Die einzige Pestfestung der Welt liegt in Russland (FOTOS)

Andrew Shiva (CC BY-SA 4.0)
Diese Festung mit ihren schwarz verkohlten Mauern sollte die Seegrenzen des russischen Reiches schützen, wurde aber stattdessen zu einem Labor für die Erforschung einer gefährlichen Krankheit.

Der französische Schauspieler Andre Bouchet, Moderator der Sendung Fort Boyard, besucht das Pestkastell.

Sie wird oft als russisches "Fort Boyard" bezeichnet und liegt zwei Kilometer von Kronstadt, das außerhalb von St. Petersburg liegt, entfernt. Tatsächlich wurde sie 20 Jahre vor der berühmten französischen Festung - im Jahr 1845 - gebaut und nie als Gefängnis genutzt. Übrigens wurde das Fort auch nicht als Verteidigungsanlage berühmt. Seine Geschichte ist viel interessanter. 

Eine Inselfestung

Kronstadt ist eine Festungsstadt auf der Insel Kotlin, die ihrerseits von einem ganzen Netz von Festungen auf Inseln umgeben ist. Mit deren Bau wurde im Jahr 1704, unmittelbar nach der Gründung von St. Petersburg, begonnen. Sie wurden bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts fertiggestellt.  Die Stadt wird von insgesamt 21 Festungen geschützt, von denen sich 17 im Finnischen Meerbusen und die übrigen auf dem Festland befinden. 

Diese nach Kaiser Alexander I. benannte Festung wurde zwischen 1838 und 1845 auf einer künstlichen Insel errichtet. Sie war groß genug, um eine Garnison von bis zu 1.000 Mann zu beherbergen. Mehr als hundert der neuesten großkalibrigen Geschütze waren auf ihr stationiert. Das ermöglichte eine optimale Versorgung der russischen Seeleute mit Waffen. Dennoch wurde sie während ihres gesamten Bestehens nur dreimal in volle Gefechtsbereitschaft versetzt: 1855 im Krimkrieg, 1863 bei einer möglichen Konfrontation mit dem britischen Empire und 1877 im Russisch-Türkischen Krieg. Das Fort Alexander I. war jedoch nie in militärische Aktionen verwickelt und wurde 1896 außer Dienst gestellt, da es nicht mehr benötigt wurde. Aber es blieb nicht lange untätig. 

Das Pestlabor

Ende des 19. Jahrhunderts drohte die Gefahr einer Pestepidemie in der Welt. Obwohl diese tödliche Krankheit normalerweise mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht wird, trat sie zu jener Zeit wieder auf. Mit dem Aufkommen von Zügen und Dampfschiffen begann die Pest aus asiatischen Ländern in Gebiete im Südosten Russlands vorzudringen. Die Behörden befürchteten eine weitere Ausbreitung der Infektion nach Europa. 1897 setzte Kaiser Nikolaus II. eine Sonderkommission zur Verhinderung der Ausbreitung der Pest ein, deren Vorsitz Herzog Alexander von Oldenburg innehatte.

Der hochgebildete Herzog stand im Briefwechsel mit dem französischen Mikrobiologen Louis Pasteur und dem deutschen Arzt Robert Koch. Er gründete das Kaiserliche Institut für experimentelle Medizin, das mit der Entwicklung eines Pestimpfstoffs und eines Anti-Pest-Serums betraut wurde. Für das Serum wurde Pferdeblut mit Antikörpern gegen den Pestbazillus verwendet. Da die Herstellung von biologischen Arzneimitteln gefährlich war, gelang es dem Herzog, die verlassene und vor allem isolierte Festung Alexander I. für sich zu gewinnen. In den Räumen des Forts wurden Sanitäranlagen, Elektrizität, Dampfheizung und Kanalisation installiert. Nach und nach erhielt das Fort den Beinamen "Pestfort", obwohl dort auch Cholera, Tetanus und Typhus untersucht wurden. Jährlich produzierte das Labor bis zu einer halben Million Serumdosen, die sowohl nach Asien als auch nach Europa geliefert wurden. Im Jahr 1900 wurden beispielsweise mehrere tausend Dosen nach Glasgow geschickt, nachdem dort Pestfälle aufgetreten waren.

Etwa 40 Angestellte lebten ständig im Fort. Ladungen vom "Festland" wurden mit einem kleinen Schiff namens "Mikrob" angeliefert und an der Anlegestelle abgestellt. Die Wissenschaftler verließen die Insel nicht, da sie die gefährliche Krankheit hätten verbreiten können. Es ist bekannt, dass zwei Ärzte starben, nachdem sie sich während ihrer Arbeit dort 1904 und 1907 infiziert hatten.

Die Forschung wurde bis zum Ersten Weltkrieg fortgesetzt, als die meisten Wissenschaftler zur Armee einberufen wurden. Nach der Februarrevolution 1917 musste Herzog Alexander von Oldenburg seinen Posten und das Land verlassen. Die neue Leitung des Instituts verlegte es nach Saratow im Süden der Wolga-Region, wo 1918 das "Mikrob"-Institut zur Bekämpfung der Pest gegründet wurde. 

Vom verfallenen Gebäude zum Museum

Ab 1923 wurde die Festung als Depot für Minenräumgeräte genutzt. Anfang der 1980er Jahre wurde sie jedoch praktisch aufgegeben. Kronstadt selbst war bis 1996 eine geschlossene Militärstadt. Allerdings wurde für ein Lenfilm-Team eine Ausnahme gemacht. Mitte der 1980er Jahre fanden dort, an einem echten Ort des Geschehens, die Dreharbeiten zu "Gewehrpulver" statt, einem Film, der im Großen Vaterländischen Krieg spielt. Ein Feuer im Film sollte sehr realistisch aussehen, wobei das Fort stark verbrannt wurde. Seine verkohlten Wände wurden somit zu seiner neuen "Visitenkarte".

Die Szene aus dem Film war REAL.

In den späten 1990er Jahren fanden dort im Sommer Rave-Partys statt. Später begann man, Touristen auf Bootsfahrten zum Fort zu bringen. Im Jahr 2017 geriet es zum zweiten Mal in Brand, als sich Müll entzündete. 

Das Fort wird derzeit restauriert. Im Jahr 2025 soll ein Museum eröffnet werden, das seiner Geschichte gewidmet ist.

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