Was waren die gesellschaftlichen Errungenschaften der UdSSR?

Kira Lisitskaya (Photo: Anatoly Grakhov/TASS; Boris Kavashkin/Sputnik; Viktor Ruikovich/MAMM/MDF/russiainphoto.ru)
Heutzutage wird oft verdrängt, dass die Sowjetunion auf einigen Gebieten ein Vorreiter war und die westliche Welt damals noch ein Stück hinterherhinkte.

1 Geregelte Arbeitszeiten und Urlaubsanspruch

Strände von Abchasien, georgische SSR.

Die frühe russische Sowjetrepublik war weltweit führend in Bezug auf die Regulierung von Arbeits- und Urlaubszeit. Im Jahr 1918 wurde durch ein Dekret ein jährlicher bezahlter Urlaub von zwei Wochen für alle Arbeitnehmer festgelegt.

Das Arbeitszeitgesetz von 1918 sah einen strengen Acht-Stunden-Arbeitstag und eine 48-Stunden-Woche mit wöchentlich einem freien Tag vor. Nach dem Arbeitszeitgesetz von 1922 wurde allen Arbeitnehmern, die mindestens sechs Monate ununterbrochen gearbeitet hatten, ein zweiwöchiger Urlaub garantiert. Überstunden sollten doppelt bezahlt werden - und die Gesamtüberstunden durften 120 Stunden pro Jahr nicht überschreiten.

1936 wurde das Recht auf Urlaub und Feiertage in der Verfassung der UdSSR festgeschrieben. Der Staat brauchte seine offiziell registrierten Arbeitnehmer gesund, vermittelte ihnen so ein Gefühl der Sicherheit und war vor allem abhängig von deren Arbeitskraft.  

2 Frauenrechte

Nach der neuen Gesetzgebung hatten sowjetische Frauen 1918 offiziell das Recht, ihren Beruf, ihren Wohnort zu wählen, eine Ausbildung zu erhalten, zu heiraten und sich wieder scheiden zu lassen und das gleiche Gehalt wie männliche Arbeiter zu bekommen. Das Arbeitszeitgesetz von 1918 verbot auch Überstunden für Frauen und gewährte ihnen zwei Monate bezahlten Urlaub vor und nach der Geburt.

Die Verfassung der UdSSR von 1936 garantierte Frauen die gleichen Rechte „in allen Bereichen des wirtschaftlichen, staatlichen und gesellschaftspolitischen Lebens“. Dies bedeutete, dass Frauen das Wahl- und Wählrecht hatten. Sie konnten auch Politikerinnen werden. Der Staat unterstützte Mütter von mehreren Kindern, schwangere Frauen und junge Mütter. Im Jahr 1936 wurden Abtreibungen jedoch aufgrund einer demografischen Krise verboten. Die Rate der illegalen Abtreibungen stieg daraufhin und die Praxis wurde 1955 erneut legalisiert.

1967 wurden Unterhaltszahlungen für Frauen eingeführt, die sich von ihrem Ehemann scheiden ließen - mindestens 25 Prozent des Einkommens der Familie, die sie verlassen hatte - standen der Frau zu. 1968 folgten bezahlter Schwangerschafts- und Mutterschaftsurlaub sowie „Kindergeld“ für alleinerziehende Mütter und geschiedene Frauen.

3 Zugang zu kostenlosen Gesundheitsdienstleistungen

Kinderarzt in einem russischen Dorf.

Das Gesundheitsmodell der UdSSR stellte sicher, dass die Gesundheitsversorgung für alle kostenlos war. Im Rahmen dieses Systems wurden medizinische Dienstleistungen von staatlichen Institutionen unter der Kontrolle des Gesundheitsministeriums erbracht und aus dem Staatshaushalt finanziert. Für jeden Bürger waren alle Maßnahmen frei zugänglich und kostenfrei. Der Schwerpunkt der medizinischen Leistungen lag auf Hygiene und Prävention von Infektionskrankheiten. Dies war das erste nationale Gesundheitssystem der Welt und wurde von Schweden, Irland, Großbritannien, Dänemark, Italien und anderen übernommen. 

Dieses System erlaubte keine privaten Arztpraxen. Ärzte waren Staatsangestellte und medizinische Einrichtungen waren hierarchisch und geografisch organisiert. Das Territorium des Landes war in Bezirke unterteilt, denen jeweils ambulante Krankenhäuser und lokale Fachärzte zugeordnet waren. Kompliziertere Fälle wurden an die regionalen Krankenhäuser überwiesen.

Obwohl die sowjetische Medizinindustrie Versorgungsprobleme hatte, war die Bereitstellung kostenloser medizinischer Hilfe für alle Bürger ein großer Meilenstein in der Geschichte der UdSSR.

