Wie in verschiedenen Regionen Russlands Gäste willkommen geheißen werden

Kira Lisitskaja (Foto: Wladimir Smirnow/TASS; Legion Media)
Wenn Sie bei den Nenzen zu Gast sind, sollten Sie während des Essens auf das Singen verzichten. Und versuchen Sie nie, bei einem tatarischen Gastgeber alle Teller leerzuessen!

Russen

Russisches Karavai-Brot mit Salz.

Die Begrüßung eines Gastes mit Brot und Salz ist die wohl bekannteste Tradition der slawischen Völker. Heute ist diese Tradition in der Regel den Russen vorbehalten, die auf diese Weise sogar offizielle ausländische Delegationen empfangen; außerdem tragen die Gastgeber dabei oft Trachten. Im täglichen Leben ist jedoch alles einfacher. Wenn Sie als Gast eingeladen sind, werden Sie von den Gastgebern willkommen geheißen, mit den besten Speisen bewirtet und mit Tee (oder etwas Stärkerem!) beköstigt, bis Sie sich nicht mehr bewegen können. Danach bieten Ihnen die Gastgeber Kuchen an.

Aber Russen würden ihre Gäste nie zum Gehen aufzufordern, so dass der Abend eigentlich ewig dauern könnte! Bevor der Gast dann doch geht, wird ihm immer ein Getränk на посошок (na pasaschók, dt.: Steigbügeltrunk, Absacker) angeboten, um ihm den Heimweg angenehm zu gestalten.

Tataren

Tschäk-Tschäk ist die berühmteste tatarische Süßigkeit.

Die Tataren, die zweitgrößte ethnische Gruppe in Russland, haben früher für ihre Gäste eine ganze Gans gebraten, dazu viele leckere Backwaren serviert (Sie haben sicher schon von Etschpotschmak und Tschak-Tschak gehört) und die Banja geheizt. Auch heute laden die Stadtbewohner häufig Gäste zu sich nach Hause ein. Von den alten Bräuchen ist der wichtigste noch immer lebendig: Er heißt Kutschtenetsch, was übersetzt Geschenk bedeutet. Dabei bringen die Gäste in der Regel etwas Essbares mit, das unter allen aufgeteilt wird. Wenn die Gäste gehen, werden die Gefäße, in denen sie ihre Geschenke mitgebracht haben, mit etwas Leckerem gefüllt, das die Gastgeber zubereitet haben – denn es ist nicht üblich, den Gast mit leeren Händen gehen zu lassen. 

Jakuten

Das nationale Festival Yhyakh Olonkho in Jakutien.

Die Gastfreundschaft ist eine der wichtigsten Eigenschaften der Jakuten (und der nördlichen Völker im Allgemeinen) und hängt in erster Linie mit den harten Lebensbedingungen und der Abgeschiedenheit der Siedlungen zusammen. Zusätzlich zu den Leckereien bieten die Jakuten dem Gast natürlich auch heißen Tee an, der höchstwahrscheinlich aus  Weidenröschen gebrüht wird. In Jakutsk, der Hauptstadt Jakutiens, gibt es sogar eine jakutische Teezeremonie, die für Touristen in einer eigens dafür gebauten Hütte im „alten Stil“ abgehalten wird. 

Tschetschenen

Ein festliches Abendessen in Grosny.

Auch bei den Tschetschenen ist der Empfang von Gästen seit jeher Ehrensache, vor allem in den Gebirgsregionen, aber es gilt als unhöflich, einen Hof ohne Einladung zu betreten. In der Regel begrüßen die jüngsten Mitglieder der Familie die Gäste.

Tschetschenen glauben, dass eine Person, die ihr Haus einmal besucht hat, automatisch ihr Freund wird. Interessanterweise besagt eine alte Tradition, dass ein Gast, der länger als drei Tage bleibt, bei der Hausarbeit mithelfen sollte. 

Manche Familien bauen sogar extra Gästehäuser in ihren Höfen. Während des Festes nimmt der Gastgeber einen Platz an der Tür ein und steht als erster auf, um den Gast zu verabschieden.

Nenzen

Nenez Tschum in Yamal.

Bei den Nenzen, einem der zahlreichen indigenen Völker der Jamal-Halbinsel, ist es nicht üblich, an die Tür zu klopfen oder nach dem Hausherrn zu rufen. Wenn Sie in ein Nomadenlager (nicht in eine Wohnung oder ein Haus) eingeladen werden, sollten Sie zunächst um jeden Tschum (Zelt) herumgehen, um alle Bewohner zu begrüßen.

Das Essen besteht aus Fleisch (Wildbret), Fisch, Beeren und natürlich Kräutertee, der immer wieder eingeschenkt wird, bis man die Tasse umdreht. Eine Leckerei abzulehnen gilt als unhöflich. Wenn Essen auf den Boden gefallen ist, muss man es in die Feuerstelle werfen – um die Geister zu „füttern“.

Während einer Mahlzeit mit den Nenzen sollte man niemals singen oder pfeifen und auch nicht anbieten, den Gastgebern beim Abräumen des Geschirrs zu helfen. Die Nenzen glauben, dass der Gast ihnen damit das Glück raubt.

Die Nenzen schenken ihren Gästen oft etwas: Das kann ein Accessoire, ein Schmuckstück oder ein anderes (fast immer selbstgemachtes) Souvenir sein. Die Gäste können den Gastgebern auch Geschenke mitbringen.

Tschuwaschen

Eine tschuwaschische Volksgruppe trifft ein Touristenschiff am Ufer der Wolga in Tscheboksary.

Die Tschuwaschen sind wahrscheinlich die berühmtesten Bierbrauer Russlands. Der Tradition nach wird dem Gast zuerst ein frisches Bier zum Trinken angeboten – ja, auch den Frauen! Es ist besser, nicht mit leeren Händen zu Besuch zu kommen, sondern etwas Essbares auf den Tisch zu stellen. Wenn Sie die Tschuwaschen zu einem wichtigen Anlass wie einer Hochzeit oder einem Volksfest besuchen, dann stellen Sie sich auf eine sehr große Zahl von Gästen ein. Solche Veranstaltungen werden oft als „Bottleparty“ organisiert, das heißt jeder Gast bringt Getränke mit.

Mordwinen

Traditionelle mordowische Gerichte.

Die Mordwinen haben festgelegte Besuchsregeln. So sollte man beispielsweise nicht ohne Einladung an großen Familienfeiern teilnehmen, aber die Gastgeber laden oft nicht nur Verwandte, sondern auch Nachbarn ein – sie legen Wert auf gute Beziehungen zu allen.

Früher wurden die Gäste am Eingang des Dorfes empfangen. Am Tisch erhielten sie immer den besten Platz und wurden mit dem besten Essen verwöhnt. Und natürlich wurde von den Gästen auch erwartet, dass sie Geschenke für die Gastgeber mitbringen. Früher wurde am Tag der Abreise eines Gastes das Haus nicht gereinigt, damit der Gast eine gute Heimreise hatte. Heutzutage wird dies etwas flexibler gehandhabt. 

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