Ein Jahr nach den letzten offiziellen Gesprächen zum Projekt Turkish Stream setzen Russland und die Türkei nun endlich ihre Verhandlungen zu der problembehafteten Erdgaspipeline fort. Am Dienstag unterstrich der türkische Wirtschaftsminister Nihat Zeybekçi bei einem Treffen mit dem Energieminister der Russischen Föderation Alexander Nowak, dass das Projekt für beide Seiten von Vorteil sei.
Gazprom-Vizedirektor Alexander Medwedjew, der an den Verhandlungen teilnahm, teilte mit, dass Russland und die Türkei eine Arbeitsgruppe für dieses Projekt bilden werden. Das nächste Ministertreffen könnte bereits am 6. August, kurz vor dem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Sankt Petersburg am 9. August, stattfinden.
Der Turkish Stream war als Ersatz für den South Stream vorgesehen. Es sollten vier Stränge mit einer Durchlassfähigkeit von je 15,75 Milliarden Kubikmeter pro Jahr von Anapa durch das Schwarze Meer bis zum europäischen Teil der Türkei verlegt werden. Mitte 2015 speckte Gazprom aufgrund von Problemen bei den Verhandlungen das Projekt auf zwei Stränge ab. Die Infrastruktur in Russland ist bereits nahezu fertiggestellt und kostete dem Erdgasmonopolisten fast 400 Milliarden Rubel (etwa 5,3 Millionen Euro).
„Wenigstens haben wir endlich die Verhandlungsführer der anderen Seite kennengelernt“, sagte eine dem Energieministerium nahestehende Quelle dem Wirtschaftsblatt. In der Türkei kam es vor einem Jahr zu einem Regierungswechsel, und aufgrund der Parlamentskrise wurde das neue Ministerkabinett erst im November gebildet. Das war einer der Gründe, die die Verhandlungen erschwert haben.
„Für Gazprom ist es zweifellos interessanter, zwei Stränge zu bauen, da eine Beschränkung auf den türkischen Markt das Geschäftsrisiko vergrößern würde“, meint auch Maria Belowa von Vygon Consulting. Allerdings würden die offiziellen Verhandlungen mit der Türkei die Position von Gazprom bei dem Projekt „Nord Stream 2“ stärken, das von Russland durch die Ostsee nach Deutschland führt. Und auch in den Verhandlungen mit der Türkei verfüge Gazprom nun über stärkere Argumente als noch vor einem Jahr, fügt Belowa hinzu, da nach dem jüngsten Putschversuch Ankara objektiv betrachtet wohl größere Probleme haben werde, die Europäer für die Arbeit an alternativen Transit-Projekten, wie zum Beispiel dem Southern Gas Corridor, zu gewinnen.
„Die gegenwärtige Phase der Verhandlungen ist eher politisch als wirtschaftlich von Bedeutung – Ankara will seine Beziehungen zu Russland verbessern und dem Westen zeigen, dass das Land alternative Partner hat“, konkretisiert Volkan Özdemir, Direktor des türkischen Instituts für Energiemärkte und -politik. Er vermutet, dass Gazprom seinen Wunsch, den Turkish Stream mit zwei Strängen zu realisieren, durchsetzen könnte. Nach Meinung Özdemirs werde die zentrale Frage bei den Verhandlungen die Preisbildung sein, denn von dieser hängt die Entwicklung des Projektes in erster Linie ab.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei Kommersant.
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