Wassilij Surikow: Wie seine Meisterwerke zum Spiegelbild der russischen Geschichte wurden

Der Meister der Historienmalerei nimmt einen besonderen Platz in der Geschichte der russischen bildenden Kunst ein. Stil und Geist seiner epochalen Werke bleiben für immer in Erinnerung.

Wassili Surikow wurde im Jahr 1848 in Krasnojarsk geboren. Sein großer Wunsch, Malerei zu studieren, führte ihn zunächst nach St.Petersburg, wo er in den Jahren 1869-1875 an der Kunstakadamie studierte.

1877 zog Surikow nach Moskau, später trat er der Genossenschaft der künstlerischen Wanderausstellungen bei. In Moskau entstanden Surikows wichtigste Arbeiten, unter anderem monumentale Historiengemälde.

Mit der Tiefe und Einsicht eines wahren historischen und religiösen Visionärs offenbarte der Künstler in diesen Arbeiten die tragischen Widersprüche der Geschichte und die unheimliche Logik, in der sie voranschreitet. Surikow zeigt den Kampf der historischen Kräfte in der Zeit der Spaltung.

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Die Protagonisten seiner Bilder dieser Periode kommen aus dem russischen Volk, Surikows Werk beschreibt die Massen in ihrer Vielfalt und entwirft ein Bild vom russischen Nationalcharakter. 

Surikow ist fasziniert von starken lebendigen Persönlichkeiten, in denen der rebellische Geist der Menschen zuhause ist: vom festen Willen und unbezähmbaren Geist des rotbärtigen Strelizen in "Der Morgen vor der Exekution der Strelizen" (1881), von der Leidenschaft und dem fanatischen Asketismus der Bojarin Morosowa in dem gleichnamigen Gemälde.

Mit großer Kunstfertigkeit und Liebe entwirft dieses russische Genie lebendige Bilder von Straßen und Plätzen des alten Moskau und den sie füllenden Menschenmengen. Geschickt stellt der Künstler die komplizierten Details der Kleidungsstücke, Geräte, Stickereien, Holzschnitzerei, der Kirchenarchitektur und Bauernhöfe dar.

Nach dem plötzlichen Tod seiner Frau im Jahr 1888 fällt Surikow in eine tiefe Depression und verliert sein Interesse an der Malerei. Niemand kennt den von ihm erlittenen Schmerz und seine geistige Qual. Das Gemälde "Jesus heilt einen Blinden" vom Jahr 1888, in dem der Empfänger des Wunders eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Künstler erkennen lässt, symbolisiert auf besondere Weise seine eigene Erleuchtung und sein Wiedererwachen in dieser Zeit.

Als er seine spirituelle Krise überwunden hat (nach einer Sibirienreise 1889-90), fertigt er das ungewöhnlich helle und fröhliche Gemälde "Einnahme der Schneestadt" (1891) an, das dem klassischen Image des russischen Volkes gewidmet ist,  voller Wagemut, Gesundheit und Lebensfreude.

In seinen historischen Gemälden der 1890er Jahre kehrt Surikow zu den Schauplätzen der russischen Geschichte zurück. Er fokussiert die Ereignisse, aus denen historischer Geist spricht, die Solidarität und die Macht des russischen Volkes. Das Bild "Die Eroberung Sibiriens durch Jermak" (1895) stellt den Heldenmut der russischen Krieger im Kampf um die Befreiung ihrer Heimat dar. Gemalt in einer prächtigen und erlesenen Farbskala, erfasst es perfekt die Atmosphäre eines trüben Herbsttages, an dem die feuchte Luft über dem Irtysch hängt. Das Werk wurde auf der 23. Wanderausstellung in St. Petersburg gezeigt. Auch Zar Nikolaus II. und seine Frau Alexandra besuchten die Ausstellung. Sie kauften das Gemälde für 40.000 Rubel. Zu dieser Zeit feierte das Land den 300. Jahrestag der Eroberung Sibiriens und die Eröffnung der Transsibirischen Eisenbahn. Surikow traf mit seinem Gemälde ungewollt den Nerv der Zeit und nahm die für ihn peinliche Rolle eines offiziellen Malers ein.

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1895 erkannte die Kunstakademie ihm den Titel des Akademiemitglieds zu. Das Gemälde "Suworow überquert die Alpen" (1899) ehrt den Mut und die Tapferkeit der russischen Armee. Diese Arbeiten entbehren jedoch die Perfektion seiner Meisterwerke der 1880er Jahre.

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Das nächste historische Werk des Künstlers ist "Stepan Rasin" (1910). Die ersten Skizzen wurden 1906 in Moskau ausgestellt. Surikow aber ist nicht zufrieden mit den Ergebnissen, er sieht keinen Zusammenhang zwischen Rasin und anderen Personen. So kehrt er zu seiner Arbeit zurück und versucht, sie besser zu machen.

Das Genre der Historienmalerei war im 19. Jahrhundert sehr beliebt. Typischerweise folgten die historischen Gemälde den Regeln der klassischen Kunst. Sie erinnerten in ihrer weichen und schönen Ausführung Theaterproduktionen zu historischen Themen. Surikows Bilder passten nicht in diesen Rahmen. Das 17. Jahrundert, wie es war, unbarmherzig und schrecklich, starrte den Betrachter aus diesen Gemälden an. Die Kraft seines Ausdrucks war so ungewöhnlich, dass niemand daran zweifelte, das Motiv "mit eigenen Augen gesehen zu haben". 

Neben seinen großen Arbeiten zu Themen der russischen Geschichte, produzierte Surikow einige Porträts, in denen sein Talent für das Porträtieren und sein tiefes Interesse für die spirituelle Welt des russischen Volkes zum Ausdruck kamen. 

Vollkommen in die Welt seiner Bilder eingetaucht, als würde er in ihr leben, litt Surikow an schrecklichen Alpträumen. "Ich sehe jede Nacht Hinrichtungen. Der Geruch von Blut ist überall. Ich habe Angst vor der Nacht. Ich wache auf und freue mich. Gott sei Dank, der Schrecken ist nicht wirklich. Es lebt alles in meiner Vorstellung, als ob ich den Betrachter nicht damit belasten wollte. So kann die Ruhe siegen. Ich nehme große Pein auf mich, um die Betrachter meiner Bilder vor unangenehmen Gefühlen zu schützen. Man könnte sagen, ich sei heilig, aber ... Nach alledem, dem Blut, den Hinrichtungen bin ich hier angekommen, habe ich die Qualen hinter mir gelassen."

In seinen späteren Jahren fertigte Surikow viele Porträts und Selbstporträts an. Während seine früheren Porträts (mit wenigen Ausnahmen) - "Porträt einer Mutter" (1887), "Mit einer Gitarre" (1882), "Porträt von Olga Surikowa" (1888) und andere - alle auf ihre Weise mit seinen großen historischen Visionen verbunden sind, haben sie nun ihren eigenen Wert: "Porträt von Dr. A.D. Jeserski" (1910) und "Porträt eines Mannes mit einer wunden Hand" (1913).

Im Sommer 1915 reiste Surikow auf die Krim. Er verbrachte seine Zeit mit Sonnenbädern und Bergwandern. Diesen Strapazen war sein schwaches Herz nicht gewachsen. 

Surikow starb am 6. März 1916. Die letzten Worte des großen Künstlers waren: "Ich verschwinde".

Selbstporträt, 1879

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