Die 10 beliebtesten Gründe in der UdSSR zu trinken

Leonid Gaidai//Mosfilm, 1967
Der Betroffene konnte an jedem beliebigen Tag im Jahr eine Begründung finden, um zu trinken. Dennoch gab es einige „eiserne“ Anlässe, die sowohl Ehefrauen als auch Chefs akzeptierten.

 

  1. Wenn  Zahltag war
Am Zahltag / Am Ende eines Monats

In der Regel hatte ein Sowjetmensch nie genügend Geld. Dies mag auch der Grund sein, warum es in der heutigen Marktwirtschaft eine so große Zahl finanzieller Analphabeten gibt – sie haben einfach nicht gelernt, wie man mit Geld umgeht, da sie früher keins hatten. Wenn den Leuten ihr Gehalt ausgezahlt wurde oder sie eine Prämie bekamen, konnten sie alles fast am gleichen Tag versaufen... Wir leben halt nur einmal. (mit dem Rest wurden Schulden beglichen).

  1. Wenn  Freitag oder Samstag war

Das bevorstehende Wochenende war ein heiliger Anlass, um zu trinken. Am Freitagabend war am meisten los und die Schlange am Bierausschank war riesig. Mit dem Gefühl, seine wöchentliche (Arbeits)Pflicht getan zu haben, konnte man ohne Gewissensbisse trinken, ohne sich Sorgen um einen Kater machen zu müssen – schließlich hatte man am nächsten Tag frei!

  1. Wenn Mittwoch war

Das ist unerwartet, nicht wahr? Der Mittwoch wird auch heute noch als „kleiner Freitag“ bezeichnet, d. h. man kann das freitägliche Festgelage „proben“ und die Stimmung etwas verbessern, die zuvor gesunken war, da man noch zwei ganze Tage zu arbeiten hat! Eigentlich konnte man nicht nur an jedem Wochentag, sondern auch an jedem Tag des Jahres einen Grund zum Trinken finden. Es gab sogar Comic-Hefte mit dem Titel 365 Anlässe zum Trinken, in denen die „besonderen“ Anlässe eines jeden Tages aufgeführt waren, z. B. der Tag des Buchhalters oder der Tag der Bastille.

  1. Wenn der Arbeitstag zu Ende war

„Ich hatte einen harten Tag“ – welche sowjetische Ehefrau hat so etwas nicht zu hören bekommen?! Der Satz bedeutete so viel wie „Lass mich in Ruhe!“ In der UdSSR hatten die Menschen keine große Auswahl an Unterhaltungsmöglichkeiten nach Feierabend – oder nicht genug Geld dafür. So gab es für viele Menschen nur eine Möglichkeit, sich nach einem anstrengenden Tag in der Fabrik zu entspannen: Alkohol. Und viele hatten dafür sogar Verständnis.

  1. Wenn man einen Freund traf

Allein zu trinken galt als anstößig – selbst starke Trinker sagen normalerweise: „Ich bin doch kein Alkoholiker, dass ich allein trinke“. Aber wenn man einen Freund getroffen hatte, und dazu noch zufällig, und erst recht, wenn man ihn lange nicht gesehen hatte... dann war das ein sehr guter Anlass. Es galt sogar als ungebührlich, nicht mit einem Freund zu trinken – selbst wenn man etwas Wichtigeres zu tun hatte. „Respektierst du mich etwa nicht?“ war eine beliebte Redewendung der sowjetischen Trinker, die in Leonid Gaidais Film Brilliántowaja Ruká(Diamantarm) verewigt wurde.

