Die Grundlage der Handlung jeder Serie ist die Beziehung zwischen den Hauptfiguren, die mit unerschöpflicher Neugier die Welt um sich herum erkunden, versuchen, miteinander auszukommen, und nur mit ihren inneren Dämonen kämpfen. Was bei Zeichentrickserien für Kinder noch seltener vorkommt: Bei Smesсhariki gibt es keine Spaßbremsen in Form von vordergründiger Didaktik. Insgesamt neun Figuren leben im Kamillental – vom Kaninchen Krosch bis zum Elch Losjasch. Auf die bei Trickfilmen „klassischen“ Katzen, Mäuse und Hunde haben die Autoren grundsätzlich verzichtet – zu Gunsten von interessanteren Tieren vor allem aus Zentralrussland. Erst in späteren Staffeln wurden ein paar exotische Figuren, wie der Pinguin Pin und der Panda Stepanida hinzugefügt. Alle Helden sind fast perfekt rund. Die Künstler haben sich extra ein solches Design der Figuren ausgedacht, damit sie von einem Kind nachgebildet werden können.
Smesсhariki wurde „nachhaltig“ konzipiert. Das Hauptpublikum sind, natürlich, Kinder im Vorschulalter. Allerdings ist die Serie auch für Jugendliche und sogar für Erwachsene interessant. Die dynamische Handlung verwendet eine Vielzahl von Genres – vom Western über Musical bis hin zu Science-Fiction und (kindgerechtem) Thriller. Dabei werden recht unaufdringlich die „ewigen Fragen“ behandelt: Wie lebt man in der Gesellschaft?, Wie findet man sein Glück? und schließlich: Was ist der Sinn des Lebens? Und das alles in sechs Minuten! Was ein Kind im Alter von fünf Jahren nicht versteht, darüber wird es nachdenken, wenn es älter wird. Die Konstante in allen Serien ist natürlich der Humor. Deshalb wurde für die Serie auch ein entsprechender Name gewählt: smeschnyje schariki (dt.: lustige Kugeln). Und das trifft tatsächlich zu: Die Smesсhariki sind wirklich rund und lustig.
Die Zeichentrick-Serie ist besonders reich an Anspielungen auf russische Klassiker – von Eldar Rjasanows Kultkomödie Vorsicht, Autodieb! bis zu Anton Tschechows weltberühmtem Theaterstück Der Kirschgarten. Es gibt sogar eine ganze Folge, die ein Remake des Zeichentrickfilms Igel im Nebel (der auf dem Laputa Animation Festival zum Besten Trickfilm aller Zeiten gekürt wurde) von Juri Norstein ist. Die Smeschariki-Variante ist allerdings, wie üblich, sehr ungewöhnlich: im Kamillental lebt ein Igel; einst spielte er die Hauptrolle in einem Science-Fiction-Film, doch die Dreharbeiten gerieten außer Kontrolle und alles wurde mit künstlichem Rauch überzogen. Der Held ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, im Nebel spazieren zu gehen und zu philosophieren. Bei Smesсhariki sind auch Reminiszenzen an Weltklassiker zu finden. So wird Forrest Gump zitiert (einmal wird dem Schaf zugerufen: Lauf, Barasch, lauf!). Es ist die Duschszene aus Psycho und die Szene mit den rosa Blütenblättern aus American Beauty zu sehen (beide mit dem Schwein Njuscha in der Hauptrolle). Und in der Folge mit dem bezeichnenden Titel Der Sinn des Lebens mischen sie Jim Jarmuschs Dead Man und Tarkowskij Stalker.
Bei Smesсhariki gibt es keinen durchgehenden „roten Faden“ – die Serie kann von jeder Serie beginnend und in beliebiger Reihenfolge angesehen werden. Allerdings versuchen anspruchsvolle Zuschauer, alle Abenteuer irgendwie in einer einzigen Handlung zu vereinen, und sind bestrebt, hintergründige Motivationen auszugraben oder die Details der „echten“ Biografie der Helden wiederherzustellen. So gibt es zum Beispiel Zuschauer, die sich sicher sind, dass der Bär Kopatytsch ein ehemaliger Soldat ist und sein Misstrauen durch eine posttraumatische Belastungsstörung erklärt werden kann. Die wildeste Theorie besagt, dass die Helden von Smesсhariki in einem Multiversum existieren, das dem Marvel-Universum ähnelt. Die Serie hat mehr als einmal ihr Format gewechselt – sie begann in 2D, erhielt dann eine dritte Dimension und kehrte dann wieder zu 2D zurück. Und es gibt die Theorie, dass es sich um Paralleluniversen handelt, die mit dem Ende der Staffel sterben – ganz wie in Avengers: Endgame. Verschwörungstheorien waren übrigens auch ein Thema von Smesсhariki – in einer Folge träumte Krosch von einer allgemeinen Verschwörung.
Es ist immer traurig, wenn etwas Gutes zu Ende geht. Kinder in Russland kennen dieses Gefühl besser als viele Gleichaltrige im Ausland – denn die alten sowjetischen Zeichentrickserien waren katastrophal kurz: Nu, pogodi! (dt.: Na, warte!) hatte nur 16 Folgen, Winni Puch (dt.: Pu der Bär) nur drei und bei Karlson, kotoryj schiwjot na kryschje (dt.: Karlson vom Dach) waren es gar nur zwei. Smesсhariki beendete als erste Zeichentrick-Serie in Russland diese schlechte Tradition: Wenn man alle Spin-Offs einberechnet (und die drei Spielfilme nicht mitzählt) sind bereits etwa 700 Episoden erschienen und die Gesamtlaufzeit der Serie hat inzwischen 80 Stunden weit überschritten. Trotzdem läuft sie immer noch. Es ist immer schön, wenn etwas Gutes fortgeführt wird!
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