Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie in Russland einem Tiger begegnen?

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Haben Sie geglaubt, dass auf russischen Straßen nur Bären spazieren gehen? Dann sollten Sie dem Fernen Osten einen Besuch abstatten. Vielleicht begegnen Sie auf Ihrem Weg dem seltenen Amur-Tiger.

Wo leben die Amur-Tiger? 

„Komm, Kätzchen, geh‘ wieder. Wir wollen hier angeln!“. Das Video von Bewohnern der Region Primorje und ihrer Begegnung mit einem jungen Tiger ging in Russland viral. Das wilde Tier kam ganz nah heran und schaute eine Weile vor sich hin. Dann schnappte es sich den Eimer mit dem Tagesfang und ging in aller Ruhe davon. Schauen Sie das Video bis zum Ende. 

Es gibt viele Videos dieser Art im Internet, aber nur wenige, in denen die Beteiligten so gelassen bleiben. Das ist verständlich, wenn man bedenkt, dass die schiere Größe des Tieres selbst den furchtlosesten Menschen Angst einjagt. Stellen Sie sich vor, ein zwei Meter langes (ohne den Schweif, der ist noch einen weiteren Meter lang), gestreiftes Raubtier von mehreren Zentnern Gewicht kommt auf Sie zu!

Amur-Tiger (auch Ussurische - oder Sibirische - Tiger genannt) leben im Osten Russlands, in der dichten Wildnis der Regionen Chabarowsk, Primorje und Amur. Heute gibt es nur noch etwas mehr als 500 Exemplare auf russischem Territorium, und mehrere Dutzend weitere wurden in China gesichtet. Diese Art gilt als vom Aussterben bedroht und steht daher unter staatlichem Schutz.  

Die sibirische Wildkatze unterscheidet sich von ihren südlichen Artgenossen nicht nur durch ihre enorme Größe, sondern auch durch ihre Kälteresistenz. Im Winter wächst den Tigern ein dickes Fell und dazu eine bis zu fünf Zentimeter dicke Fettschicht am Bauch. 

Ein weiteres Merkmal sind die großen weißen Flecken an den Ohren der Weibchen. Wenn sie Nachwuchs haben, stellen die Tigermütter ihre Ohren hoch, so dass die Jungtiere auch in der Nacht Orientierung haben.  

Jedes Tier hat sein eigenes Streifgebiet, das mit 500 bis 600 Quadratkilometern auch recht groß ist. Wissenschaftlern zufolge verlässt der Amur-Tiger nie sein Revier, wenn es dort genug Nahrung gibt. 

Legen es Tiger auf die Begegnung mit Menschen an? 

Wildtiere mögen im Allgemeinen keinen Straßenlärm und keine lauten Geräusche und versuchen daher, sich von bewohnten Gebieten fernzuhalten. Dennoch tauchen sie gelegentlich in Dörfern auf. Die Bewohner kleinerer Siedlungen sehen regelmäßig Tigerspuren in der Nähe ihrer Häuser, wenn diese nicht weit von der Taiga entfernt liegen. Tiger werden zweifellos von der Aussicht auf leichte Beute angelockt - und damit meinen wir nicht Menschen, Lämmer und Schafe oder Hunde. 

Das folgende Video zeigt Autofahrer, die auf der Autobahn Wladiwostok-Ussurijsk auf einen Tiger treffen. In der Nähe befindet sich eine Eisenbahnlinie. Der Tiger wählte dies als Spazierweg. „Halt an. Ah, Kätzchen. Schau nur diese Schönheit!“  

„Vom heimischen Sofa aus macht es Spaß, die ‚Kätzchen‘ zu beobachten. Doch wenn das ‚Kätzchen‘ gelassen unter einem Traktor mitten im Dorf liegt, ist das definitiv kein ‚cooler‘ oder ‚schöne‘' Anblick“, schreibt Aljona aus dem Gebiet Chabarowsk. „Es gibt viele Rehe, aber sie sind schwer zu fangen. Der Tiger hat jede Scheu verloren und spaziert um 20 Uhr durchs Dorf.“ 

In der Region Chabarowsk gingen im Jahr 2021 mehr als 280 Meldungen über Tigersichtungen in Wohngebieten ein, von denen die Hälfte bestätigt werden konnte. Auf das Gebiet Primorje entfallen davon etwa 100. Jedes Mal, wenn ein Tiger gesichtet wird, werden die Tierschützer hinzugezogen. 

„Manchmal kommt es vor, dass Leute eine Fährte in der Nähe des Dorfes sehen und sofort einen Anruf tätigen. Und es stellt sich heraus, dass der Tiger einfach nur vorbeigelaufen ist", sagt Alexei Surowi, Direktor für Tierschutz in der Region Primorje. Ihm zufolge greifen Tiger oft Haustiere und Hunde an, die sich zu weit in die Wälder verirren, da sie diese für Wölfe halten - ihre natürlichen Feinde. „Angriffe auf Menschen sind extrem selten“, fügt er hinzu. 

Das „Amurskij Tigr“-Zentrum, das regelmäßig Videos von Tigerbegegnungen veröffentlicht, erinnert die Zuschauer daran, dass man bei einer Begegnung mit der Großkatze in freier Wildbahn Ruhe bewahren und nicht in Panik verfallen sollte. Die Amur-Tiger spüren die Angst.  

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