Das dritte Rom, die nicht-aus-Gummi-Stadt und andere beliebte Spitznamen für Moskau

Deensel (CC BY 2.0)
Moskau ist eine der wenigen Städte in Russland, die ihren Namen über die Jahrhunderte hinweg unverändert beibehalten hat. Sie hat jedoch auch mehrere inoffizielle – manchmal humorvolle – Beinamen, die ihren besonderen Status und ihre reiche Geschichte widerspiegeln.

1. Großes Dorf

Der Moskauer Hof von Wassili Polenow, 1878

Moskau ist ein großes Dorf. Das klingt absurd, nicht wahr? Es ist jedoch eine sehr gebräuchliche Redewendung und ein Synonym für Die Welt ist ein Dorf. Denn in Moskau kennen sich zwar nicht alle Einwohner, wie in einem Dorf, jedoch selbst in der Stadt mit Millionen Einwohnern kann man in der Metro leicht seinem Ex begegnen.

Aber dieser Ausdruck hat noch eine andere Bedeutung: Viele Moskauer kommen angeblich „vom Dorf“ und sind Moskauer der ersten Generation, während ihre Eltern aus der Provinz stammen. Die angestammten Moskowiter sehen bei diesen Neubürgern ein gewisses Maß an Rückständigkeit in Bezug auf Traditionen, Verhalten oder Sprache, die den bereits mehrere Generationen ansässigen Stadtbewohnern nicht eigen ist.

Katharina die Große war die erste, die sagte: Moskau ist ein Dorf. Nun, das könnte daran liegen, dass Moskau nicht so aussah wie die akkurat geplante damalige Hauptstadt St. Petersburg. Moskau entwickelte sich nämlich zum Teil recht unübersichtlich im Laufe von vielen Jahrhunderten.

Ein anderer Ausländer, eine französische Figur aus Leo Tolstois Krieg und Frieden, sagte ebenfalls, Moskau sehe aus wie ein Dorf. Aber diese war als Kompliment gemeint! Er wollte damit sagen, dass die Stadt so schön ist wie die französische Provinz, im Gegensatz zum schmutzigen Paris.

2. Das dritte Rom

„Denn zwei Rome sind gefallen, aber das dritte steht, und ein viertes wird es nicht geben“, schrieb der Mönch Philotheus im frühen 16. Jahrhundert und bezog sich dabei auf Moskau. (als zweites Rom wurde Konstantinopel – Roms direkter Nachfolger – angesehen). Diese Idee war bei denjenigen beliebt, die aus der Moskauer Rus ein mächtiges Reich machen wollten. Moskau wurde als nächster Nachfolger und als wichtiges Zentrum des orthodoxen Christentums angesehen. Selbst das Wort Zar hat seinen Ursprung im lateinischen Caesar.

Die Idee aus dem 16. Jahrhundert wurde im 19. Jahrhundert unter panslawischen Philosophen wieder populär. Doch nach der Revolution von 1917 verlor sie ihre Bedeutung. Dennoch verlegten die Bolschewiki die Hauptstadt vom zaristischen St. Petersburg nach Moskau.

>>> Google-Fragen: Warum wird Moskau das „Dritte Rom“ genannt?

3. Die Stadt auf den sieben Hügeln

Sperlingsberge

Das Zentrum Moskaus befindet sich auf mehreren Hügeln. Eigentlich sind es sogar mehr als sieben, aber da Rom früher die Stadt auf sieben Hügel genannt wurde und Moskau das dritte Rom sein wollte, wurden sieben „Haupthügel“ hervorgehoben: Borowizkij, Sretenskij, Twerskoj, Drei Berge, Taganskij, Lefortowskij und Worobijewski. Dieses Auf und Ab kann das Fahren mit dem Fahrrad oder das ausgiebige Gehen zu Fuß durch das Zentrum zu einer echten Herausforderung werden kann. Dafür hat man von den zahlreichen Hügeln aus eine herrliche Aussicht.

4. Die Erstgekrönte

 Allerheiligenbrücke und Kreml am Ende des 17. Jahrhunderts von Apollinari Wasnezow, 1922,

Der Ausdruck bedeutet wörtlich Stadt des ersten Throns – oder die erste Hauptstadt. Dieser Beiname entstand im 18. Jahrhundert, als Moskau seinen Status als Hauptstadt an St. Petersburg, das von Peter dem Großen eigens zu diesem Zweck an der Newa erbaut wurde, verloren hatte. Aber um Moskau nicht zu demütigen, wurde es weiterhin als erste russische Hauptstadt respektiert, als die Stadt, die Russland vereinigte und in der die ersten Zaren gekrönt wurden.

