Die Massenimpfung gegen Covid-19 in Russland begann im Januar 2021. Das bedeutet, dass sich jeder Erwachsene gegen die neuartige Virenerkrankung impfen lassen kann, unabhängig von seiner beruflichen Tätigkeit. Es wird erwartet, dass 60 % der Bevölkerung des Landes innerhalb eines Jahres den Impfstoff erhalten werden.
Ende Januar erklärte die Leiterin der Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadsor Anna Popowa, dass die in Russland lebenden Ausländer nicht gegen das Coronavirus geimpft werden. „Ab heute besteht die Hauptaufgabe darin, die maximale Zahl russischer Bürger, die in der Russischen Föderation leben, zu erfassen. [...] Trotzdem muss es Prioritäten geben – diese haben wir für unseren Staat definiert und folgen ihnen“, sagte die Beamtin.
Nichtsdestotrotz können in der Praxis auch Ausländer den russischen Impfstoff Sputnik V erhalten und müssen nicht einmal im Land leben.
Das bekannteste Kaufhaus des Landes, das GUM auf dem Roten Platz, Freitag, gegen 17:00 Uhr: Rund um das Einkaufszentrum hängen Impfhinweise aus und eine Stimme aus dem Lautsprecher wirbst in regelmäßigen Abständen mit der Gelegenheit zum Impfen.
Mitte Januar hieß es in den Nachrichten, dass man hier den russischen Impfstoff bekommen könne – ohne Termin und kostenlos. Zum Abschluss gäbe es Markeneiscreme aus dem Kaufhaus, ebenfalls kostenlos.
Das GUM-Kaufhaus auf dem Roten Platz
Kyrill Sykov/Moskva agency„Morgens gibt es Warteschlangen, etwa von 10 bis 12 Uhr, abends ist kaum noch jemand da“, berichten die Mitarbeiter der Impfstelle. Das Impfzentrum selbst befindet sich in einem der Ladengeschäfte – eine kleine Glastür, zwei Mitarbeiter bei der Anmeldung, ein heller Raum, ein Sofa und eine Garderobe. Das Ganze dauert nur wenige Minuten: Formular ausfüllen, Kontaktdaten hinterlassen und ab zum Arzt. Die einzigen Dokumente, die Sie mitbringen müssen, sind der Reisepass und eine Krankenversicherungspolice. Wenn Sie Letztere nicht haben, genügt der Reisepass – egal für welches Land.
Nicolas Iljine aus Frankreich kam zu GUM, um sich impfen zu lassen, und hatte nur seinen Reisepass dabei: „Es gab keine Warteschlange und nur drei Leute waren vor mir. Ausländer habe ich keine gesehen.“
„Man war nicht überrascht, dass ich im Ausland wohne und sagte nichts bezüglich Ausländern. Ein Arzt schaute sich den von mir ausgefüllten Fragebogen genau an, fragte, warum ich einen Gehstock benutze und stempelte ein Papier ab. Alle waren zuvorkommend und freundlich und die Zimmer waren makellos sauber.“
„Nach der Impfung bekam ich ein abgestempeltes Zertifikat ausgehändigt und dazu ein Eis geschenkt. Und da ich meine Heldentat stolz auf Facebook gepostet hatte, wurde ich von mehreren Freunde aus dem Ausland gefragt, wie es möglich war, sich in Russland mit Sputnik V impfen lassen kann und wie das funktioniert. Ich schrieb ihnen, dass es kinderleicht sei und ich mich dazu entschieden hatte, um mir die monatelange Wartezeit in Frankfurt am Main zu ersparen.“
Luigi Minari reiste am 13. Februar mit einem Touristenvisum aus Italien nach Moskau. Er ging auch zu GUM, zeigte seinen italienischen Reisepass, füllte einen kurzen Fragebogen zu seinem Gesundheitszustand aus und wurde geimpft. „Mein nächster Termin ist am 13. März. Bis jetzt sind meine Erfahrungen sehr gut. Obwohl ich in Italien lebe und die Möglichkeit habe, einen anderen Impfstoff zu wählen, habe ich mich für Sputnik entschieden, weil dieser Impfstoff unter Verwendung jahrelanger Forschungen zu anderen Impfstoffen entwickelt wurde und vollkommen sicher ist. Das Risiko von Nebenwirkungen oder Folgeschäden ist also nicht groß. Mehr noch: Eure Technologie ist (zumindest für mich) sicherer als die anderer Impfstoffe, weil sie nicht direkt in der RNA wirkt. Nach der ersten Anwendung hatte ich keine Nebenwirkungen und mir geht es gut.“
Es gibt jedoch einen Nachteil: Diese Art, den Impfstoff zu erhalten, bietet nicht den für internationale Reisen erforderlichen QR-Code.
„Wenn Sie denken, Sie können zum GUM gehen und die Impfung erhalten und denken, Sie bekommen ein Zertifikat für internationale Reisen – nein, das ist nicht möglich. Weil Sie nicht offiziell im System existieren und nur [öffentliche] Polikliniken Zugriff auf das elektronische Register des Gesundheitsministeriums haben“, erzählt der Unternehmer Joshua Levy, der einen britischen Pass hat.
