Ein junger polnischer Einwanderer trägt einen Koffer an Bord der President Grant in Ellis Island, New York, 1907.
Corbis/Getty ImagesEine der Erklärungen, warum die gesamte westliche Filmproduktion (die die Hauptursache für dieses Missverständnis ist) beschlossen hat, dass „Na sdorowje“ die russische Entsprechung von „Cheers“ ist, führt auf polnische Einwanderer zurück.
Im Polnischen wird der Ausdruck „Na sdorowje“ vor allem in zwei Situationen verwendet: beim Anstoßen mit einem alkoholischen Getränk oder nachdem jemand geniest hat. In beiden Fällen soll mit dem Trinkspruch der Wunsch nach guter Gesundheit zum Ausdruck gebracht werden. Vielleicht wurde die falsch benutzte Redensart Anfang des 20. Jahrhunderts mit einer Welle polnischer Einwanderer in die USA gebracht. Polen wurden häufig für Filmarbeiten über Russland oder als Berater für solche Projekte engagiert. So könnte der polnische Trinkspruch „Na sdrowje“ in das russische „Na sdorowje“ verwandelt worden sein. Zugegeben, es klingt ähnlich. Und das kann verwirrend sein, vor allem, weil es einen solchen Ausdruck in der russischen Sprache tatsächlich gibt.
Ein anderer Erklärungsansatz für die interkulturelle Verwirrung: Jemand hat einmal beim Abendessen den Satz „Wasche sdorowje“ („Ihre Gesundheit“) aufgeschnappt und mit der Zeit wurde daraus „Na sdorowje". Allerdings ist „Wasche sdorowje" ein veralteter Ausdruck, der eher in der älteren Generation verwendet wird. Die Wurzeln dieses Trinkspruchs reichen bis ins alte Russland zurück, wo traditionell auf die Gesundheit des Fürsten angestoßen wurde: Alle Gäste mussten dafür ein Glas auf seineGesundheit erheben.
Eine Frau geht am 8. Oktober 2018 in Moskau an einem Lebensmittelgeschäft vorbei, in dessen Eingang ein ausgestopfter Bär Wodka anbietet.
Mladen ANTONOV/AFPZunächst einmal kann „Na sdorowje!“ verwendet werden, um „Bitte“ zum Ausdruck zu bringen. Meistens wird so auf ein Lob für das Mittag- oder Abendessen geantwortet. In diesem Zusammenhang bedeutet es „gerne“ und ist eine höfliche Antwort der Gastgeberin. Der Gast sagt zum Beispiel: „Danke, das war ein ausgezeichnetes Essen!“. Und die Gastgeberin antwortet: „Na sdorowje!".
Zweitens kann auf diese Weise gewünscht werden, dass das Essen dem Gast wohl bekommen möge. Allerdings gilt es eine Nuance zu beachten: „Na sdorowje“ ist eher im Kreis von Freunden und Familie angebracht. Wenn Sie sich an einem öffentlichen Ort befinden (z. B. in einem Café), ist es unwahrscheinlich, dass der Kellner auf das Lob mit einem „Na sdorowje“ antwortet. In den meisten Fällen werden Sie „Gerne“, „Danke“ oder „Bitte“ hören.
Wie Sie sehen, hat die Formulierung „Na sdorowje" nichts mit einer Trinkkultur zu tun und wäre in solchen Situationen unangemessen.
Vix Southgate stößt mit Wodka an, bevor er im Zentrum Londons einen Spaziergang anlässlich des halben Jahrhunderts macht, in dem der russische Kosmonaut Juri Gagarin der erste Mensch im Weltraum war.
BEN STANSALL/AFPIn der russischen Sprache gibt es keine Redensart, die beim Anstoßen in jedem Fall passend wäre. Nach einem solchen Ausdruck sucht man vergebens. Stattdessen können zum Erheben eines Glases vielfältige Trinksprüche ausgebracht werden. Welcher nun passt, hängt vom Anlass ab, zu dem Sie trinken, und davon, mit wem Sie es tun: mit Kollegen, Freunden, Eltern oder einem Fremden (also unvermittelt).
Es gibt auch eine Tradition: Je bedeutender der Anlass, desto ausführlicher der Trinkspruch. Russen kreieren bei wichtigen Anlässen wie Jubiläen und Hochzeiten lange, gefühlvolle Trinksprüche.
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