Die städtische Siedlung Dikson misst etwa 220.000 Quadratkilometer, ist also nur ein wenig kleiner als die Fläche von Großbritannien. Bei der letzten Volkszählung im Jahr 2018 wurden dort jedoch lediglich 548 Einwohner gezählt. Wenn man sich dort streitet, sollte man dem Kontrahenten tagelang aus dem Weg gehen. Tatsächlich leben die Menschen in Dikson alle in einer kleinen Siedlung.
Dikson ist fast 105 Jahre alt. Es wurde nach dem schwedischen Polarforscher Baron Oscar Dickson benannt - er war es, der eine Expedition in die Bucht finanziell förderte. Seit 1916 befindet sich in der Gegend eine Polarstation.
In den letzten 30 Jahren ist die Bevölkerung von Dikson um das Zehnfache zurückgegangen. Die meisten Menschen hat es aufs Festland gezogen, wie die russischen Bewohner abgelegener Regionen gerne den Rest des Landes nennen.
Sogar Einheimische müssen beim Betreten des Territoriums einen Reisepass vorlegen und sich registrieren. Externe Besucher benötigen eine Sondergenehmigung. Dikson liegt direkt an der Küste auf dem Festland und einer Insel. Es ist eine Grenzstation. Die Siedlung ist nur mit dem Flugzeug über den Flughafen auf der Insel Dikson erreichbar. Dort landet einmal in der Woche eine alte AN-26. Waren kommen ebenfalls per Flugzeug nach Dikson, daher ist Einkaufen dort nicht billig.
Die Bewohner von Dikson können ihre Fahrzeuge nicht einfach tanken, wann sie wollen. Vor Ort gibt es keine Tankstelle, die nächste liegt 500 Kilometer entfernt. Aber dorthin zu fahren ist nicht so einfach, denn Straßen, die diesen Namen auch verdient hätten, gibt es nicht.
Einmal im Jahr erreicht die Insel eine Kraftstofflieferung auf dem Seeweg. Sie müssen vorbestellen und die Menge ist begrenzt. Autos gibt es gar nicht so viele in Dikson. „Das Benzin wird vor allem für Schneemobile und Motorboote benötigt. Wir ordern ein bis zwei Tonnen. Das reicht für ein Jahr“, erzählt Alexander Anisimow aus Dikson.
Der arktische Winter ist geprägt von den Polarnächten, extrem kalten Temperaturen und heftigen Schneestürmen, die Wochen andauern. In Dikson dauert dieser harte Winter gleich ganze neun Monate. Die Temperaturen können unter -50 °C fallen. Die Einheimischen machen sich darüber nicht allzu viele Gedanken: „Es ist sehr windig. Ein Seeklima. Doch es ist nicht so kalt wie in Norilsk oder Dudinka, wo selbst ein schwacher Wind die Leute im Haus hält. Hier ist es relativ warm“, sagt Albert Mingaschew, Englischlehrer an einer örtlichen Schule. Schnee liegt fast das ganze Jahr über. Auch im Juni, wenn die Temperaturen bei +5 bis +6 °C liegen, fahren die Leute mit dem Schneemobil umher.
Das Dikson-Territorium ist eine arktische Wüste. Es gibt keine Bäume, nicht einmal Büsche. Der Sommer bringt eine grüne Tundra hervor, während der Winter alles Grün mit Schnee bedeckt.
Kriminalität in Dikson gibt es so gut wie nicht, aber die Polizei ist dennoch nicht arbeitslos. Sie kümmert sich hauptsächlich um die Abwehr von Wölfen und Eisbären, die oft auf der Suche nach Nahrung in die Siedlung vordringen. Es gibt einen lokalen Warndienst per SMS vor herannahenden Bären. Die Stadt empfiehlt allgemein, nicht nach 20 Uhr rauszugehen, die Bären nicht zu füttern oder Selfies mit ihnen machen zu wollen.
Am zuverlässigsten warnen laut Einwohner Robert Praszenis jedoch die Hunde. „Dies ist die sicherste Anzeige von Gefahr. Wenn die Hunde friedlich herumliegen, ist alles in Ordnung.“ Wenn die Einheimischen einen Bären entdecken, rufen sie die örtliche Verwaltung und die Polizei an. Diese verjagen den Eindringling.
Erst seit zehn Jahren gibt es in Dikson Mobilfunk. Internet ist verfügbar, aber die Verbindung ist so schwach, dass es ein oder zwei Stunden dauert, um ein paar Bilder (!) zu laden. Ein Monat Internetzugang kostet zudem etwa so viel wie ein halbes Jahr Breitband-Internet „auf dem Festland“.
Vor einigen Jahren wurde das einzige Krankenhaus der Stadt geschlossen, weil es in Dikson einfach keine Ärzte gab. Wenn medizinische Hilfe benötigt wird, wird über Funk ein Flugzeug angefordert. Es gibt einen Sanitäter, der regelmäßig kommt, um die Bevölkerung zu untersuchen.
Abgesehen davon, dass es kein Krankenhaus gibt, gibt es auch keine Kinos… oder Busse oder Cafés oder Supermärkte oder Werbeplakate (wir sind uns nicht sicher, ob dies ein Mangel ist). Es gibt jedoch ein Fitnessstudio. Und hier verbringen die meisten Einwohner der Siedlung ihre Freizeit.
Das ist das 30-fache, was notwendig ist, um eine vergleichbar abgelegene Siedlung, zum Beispiel Sajany, in Südsibirien, am Leben zu erhalten. Dikson wird zu 90 Prozent subventioniert. Abgesehen von einer kleinen Anzahl von Menschen, die das ganze Jahr über dort leben, beherbergt die arktische Siedlung größtenteils Schichtarbeiter, von denen fast alle bei staatlichen Unternehmen beschäftigt sind.
In der Sowjetzeit war Dikson ein Handelszentrum, Bergbaustandort, Ausgangspunkt für Expeditionen oder auch Exilort. Geologen, Lehrer, Soldaten, Polarpiloten und andere aus dem ganzen Land - alle zog es dorthin. In den 1980er Jahren hatte Dikson 5.000 Einwohner.
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