Um in einer russischen staatlichen Poliklinik geimpft zu werden, muss man bei der gesetzlichen Krankenversicherung Russlands versichert sein – dazu muss man über ein Arbeitsvisum oder einen Wohnsitz in Russland verfügen.
„Für internationale Reisen benötigen Sie zudem eine beglaubigte englische Übersetzung und eine Apostille des russischen Justizministeriums. Das ist wohl kaum jemanden bekannt“, sagt Joshua, der sich für die Impfung an eine Poliklinik gewandt hatte.
„Ich bin einer der wenigen Ausländer, die den QR-Code erhalten haben. Ich weiß, dass dies offiziell nicht angekündigt wurde, aber das ist Russland – hier ist alles möglich. In der ersten Dezemberwoche ging ich zur Bezirks-Poliklinik und bat darum geimpft zu werden, weil ich Englischlehrer bin und mit kleinen Kindern arbeite, also automatisch Anspruch darauf habe. Die Dame an der Anmeldung schickte mich zu einem Beratungsgespräch in die Praxis des Allgemeinarztes“, erinnert er sich.
Der Arzt befragte ihn zu akuten Krankheiten, Atemwegsproblemen und Allergien. „Ich antwortete, dass ich nichts davon habe. Nach dem Gespräch wurde mir ein Termin für die Verabreichung der ersten Dosis erteilt.“
Die Impfungen werden in Gruppen zu fünf Personen durchgeführt, da jede Ampulle fünf Dosen enthält, die sofort nach dem Öffnen verwendet werden müssen. „Als ich kam, saßen dort schon vier Leute. Ich bekam die Nadel in die Schulter gepickt. Es war nicht schmerzhaft und nach ein paar Minuten war alles erledigt. Ich war übrigens vorher bereits einmal an Covid erkrankt.“
„Der Impfstoff beginnt nach 12 – 14 Stunden zu wirken. In der Nacht bin ich mit hohem Fieber aufgewacht, aber das war zu erwarten. Ich habe sofort Paracetamol genommen und mein Fieber ist gesunken. Tagsüber hatte ich ähnliche Symptome wie bei Covid: Lethargie, ein ausgeprägtes Schwächegefühl, Körperschmerzen. Am nächsten Tag waren die Symptome jedoch verschwunden und mein Leben kehrte zur Normalität zurück.“
Drei Wochen später erhielt Joshua die zweite Dosis des Impfstoffs, bei der ein anderer viraler Vektor in den Körper injiziert wird, um eine Immunreaktion auszulösen: „Ich persönlich hatte eine stärkere Reaktion auf die zweite Dosis als auf die erste. Die Symptome waren die gleichen, aber sie waren viel intensiver. Trotzdem war am dritten Tag wieder alles normal.“
Damien Rémy aus Frankreich wurde ebenfalls in einer öffentlichen Poliklinik geimpft. „Ich habe viel darüber nachgedacht, da ich hier Lehrer bin und die Immunität für mich relevant ist und ich ziemlich besorgt war, mich anzustecken. Seit März 2020 unterrichte ich großteils online, aber das ist unbequem und außerdem nicht sehr gut für meinen Unterricht und meine Schüler.
Also fragte ich den Vater eines meiner Schüler, der Arzt ist. Und der sagte mir, ich solle in seine Klinik kommen. Vorab ließ ich mich von einem Virologen untersuchen, der auch Proben für die Laboranalyse abnahm. Und als das Ergebnis zurückkam, nannte er mir gleich einen Termin für die Impfung. Ich hatte vorher versucht, selbst einen Termin wahrzunehmen, aber entweder war die Wartezeit zu lang oder man verlangte Unterlagen von mir, die ich auf die Schnelle nicht beschaffen konnte“, erzählt Damien.
In der Poliklinik wurde ihm höflich auf Russisch erklärt, was passieren werde und welche Formulare ausgefüllt werden müssen. „Die Wartezeit war sehr kurz, ungeachtet dessen, dass ca. 5 – 10 Leute in der Warteschlange waren.“
Nach der ersten Injektion hatte Damien 24 Stunden lang Fieber und litt unter großer Müdigkeit, was aber schnell vorüberging. Nach der zweiten Injektion war dieWirkung ähnlich, aber etwas schwächer. Er trank anderthalb Monate lang keinen Alkohol. „Manche Leute in Russland sagen, dass man zwei Monate lang nichts trinken solle, andere sprechen von zwei Tagen davor und zwei Tagen danach. Ich wusste nicht, wann ich tatsächlich geimpft werden würde, da ich tagelang verschiedene Stellen angerufen hatte. Also denke ich, dass ich mindestens anderthalb Monate keinen Alkohol getrunken habe.“
„Manche Leute in Frankreich beneiden mich sogar, weil es dort ziemlich lange dauert und sie noch mit vielen Einschränkungen leben müssen, aber sie haben auch einfach Angst, sich mit dem Virus anzustecken.“
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