Draußen ist es -7° Grad, das Wasser des Baikalsees ist mit 4° Grad etwas wärmer. Eine Frau in einem Neoprenanzug, darüber trägt sie ein blaues Kleid und dazu einen Schleier, taucht in die eisigen Fluten. Begleitet wird sie dabei von einem Mann. Sie schwimmen synchron, wie eine Meerjungfrau und ein Wassermann. Dann tauchen sie langsam wieder auf und ziehen im Wasser Kreise.
Die Frau und der Mann haben gerade im Baikalsee eine Unterwasser-Hochzeit gefeiert. Es sind Natalja Tschernich, 49, und Dmitri Sokolow, 50, beides Freitaucher.
Natalja ist die Freitauchmeisterin der Region Irkutsk 2019 und der Region Krasnojarsk 2020. Dmitri ist Russlands Silbermedaillengewinner im Brustschwimmen 2019 und hat außerdem einen Master of Sports-Abschluss im Freitauchen. Er schaffte es auch in das Guinness-Buch der Rekorde, nachdem er ohne Sauerstoffflasche bis zu 100 Meter tief unter Eis getaucht war.
Dmitri und Natalja lernten sich im April 2018 bei einem Meisterkurs für Unterwasserjagd im Schwimmbad kennen, bei dem Dmitri Natalja sofort auffiel. Sie ist sehr sportlich und schwimmt seit ihrem neunten Lebensjahr. Sie entdeckte schon früh das Tauchen als Leistungssport für sich. Dmitri fragte sie nach dem Kurs, ob sie Interesse am Freitauchen hätte.
„Ich dachte: Warum sollte ich so etwas wollen? Ich war 45, mein Kind war damals sieben, es brauchte meine volle Aufmerksamkeit. Warum sollte ich also dreimal pro Woche trainieren und dafür von Angarsk nach Irkutsk fahren, 40 Kilometer weit? Dmitri telefonierte oft mit mir und versuchte mich zu überreden. Ich ließ mich schließlich auf ein Schnuppertraining ein“, erzählt Natalja, die gerne Neues ausprobiert.
Die beiden trafen sich auch außerhalb des Wassers. Letztes Jahr, 2020, machte Dmitri ihr einen Heiratsantrag.
„Er schlug vor, dass wir uns zu einem Spaziergang an einer Uferpromenade in Angarsk treffen. Dort steht eine Baum-Skulptur, an dem junge Leute Liebesschlösser anbringen. Dmitri kniete unter dem Baum nieder und öffnete eine Schachtel mit einem Ring. Das war eine große Überraschung“, erinnert sich Natalja.
Das Paar heiratete im November 2021 zunächst in einer normalen Zeremonie und einen Monat gaben sie sich erneut das Ja-Wort unter Wasser.
Zehn Freitaucher tauchten zusammen mit dem Brautpaar in die Tiefen des Baikalsees ein und umkreisten es in traditioneller Chorowod-Manier, wobei sie Sommerkleider trugen. Das Paar wartete auf sein Kommando zum Abtauchen, bevor es im Uhrzeigersinn Kreise zog, während der Rest der Freitaucher gegen den Uhrzeigersinn um sie herum schwamm. Nataljas ursprüngliches Hochzeitskleid passte nicht über den neun Millimeter dicken Neoprenanzug, also musste sie ein leichtes Sommerkleid tragen.
„An Land sieht es so lächerlich aus, aber im Wasser ist es wirklich schön", sagt Natalja. „Allerdings löste sich der Schleier, den ich trug, immer wieder und schwamm im Wasser davon. Dima musste ihn mehrfach wiederholen und erneut an meiner Maske befestigen.“
Einige der Gäste verloren ebenfalls Kleidungsstücke während des langen Unterwasserteils der Zeremonie und mussten häufig Luft holen, so dass es schwierig war, völlig synchron zu schwimmen.
Nach dem Tauchgang schwamm ein Teil der Gruppe am Schamanenfelsen, einem geschützten Gebiet im Baikalsee. Das Hochzeitspaar wärmte sich in der Banja auf und feierte anschließend mit den Gästen weiter.
„Alles in allem war es eine von Spontaneität geprägte Feier. Während die Zeremonie an Land einer gründlichen Vorbereitung bedurfte, empfanden wir die Zeremonie im Wasser als lustig. Es war wie eine Probe. Gerne hätten wir auch im Sommer unter Wasser geheiratet. Aber es war auch so wunderbar“, meint Natalja.
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