Fachkräftemangel: Welche Spezialisten braucht Russland?

Wirtschaft
KSENIA SUBATSCHJOWA
Wenn Sie IT-Experte oder Landwirtschaftler sind, haben Sie gute Chancen, eine gute Arbeit in Russland zu finden.

Laut einer Studie der Korn Ferry Hay Group wird die Welt bis 2030 mit einem drastischen Mangel an hochqualifiziertem Personal konfrontiert sein. Für Russland bedeutet dies einen Mangel an bis zu 2,8 Millionen hoch qualifizierten Arbeitskräften und für russische Unternehmen Verluste in Höhe von bis zu 300 Milliarden Dollar. Tatsächlich gibt es in bestimmten Bereichen schon heute einen Mangel an Fachleuten. Laut Michael Germershausen, