EpiVacCorona: Was ist bekannt über den zweiten russischen Impfstoff gegen das Coronavirus?

Dmitri Rogulin/TASS
Russland setzt bei den Impfungen gegen das Coronavirus inzwischen einen zweiten Impfstoff ein. „EpiVacCorona“ soll mindestens ein halbes Jahr Immunität bieten.

Welcher Impfstofftyp ist „EpiVacCorona“?

„EpiVacCorona“ ist ein Peptid-Impfstoff. Er wurde auf der Basis von drei synthetisierten Peptiden entwickelt - kurzen Fragmenten des Spike-Proteins des SARS-CoV-2-Coronavirus. Diese Spike-Proteine helfen dem Virus, sich an eine menschliche Zelle zu klammern und in diese einzudringen. Es ist eine Art Reizstoff, auf den die Zellen des Immunsystems reagieren, bevor sie das Virus bekämpfen.

Das Vakzin wurde vom Vector-Forschungszentrum in Sibirien entwickelt. Dort werden seit mehr als 20 Jahren Peptidplattformen für Impfstoffe entwickelt, die zum Beispiel bereits bei der Entwicklung einer Impfung gegen Ebola genutzt wurden.

Enthält das Vakzin das Virus?

Nein, der Impfstoff enthält weder das lebende Virus noch Elemente des viralen Genoms. Darin unterscheidet es sich von dem anderen russischen Impfstoff, „Sputnik V“, der auf einer Vektorplattform entwickelt wurde (er enthält Adenoviren). In dieser Hinsicht gilt „EpiVacCorona“ als der sicherere Impfstoff, da er laut Tierversuch und Tests mit Freiwilligen keine allergischen Reaktionen oder sonstige Komplikationen hervorruft.

„Man kann sein ganzes Leben lang immer wieder damit geimpft werden, ohne Angst vor einer allergischen Reaktion oder dem Auftreten von Antikörpern gegen den Vektor haben zu müssen, denn es gibt keinen Vektor“, erklärt der Impfstoffentwickler und Leiter der Abteilung für zoonotische Infektionen und Influenza bei Vector, Alexander Ryzhikov.

Wie wirksam ist „EpiVacCorona“?

Untersuchungen zeigen, dass 100 Prozent der Freiwilligen eine Immunreaktion auf den Impfstoff zeigten: Alle entwickelten Antikörper. Die Immunität hielt sechs Monate, so die Entwickler des Impfstoffs. Antikörperbestimmungen führen sowohl bei Geimpften als auch bei von Covid-19 genesenen Patienten zu ungefähr gleichen Ergebnissen; bei den Genesenen ist der Wert etwas höher (1:80 gegenüber 1:60).

Gleichzeitig wird argumentiert, dass der Impfstoff gegen verschiedene Varianten des Coronavirus (seine Mutationen) geeignet ist, da er nur auf den „konservativen“ Teilen des viralen Proteins basiert, die keine Veränderungen erfahren. Diese Theorie wurde experimentell am britischen Stamm getestet.

Jedoch: Die präklinischen EpiVacCorona-Studien (Phasen I und II) wurden an lediglich 100 Freiwilligen durchgeführt. Mehr Nachweise für die Wirksamkeit von „EpiVacCorona“ gibt es bislang nicht. In diesem Stadium werden nur die unmittelbaren Reaktionen, Nebenwirkungen und deren Häufigkeit sowie die Immunogenität - die Fähigkeit des Impfstoffs, eine Immunantwort auszulösen - bewertet. Bisher wurden die Ergebnisse dieser Studien nur in einer selten zitierten Fachinformation der russischen Verbraucherschutzbehörde Rospotrebnadzor, die auch für die Genehmigung von Impfstoffen zuständig ist, veröffentlicht.  

Die Wirksamkeit - im Wesentlichen die Fähigkeit zum Schutz vor Krankheiten - wird in der Studie nicht beschrieben. Darüber geben erst die klinischen Phase-III-Studien Aufschluss, die noch im Gange sind.

Was ist der Kritikpunkt an den Studien?

Die Zahl der Stichproben war zu gering. Nur 3.000 Menschen nehmen an Phase III teil, und ein Viertel von ihnen erhielt ein Placebo. Dies ist ein Zehntel der Stichprobe für Sputnik V. „Die Versuche wurden zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt durchgeführt - während einer neuen Welle“, erklären die Entwickler. Sie sagen jedoch auch, dass klinische Studien mit Impfstoffen gegen saisonale Krankheiten auf einer ähnlichen Zahl von Proben beruhen und in diesem Fall auch eine solche Probengröße ausreichen würde.

Zudem ist die Datenlage über die Wirksamkeit schwach. Niemand behauptet, dass der Impfstoff keine Antikörper auslöst, für eine Immunität sind aber zusätzlich andere Komponenten von entscheidender Bedeutung - eine T-Zell-Antwort oder Zytokine zum Beispiel. Dazu liegen noch keine Daten vor. Bis zum Abschluss der Phase III verbleiben noch neun Monate. Darüber hinaus ist dies die wichtigste Phase, da laut Statistik nur 30 Prozent der klinischen Studien mit Impfstoffen dieses Stadium bestehen. In dieser Phase scheitern die meisten Projekte, selbst, wenn in den früheren Stadien gute Ergebnisse erzielt wurden.

In der Zwischenzeit findet in Russland seit Mitte März 2021 eine öffentliche Massenimpfung mit „EpiVacCorona“ statt, an der auch Personen über 60 Jahre beteiligt waren. Eine Reihe ausländischer Staaten hat Interesse an dem Impfstoff bekundet.

Wie viele Dosen werden benötigt?

Es werden zwei Dosen „EpiVacCorona“ im Abstand von zwei bis drei Wochen verabreicht.  

Welche Nebenwirkungen gibt es?

Bisher wurden nur minimale Nebenwirkungen berichtet - dies ist der Hauptvorteil von „EpiVacCorona“ gegenüber allen anderen vorhandenen Impfstoffen und wird von niemandem bestritten.

Freiwillige in den Phase I- und Phase II-Studien berichteten von leichten Schmerzen an der Injektionsstelle, die schnell vorübergingen. Es wurden keine anderen nachteiligen Symptome festgestellt.

Auf dem inoffiziellen Telegrammkanal, der von den Teilnehmern der Phase-III-Studien eingerichtet wurde, wird über minimale Nebenwirkungen berichtet: Beschwerden und Rötungen an der Injektionsstelle, die einen Tag andauern, starke Schmerzen in der Schulter. Keiner berichtet über Fieber oder Muskel- und Gelenkschmerzen, zumindest wurde kein ursächlicher Zusammenhang mit der Injektion vermutet.

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