nicht mehr allgegenwärtig, aber auch nicht ganz verschwunden - er ist besonders an der U-Bahn-Station Vykhino verbreitet. Dort in der Nähe lebte Olga Kozlova über 30 Jahre. Das Gebiet gehört zum genannten Bezirk. Häufig werden in der Nähe der U-Bahn-Station Kanalarbeiten durchgeführt. Grundsätzlich gilt der Nordwesten der Stadt als sauberer als der Südosten. 

Michael Kravchenko, der 2005 von Großbritannien nach Moskau gezogen ist, hat den Geruch der ewigen Baustelle ebenfalls in der Nase. 

„Aber das ist normal für eine große Stadt. Ich wohne am Katharinenpark. Daher rieche ich oft auch Grün“, sagt Kravchenko.

Für Ksenia Belova riecht Moskau dagegen nach Müllverbrennungsanlagen, nach Rauch und Chemikalien - zumindest in der Nähe der U-Bahn-Station Nagornaya im Südwesten, wo sie lebt. Laut Ksenia nimmt sie den Geruch besonders stark wahr, wenn sie nachts mit ihrem Hund spazieren geht. 

Moskaus Geruch-Visitenkarte ist der einzigartige Duft der U-Bahn. Der Moskauer IT-Blogger Jewgeni Lewaschow beschreibt ihn als eine Mischung aus Öl und trockener Luft. Nadeschda Nasedkina, eine gebürtige Moskowiterin, spricht von einem „warmen Kreosotaroma“. Kreosot ist eine ölige, teerhaltige Flüssigkeit, mit der die Bahnschwellen bestrichen sind.  

Essen, Wald und Heimat 

Viele Einwohner verbinden Moskau mit dem Geruch von Lebensmitteln. Für Alexei Petrowski riecht die Hauptstadt nach Pfannkuchen. Vielleicht liegt das daran, dass er ein paar Mal im Monat in sein Lieblingspfannkuchenhaus in der Taganka-Straße geht.

Für viele andere, wie die Journalistin Daria Labutina, ist Moskau mit dem Duft von McDonalds-Burgern verbunden, insbesondere im Herzen der Stadt am Maneschnaja-Platz. Dies liegt daran, dass sich unter dem Platz das Einkaufszentrum Ochotni Rjad mit einem McDonald's-Restaurant befindet, dessen Belüftungssystem die Küchenaromen direkt in die Nasenlöcher der  Passanten pumpt (möglicherweise absichtlich, um Kunden anzulocken).

Moskau riecht auch für Lucia von „Russia Beyond“ nach Essen. Für sie duftet die Stadt nach Borschtsch und anderen russischen Suppen, die in den Cafés serviert werden. Lucia liebt dieses Suppenaroma der Stadt. 

Für Moskauer, die in der Nähe des Nationalparks Losini Ostrow im Nordosten der Hauptstadt leben, riecht Moskau einfach nur nach Wald, sagt Anastasia Maryina.

Für Anna Tiutjunijuk riecht Moskau vor allem nach Heimat. 

„Moskau ist der Geruch von Zuhause und Nostalgie. Er erinnert an die Kindheit und die Studentenzeit. Es ist wie eine Mischung aus Staub und Ozon, besonders nach Regen. Ich liebe diesen Geruch sehr“, schwärmt Anna Tiutjunijuk.

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