5. Die Goldhäuptige

Moskauer Kreml. Kathedralen von Apollinari Wasnezow, 1894

Die Stadt der goldenen Kuppeln oder kurz die Goldhäuptige ist ein weiterer Beiname, der auf das Mittelalter zurückgeht. Er entstand im 15. oder 16. Jahrhundert, als es überall in der Stadt kleine Holzgebäude gab. Die einzigen hohen Gebäude waren die Kirchen, während der Glockenturm des Kremls Iwan der Große das höchste Gebäude war, und es war verboten, etwas Höheres als ihn zu bauen. Damals konnte man die goldenen Kuppeln der zahlreichen orthodoxen Kirchen praktisch von überall in der Stadt aus erblicken.

6. Die Weißsteinige

Blick auf den Moskauer Kreml von Pjotr Wereschtschagin.

Heute wird Moskau mit der Farbe Rot assoziiert: Schließlich war es die Hauptstadt des sowjetischen „roten“ Reiches, es gibt den Roten Platz, den Kreml und andere aus roten Ziegelsteinen errichtete Gebäude. Der erste Kreml in Moskau, der von Dmitrij Donskoj aus Stein gebaut wurde, bestand bestand jedoch aus Kalkstein und war weiß. Erst im 16. Jahrhundert wurden die weißen Mauern durch Ziegelsteinmauern ersetzt. Viele steinerne Gebäude, vor allem Kirchen, wurden jedoch weiterhin in weißer Farbe gebaut, und in Moskau gab es eine weitere riesige Verteidigungsmauer, die ein Gebiet umgab, das als Bjelyj Gorod(Weiße Stadt) bezeichnet wurde. Im 18. Jahrhundert ordnete Katharina die Große den Abriss der Mauer an und an ihrer Stelle entstand der Boulevardring.

7. Hafen der fünf Meere

Das Nordfluss-Terminal in Moskau

Wenn wir uns die Karte ansehen, können wir feststellen, dass Moskau keinen Zugang zum Meer hat. Was soll dieser Beiname aber sonst zum Ausdruck bringen? Wie sich herausstellt, wurde diese relativ junge Bezeichnung von Joseph Stalin geprägt, der sie bei der Eröffnung des Moskauer Kanals verwendete, der die Flüsse Moskwa und Wolga miteinander verbindet. Nach der Fertigstellung dieses großen sowjetischen Bauprojekts war es möglich, ohne Umsteigen  fünf Meere zu erreichen: das Schwarze, das Weiße, das Baltische und Kaspische Meer sowie das Asowsche Meer.

8. Nicht aus Gummi

In der Metrostation Borowizkaja

Moskau ist nicht aus Gummi, konnte man in den Neunzigerjahren überall hören. Damit ist gemeint, dass die Stadt nicht endlos expandieren kann, um all die Menschen aufzunehmen, die hierher ziehen wollen. Der Satz hat zweifellos einen fremdenfeindlichen Beigeschmack, wurde aber auch von Nicht-Moskauern verwendet, die es bereits früher geschafft hatten, hierherzuziehen, und nicht mit Neuankömmlingen um einen Platz unter der goldenen Sonne konkurrieren wollten.

9. Panajechowsk

Weißrussischer Bahnhof in Moskau

Dies ist eine andere Version der „nicht unendlich ausdehnbaren Stadt“. Sie verweist ebenso auf die Haltung einiger snobistischer Moskauer, die nicht glücklich darüber sind, dass so viele Menschen auf der Suche nach einem besseren Leben nach Moskau ziehen. Die Bezeichnung stammt von dem Ausspruch Понаехали тут! (Panajechali tut) und bringt die Unzufriedenheit über die viel zu vielen Zugereisten (oder Zuag'roasten, wie man in Bayern sagen würde) zum Ausdruck.

10. Default City

Die Moskauer verhalten sich gewöhnlich so, als gäbe es außer Moskau keine anderen Städte und Zeitzonen auf der Welt. Sie sagen sogar scherzhaft, dass „es kein Leben jenseits des Moskauer Autobahnrings“ gäbe. Wenn Sie also eine Online-Konversation führen und jemand eine Frage stellt, ohne die Stadt zu nennen oder Straßennamen erwähnt, ohne die Stadt zu nennen, können Sie sicher sein, dass Sie sich mit einem Moskauer unterhalten. Menschen aus den Regionen machen sich über die Moskauer lustig, die meinen, sie lebten „standardmäßig“ in der Stadt, daher auch dieser Spitzname. Um ehrlich zu sein, die meisten Menschen, die nicht aus der Hauptstadt kommen, lieben es, sich über die Moskowiter lustig zu machen, wobei das „arme“ Moskau oft nicht einmal als das „wahre Russland“ angesehen wird. 

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