Vom Eise befreit: Wie bekämpft Russland seine Schneemassen?

Pawel Lwow/Sputnik
Mit Panzern, kreativen Schneepflügen Marke Eigenbau und speziellen Schmelzanlagen rücken die Russen im Winter dem vielen Schnee zu Leibe.

In der Regel erfahren die kommunalen Dienste nur vier Stunden im Voraus von einem bevorstehenden Schneefall: Sie erhalten eine Warnung (rus) vom Wetterdienst. Das ist nicht viel Zeit, doch dennoch ausreichend, um die notwendigen Vorbereitungen zu treffen: Die Schneeräumfahrzeuge werden in Stellung gebracht und Straßen, Brücken und Haltestellen mit Enteisungsmitteln behandelt. 

In jeder russischen Stadt sind Straßen und Alleen je nach ihrer Bedeutung in verschiedene Kategorien unterteilt. Wenn es schneit, räumen die kommunalen Dienste zuerst die wichtigsten Bereiche der Stadt. Dies sind die Hauptverkehrsstraßen, öffentlichen Verkehrswege, belebte Fußgängerzonen und Zufahrten zu wichtigen Gebäuden und Einrichtungen wie Krankenhäuser, Feuerwehren und Polizeistationen.

Die Städte haben unterschiedliche Schneeräumpläne für Wohnviertel. In Moskau (rus) muss beispielsweise mit der Räumung von Bereichen außerhalb von Wohnblöcken begonnen werden, wenn die Bürgersteige mit mindestens zwei Zentimeter Schnee bedeckt sind. Wenn stündlich ein bis zwei Zentimeter Schnee fallen, haben Straßenreiniger vier Stunden Zeit, um Schnee und Eis zu entfernen, und zwar bis zum nächsten Tag neun Uhr. Fallen mehr als vier Zentimeter Schnee, wird umgehend mit der Beseitigung begonnen. 

Oft liegt so viel Schnee, dass alle Pläne über den Haufen geworfen werden müssen. Dann arbeiten die kommunalen Dienste rund um die Uhr. 

Kommunale Dienste werden mit verschiedenen Nutzfahrzeugen zur Schneeräumung ausgestattet. Meist handelt es sich dabei um Schneepflüge (auf Basis von KamAZ-LKWs) oder Schneelader. Moskau verfügt beispielsweise über eine Flotte von rund 7.600 Winterdienstfahrzeugen. Außerdem räumen mit normalen Schaufeln bewaffnete Straßenreiniger den Schnee außerhalb von Wohnblöcken.

Die Aufgabe der kommunalen Dienste besteht darin, den Schnee zu Haufen zusammenzutragen, die auf Muldenkipper verladen werden. Vereiste Fußgängerzonen und Straßen werden mit Enteisungsmitteln behandelt oder mit Sand gestreut. 

Wohin mit dem Schnee? 

Bis 2002 wurde in Moskau gesammelter Schnee in die Moskwa abgeladen. Mittlerweile wird der Schnee in der Hauptstadt sowie in anderen Großstädten mit über einer Million Einwohnern wie St. Petersburg, Kasan und Nowosibirsk in speziellen Schmelzanlagen verarbeitet. 

Schneeschmelzanlagen bestehen aus zwei Betonbecken und zwei Pumpen, erklärt (rus) Georgi Lewin, Betreiber von Moswodostok, einem Unternehmen für Entwässerungssysteme. Der Schnee kommt ins erste Becken und wird durch Zugabe von heißem Wasser geschmolzen.  Das Schmelzwasser wird dann in das zweite Becken geleitet, von wo es in den Abwasserkanal und dann in die Moskwa eingeleitet wird. Die Becken verfügen über Gitter, um Unrat aufzufangen, der möglicherwiese mit aufgesammelt wurde. 

Neben den Schneeschmelzanagen gibt es in allen Städten Schneedeponien. Der gesamte Schnee wird dort abgeladen und verbleibt dort, bis er im Frühjahr schmilzt.

Unterstützung durch das Militär 

Bei ungewöhnlich starkem Schneefall bitten die örtlichen Behörden häufig das Militär um Hilfe. So räumte das Militär 2018 nach dem stärksten Schneefall der letzten 140 Jahre die Straßen in Moskau und der Region Moskau sowie 2019 in der Region Kursk, Wolgograd und Saratow.

Doch manchmal sind selbst Panzer keine wirksame Waffe gegen den vielen Schnee. Im April 2020 wurde das nördliche Dorf Teriberka in der Region Murmansk für zwei Wochen von der Zivilisation abgeschnitten, da Schnee die Straße dorthin blockiert hatte. Lebensmittel wurden mit Schlitten geliefert, um die Bewohner zu versorgen, bis es einem Konvoi von Spezialfahrzeugen gelungen war, die Straße frei zu räumen. 

„Wir leben seit 20 Jahren im Dorf. Es gab schon Zeiten, in denen der Schnee meterhoch lag, doch so schlimm war es noch nie. Es sollte besser organisiert werden und die Ausrüstung sollte vorhanden sein“, beklagte sich (rus) Larisa Cholodowa aus Teriberka.

Mit „High Tech“ gegen den Schnee

Im Jahr 2013 entwarfen drei Erfinder aus Perm einen automatischen Schneepflug, einen kleinen Roboter mit einem Eimer zum Räumen von Bereichen außerhalb von Privathäusern, der mit einem Joystick fernbedient werden kann

„Der Roboter hat drei Modi. Einmal kann der Benutzer ihn vom Fenster aus steuern, ohne das Haus verlassen zu müssen. Der zweite Modus ähnelt einem Computerspiel: Sie schauen auf einen Monitor und bedienen den Roboter. Der dritte Modus ist offline. Dazu muss der Schnee einmal per Hand geräumt werden. Die geräumte Fläche wird gespeichert und beim nächsten Schneefall erledigt der Roboter diese Arbeit selbständig“, so Entwickler Oleg Kiwokurzew (rus)

Zwar wurden bereits 50 Geräte nach Europa verkauft (rus), doch kein Schneepflug-Roboter schaffte es auf russische Straßen. 

Im Jahr 2020 wurden Straßenreiniger im Gebiet Perm mit umfunktionierten Laubbläsern (rus) anstelle von Schaufeln ausgestattet, während ein Straßenreiniger aus Kemerowo einen Rasenmäher verwendete, der sich auch als guter Schneepflug erwies.  

Ein ähnlicher Erfindungsreichtum zeigte der Moskauer Straßenreiniger Andrei Petrow. Im Februar 2020 rüstete er ein elektrisch angetriebenes Einrad mit einer Schaufel zum Schneepflug um. „Ich habe die Schaufel aus einer in Längsrichtung aufgeschnittenen Gasflasche gebaut, die Räder stammen von einem Rasenmäher und die Griffe von einem Rohr. <...> Es ist sehr anstrengend, damit Schnee zu räumen. Aber es ist ein gutes Gefühl, etwas gebaut zu haben, was nützlich ist“, sagt (rus) Petrow. 

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