Früher gab es in Russland keine Burger und Pommes, aber dennoch Fast Food. Auf den Messen, Märkten und in den Bäckereien im ganzen Land wurden viele Arten von Gebäck angeboten, aber das beliebteste war ein einfaches Brot namens Kalatsch (wörtlich „Kreis"), das aussieht wie ein Brötchen mit Henkel.
Am Henkel hielt man den Kalatsch fest, dadurch wurde er oft schmutzig und man konnte ihn nicht essen. Er wurde sogar zum Bestandteil eines Sprichworts. Den „Henkel zu erreichen“ bedeutet, sehr verzweifelt zu sein.
Kalatsch ist seit dem 14. Jahrhundert bekannt und war sehr beliebt, nicht nur bei den Bauern, sondern auch bei Adligen und sogar am Zarenhof. Man benötigt nur Mehl, Salz, Wasser und Sauerteig. Dieses Gebäck enthält weder Ei noch Butter. Seit der Zarenzeit gibt es regional unterschiedliche Kalatsch-Rezepte.
Historiker diskutieren noch immer darüber, wo der Kalatsch zuerst aufgetaucht ist. Ein bedeutender „Vertriebler“ des Kalatsch war in jedem Fall der Moskauer Bäcker Iwan Filippow. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts hatte seine Familie Bäckerei-Filialen in den wichtigsten russischen Städten. Er verkaufte seine Brötchen erfolgreich nach St. Petersburg, Sibirien und sogar nach Paris. Vor dem Transport wurden sie eingefroren und dann bei Bedarf unter heißen Tüchern aufgetaut. So blieben die Backwaren lange frisch.
Für den Moskauer Kalatsch verwendeten die Bäckereien nur Weizenmehl der höchsten Qualität. Er ist weich und saftig.
Heute bieten einige moderne Moskauer Bäckereien und Cafés Variationen des historischen Gebäcks mit neuen Zutaten an: Grieß, Malz und Gewürze.
In Kolomna, einer kleinen Stadt in der Nähe von Moskau, ist Kalatsch ein Muss für jeden Touristen.
Der Knetteig für den Kolomna-Kalatsch war etwas Besonderes in ganz Russland. Er wurde mit verschiedenen Mehlsorten und Gewürzen zubereitet. Für die Tafel des Zaren fügten die Bäcker von Kolomna dem Teig Beerensirup, Rosinen, Minze, Zimt hinzu - kurz gesagt, alles, was zu jener Zeit rar und kostbar war.
Es gibt ein großes Museum, das dem lokalen Kalatsch gewidmet ist und in dem die Besucher nicht nur zuschauen, sondern sich auch selbst als Bäcker eines historischen Kalatschs versuchen können. Wem dafür die Geduld fehlt, kann Kalatsch frisch aus dem Holzofen an jedem Kiosk kaufen.
Das Wappen dieser alten Rus-Stadt in der Region Wladimir zieren drei goldene Kalatschs.
Murom ist die Heimat der Kalatschs, deren Teig gerieben und besonders lange geknetet wird. Dadurch wird der Murom-Kalatsch besonders locker. Noch heute nennen die Russen eine erfahrene Person „terty kalatsch" („geriebener Kalatsch“).
Der alte Kalatsch wird in der Stadt immer noch in der Brotfabrik und im Kloster der Heiligen Verklärung gebacken. Eines der beliebtesten Souvenirs von dort ist der riesige Kalatsch mit Kernen, obwohl viele Einheimische sagen, dass der moderne Kalatsch süßer ist als in ihrer Kindheit.
In der Stadt Tobolsk gibt es noch eine andere Art von Kalatsch. „Erstens werden sie aus drei Mehlsorten gebacken: Weizen, Semola (Vollkorn) und Roggen. Zweitens sind sie mit verschiedenen Füllungen versehen", sagt ein Bäcker des Restaurants „Mark und Lew". Die Füllung kann aus Huhn, Ente oder Äpfel mit Nüssen sein. Ein leckerer Grund, Tobolsk zu besuchen!
Kalatschs aus Omsk ähneln im Geschmack dem Moskauer Gebäck, haben aber keinen Henkel.
Das Gebäck in Saratow (Wolga-Region) sieht ganz anders aus: Eher wie ein Kuchen oder ein hohes Brot. Früher wurden sie nur mit der lokalen, sehr teuren Weizensorte „Beloturka“ gebacken. Saratow trug früher den Beinamen „Brothauptstadt Russlands“. Die Qualität des örtlichen Mehls war sehr hoch.
Das moderne Rezept (seit dem 19. Jahrhundert) hat sich ein wenig verändert. Die Bäcker mischen Weich- und Hartweizenmehl.
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