  1. Wenn man einen Rubel in der Tasche hatte

„Sich zu dritt zusammenfinden“ ist eine Redewendung, die eine ganze Reihe kultureller und historischer Codes enthält. Erstens bekräftigt sie, dass man nicht allein trinken sollte. Zweitens geht sie auf die Antialkoholkampagne von Nikita Chruschtschow in den Sechzigerjahren zurück. Bis dahin konnte man in einer Schankwirtschaft gesittet und preiswert „Sto Gramm“ (100 ml) Wodka trinken und dazu ein Sandwich essen. Nach der Reform wurde der Verkauf von hartem Alkohol in Kneipen verboten und man musste den Wodka im Laden kaufen. Und natürlich gleich eine ganze Flasche, die man unmöglich allein austrinken konnte. Deshalb suchte man sich zwei „Trinkgefährten“, manchmal waren das sogar nur Straßenbekanntschaften. Eine Flasche Wodka kostete damals 2,87 Rubel. Also steuerte jeder dieser Drei einen Rubel bei. Das Wechselgeld reichte für einen einfachen Snack (z. B. Schmelzkäse). Die Drei leerten die Flasche in einem Park oder direkt vor dem Geschäft. (Diese „Tradition“ existiert bis heute, obwohl die Regierung das Trinken von Alkohol an öffentlichen Orten verboten hat).

  1. Wenn man mit dem Regionalzug unterwegs war

„… und trank sofort aus.“ – heißt es bei dem Experten für Alkoholkonsum in Regionalzügen, dem Schriftsteller Wenedikt Jerofejew. Dieser Satz war bereits vor fünfzig Jahren ein Mem, als es den Begriff Mem noch gar nicht gab. Die postmoderne Kult-Erzählung Moskau – Petuschki beschreibt die Odyssee eines Bewohners des Moskauer Umlandes, der seine geliebte Frau in Moskau besuchen will und im Zug mit verschiedenen Zufallsbekanntschaften trinkt. Der Regionalzug war in der UdSSR ein bequemer Ort zum Trinken: Man war auf dem Heimweg nach der Arbeit, hatte nichts zu tun und potentielle Trinkgefährten gab es zuhauf. Es kam nicht selten vor, das die Flasche Wodka bereits geleert war, noch bevor der Zug überhaupt losgefahren war.

  1. Wenn Kollegen oder Verwandte Geburtstag hatten

Auf der Arbeit konnte man schon am Morgen auf die Gesundheit eines Kollegen anstoßen. Die Chefs drückten dabei oft ein Auge zu – schließlich gab es in der UdSSR im Grunde keine andere Art der Teambildung. Oft sammelten die Kollegen Geld für ein Geburtstagsgeschenk und das Geburtstagskind bedankte sich und lud zu einem Umtrunk ein. Üblicherweise wurde auch auf die Geburt eines Kindes mit den Kollegen angestoßen.

In der Familie war der Umtrunk mit einem Verwandten ein heiliger Anlass. Geburtstage wurden in der Regel zu Hause gefeiert und nicht in Cafés oder Restaurants, so dass man sich einfach auf das Sofa legen und entspannen konnte.

Ein Leichenschmaus verlief wie eine Geburtstagsfeier: Alle versammelte sich um den Tisch, tranken und aßen auf dieselbe Weise wie bei einem Geburtstag, stießen aber nicht mit ihren Gläsern an. Am Ende des Abends waren alle genauso fröhlich und erinnerten sich an lustige Geschichten über den Verstorbenen.

  1. Wenn man etwas „begießen“ wollte

Der Kauf von etwas Neuem, insbesondere von etwas Teurem wie einer Wohnung oder einem Auto, war ein weiterer Grund, „einen auszugeben“. Man wollte schließlich ein Wenig prahlen bzw. die anderen am eigenen Glück teilhaben lassen (und sich irgendwie dafür rechtfertigen, dass man das notwendige Geld für diesen Kauf hatte, aber so, dass die anderen sich dabei nicht schlecht fühlten). Außerdem galt ein solcher „Beguss“ als gutes Omen dafür, dass der Gegenstand lange Zeit dienen und den neuen Besitzer glücklich machen würde.

  1. Wenn Neujahr und andere Feiertage waren

Man kann sich wohl kaum einen besseren Anlass zum Trinken vorstellen als einen Feiertage. Am 23. Februar, dem Tag der Vaterlandsverteidiger wurde auf die Gesundheit der Männer getrunkenen, die gedient hatten, und am 8. März auf das schönen Geschlecht. Der beliebteste Anlass zum Trinken war jedoch die Silvesternacht – der sowjetische Film Ironie des Schicksals aus dem Jahre 1975, immer noch ein Lieblingsfilme der Russen, handelte vom Trinken an diesem Tag.

>>> Wo ging man in der Sowjetunion hin, wenn man etwas trinken wollte?

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