Wie sah das Nachtleben in der UdSSR aus?

An der Bar des Restaurants "Caucasus".

An der Bar des Restaurants "Caucasus".

V.Chin-Mo-Tsai/Sputnik
Während die Sowjetbürger in den Diskotheken bis spätestens 23 Uhr tanzten, gab es in den Hotels für ausländische Touristen ein Unterhaltungsangebot, von dem ein großer Teil der Bevölkerung nicht einmal etwas ahnte.

Die meisten Menschen denken, dass es in der UdSSR kein Nachtleben gab, aber das stimmt nicht. In den späten 1980er und frühen 1990er Jahren entstanden zwar massenhaft Nachtclubs und Bars, aber es gab sie schon vorher in anderen Formen.

Disko mit ausländischen Hits

Für die Mehrheit der Sowjetbürger waren Diskotheken die wichtigste Form der Freizeitgestaltung. Allerdings konnte man es kaum als Nachtleben bezeichnen, denn die Diskotheken begannen in der Regel um 19 Uhr, endeten um 23 Uhr und fanden nur an den Wochenenden statt. Der Begriff Diskothek kam in der UdSSR erst Ende der 70er Jahre auf; davor wurde das öffentliche Tanzvergnügen einfach Tanzewálnyje wetscherá (dt.: Tanzabende) oder kurz Tánzy genannt. In den Diskotheken konnte nur getanzt werden – an der Tanzfläche gab es weder eine Bar, noch ein Imbissangebot. Trotz des Alkoholverbots brachten einige Besucher Spirituosen mit und tranken diese an einem abgelegenen Ort, um nicht von der Polizei entdeckt zu werden, die die Diskotheken kontrollierte. Ein ernstes Gespräch mit den Ordnungshütern konnte einen Gast nicht nur wegen des Alkohols erwarten, sondern auch, weil er den Eintritt in die Disko nicht bezahlt hatte. Der Betrag war zwar eher symbolisch, aber einige kletterten trotzdem über den Zaun und schlichen sich auf die Tanzfläche.

Eine weitere wichtige Regel war die Kleiderordnung: Niemand durfte die Disko in einem Trainingsanzug oder in „schlampiger“ Kleidung betreten. Auf Verstöße achtete die Naródnaja milízija (dt.: Volksmiliz) – Freiwillige, die zusammen mit oder anstelle der Polizei in den Diskos patrouillierten.

DJ und seine Security.

Die Discjockeys (oder DJs, wie man sie heute nennt) spielten nicht nur sowjetische Musik, sondern auch Hits ausländischer Künstler: ABBA, Boney M, Eagles, Ricchi e Poveri, Smokie, Scorpions. Andererseits waren einzelne Interpreten und bestimmte Lieder verboten. Ende der 1980er Jahre wurden Quoten für das Diskotheken-Repertoire eingeführt: 70 Prozent der Lieder mussten sowjetisch sein, 20 Prozent aus sozialistischen Ländern und nur 10 Prozent durften aus kapitalistischen Ländern stammen. Einigen Diskothekenbetreibern gelang es, das Verbot zu umgehen, aber das Abspielen nicht deklarierter Hits konnte zur Schließung der Diskothek führen.

Nur für Ausländer

In der UdSSR gab es Bars, aber nicht für jedermann. „In Hotels für ausländische Touristen waren die Bars bis 4 Uhr morgens geöffnet. Man konnte dort nur mit Valuta bezahlen. Und da ein Sowjetbürger kein ausländisches Geld haben durfte, erregte der Aufenthalt in einer solchen Bar automatisch die Aufmerksamkeit der Sonderdienste. Mir persönlich ist Folgendes passiert: Einige ausländische Filmemacher kamen, und ich saß mit ihnen in der Bar. Auf dem Weg nach draußen wurde ich plötzlich angehalten und ich wurde nach meinen Papieren gefragt. Das Einzige, was mich rettete, war, dass ich eingeladen worden war und nicht selbst bezahlt hatte“, erinnert sich unsere Gesprächspartnerin, die zu Sowjetzeiten als Dolmetscherin und Betreuerin von Ausländern gearbeitet hat.

Estnische SSR. Ein Abend in einer Bar.

In solchen Einrichtungen gab es auch „leichte Mädchen“. „Prostitution war in der UdSSR verboten. Alle Frauen aus diesem Gewerbe leiteten Informationen über ihre Kunden an die Sonderdienste weiter und durften so ihren Beruf ausüben. In dem berühmten Leningrader Restaurant Astoria (das es schon im zaristischen Russland gab und das heute immer noch in Betrieb ist) gab es eine junge Frau, die jeden Abend um Mitternacht beschwipst hereinkam. Sie lief mit einer nicht angezündeten Zigarette herum. Die Männer gaben ihr Feuer und sie taxierte sie mit einem Blick.“

Im Gegensatz zu den Bars waren die Hotelrestaurants für Sowjetbürger zugänglich und sie konnten hier mit Rubel bezahlen. Aber nicht viele Menschen konnten es sich leisten, in ein solches Restaurant zu gehen.

Touristen in einem Hotel

Die einzige Bar für Sowjetbürger

Dennoch gab es in der Geschichte der UdSSR auch eine Bar für Sowjetbürger. Der Cocktail-Saal wurde 1938 in Moskau eröffnet: Er hatte zwei Etagen und war nach westlichem Vorbild konzipiert. Von der Bühne aus wurde Musik gespielt, die die Behörden irritierte und der sie misstrauten: Jazz, Tango, Foxtrott. Die Cocktailkarte umfasste etwa 500 Getränke, alle mit einheimischem Alkohol gemixt. Als Snacks gab es gesalzene gebrannte Mandeln, Oliven und Kanapees. Die Hauptkunden waren Ausländer, Dissidenten und die „Goldene Jugend“, denn die „Anbetung“ der westlichen Kultur war den einfachen Sowjetbürgern fremd und die Preise waren zu hoch für die Durchschnittsbürger. So kostete 1961 ein Cocktail 4,10 Rubel, während für eine Monatskarte für alle Verkehrsmittel mit unbegrenzten Fahrten in Moskau 6 Rubel gezahlt werden musste.

Cocktail-Saal.

Zu Stalins Zeiten war der Cocktail-Saal eine Mausefalle für Dissidenten – diese versammelten sich hier an einem Ort und erleichterten so den staatlichen Sicherheitsbehörden erheblich die Arbeit. Im Jahr 1968 wurde die Bar geschlossen und durch eine Eisdiele ersetzt. Auch in Kiew gab es eine Bar, die sogar von dem amerikanischen Schriftsteller John Steinbeck in seinem Russischen Tagebuch (1947) erwähnt wird.

Damals war die Barkultur eher dilettantisch, der Zugang zu ausländischen Rezepten und Alkohol war auf die Barkeeper beschränkt, die in Hotels für ausländische Touristen arbeiteten. Dank Alexander Kudrjawzew, der als der erste sowjetische Barkeeper gilt, wurde die Arbeit am Bartresen zu einem echten Beruf. Im Jahr 1978 verfasste er das erste Rezeptbuch für Cocktails, Die Zubereitung von Mischgetränken, das seinen Kollegen die Arbeit erheblich erleichterte.

Eine Disco im olympischen Dorf.

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