4 Bildung für alle

Schulkinder in Almaty, kasachische SSR.

Als die Bolschewiki 1917 die Macht übernahmen, war Russland größtenteils ein Land der Analphabeten. In der zentralrussischen Bevölkerung konnte man nur etwa 25 Prozent als gebildet bezeichnen, während in Sibirien nur zehn bis 15 Prozent der Menschen eine schulische Ausbildung genossen hatten. In Zentralasien konnten über 97 Prozent der Menschen nicht schreiben und lesen. 

In den Jahren 1917 bis 1927 wurde über zehn Millionen Menschen das Lesen und Schreiben beigebracht. In den ersten Jahrzehnten nach der Revolution wurden geschriebene Muttersprachen für zuvor nicht schreibende Völker (Balkaren, Tuwiner, Adygejer usw.) geschaffen. Die Kinder erhielten Lehrbücher in ihrer Muttersprache. Russisch wurde an nationalen Schulen als „universelle“ Sprache der UdSSR unterrichtet.

In den 1930er Jahren wurde die Schulpflicht eingeführt. 1949 wurde nach dem Krieg eine universelle siebenjährige Schulausbildung festgelegt. 1958 wurde die Pflicht zum Schulbesuch auf zehn Jahre verlängert. Ab 1975 gab es in der UdSSR 856 Hochschuleinrichtungen (einschließlich 65 Universitäten), an denen mehr als 4,9 Millionen Studenten studierten, und diese Zahl stieg immer weiter an.

 5 Wohnungsbau für die Massen

Bau eines kreisförmigen Hauses in der Neschinskaja-Straße in Moskau.

80 Prozent der Bevölkerung des Russischen Reiches lebten auf dem Land. Mit der Bildung des Sowjetstaates und der Industrialisierung der Wirtschaft wanderte eine große Anzahl von Menschen in die Städte ab. Aber nach dem Ersten Weltkrieg und dem Bürgerkrieg in Russland war der Wohnungsbau unmöglich, und so setzten die Bolschewiki zunächst auf „Verdichtung“ (Uplotnenie). Familien, die in Wohnungen mit mehr als neun Quadratmetern pro Person lebten, mussten dort zusätzliche Bewohner akzeptieren, die ihnen zugewiesen wurden.  

Der massenhafte Wohnungsbau begann in den 1920er Jahren in den Großstädten, aber ein großer Teil der Stadtbevölkerung lebte noch immer in Kasernen und bestenfalls in Gemeinschaftswohnungen. Im Jahr 1924 betrug die durchschnittliche Wohnfläche pro Stadtbewohner 5,8 Quadratmeter, während in einigen Industriegebieten die Situation so schlimm war, dass eine Person kaum anderthalb Quadratmeter Wohnfläche für sich hatte. Bis 1927 wurden über zwölf Millionen Quadratmeter neuer Wohnraum geschaffen. Aber das Problem war in einem sich schnell urbanisierenden Land mit über 140 Millionen Einwohnern noch nicht gelöst. Die Situation verschlechterte sich weiter in den 1930er Jahren und mit dem Zweiten Weltkrieg. Das Wohnungsproblem wurde erst unter Nikita Chruschtschow gelöst.

In den Jahren 1946 bis 1952 wurden 78 Millionen Quadratmeter Wohnraum instandgesetzt oder neu errichtet. 45 Millionen Einzelhäuser entstanden. Der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei im Jahr 1956 schrieb vor, innerhalb von 20 Jahren für jeden Wohnraum zu schaffen und so entstanden im großen Stil die sogenannten Chruschtschowkas.

Eine sowjetische Wohnung.

Die ersten Chruschtschowkas bestanden aus einzelnen Modulen und konnten in der Rekordzeit von nur zwölf Tagen fertiggestellt werden. Es waren fünfstöckige Gebäude mit Ein-, Zwei- und Dreizimmerwohnungen. Obwohl es viele Nachteile gab, niedrige Decken, kleine Küchen und Bäder, war die Möglichkeit, in einer separaten Wohnung zu leben, für die sowjetischen Bürger von unschätzbarem Wert. 

Von 1956 bis 1963 verdoppelte sich der nationale Wohnungsbestand nahezu: von 640 auf 1.184 Millionen Quadratmeter. Es gab zwar weiterhin Kommunalkas, Schlafsäle und andere Formen des Zusammenlebens, aber seit den 1970er Jahren lebten die meisten Menschen mit ihrer Familie in eigenen Wohnungen, die der Staat an sie verpachtete. Während der postsowjetischen Jahre wurde der größte Teil des Wohnungsbestands in Russland privatisiert.


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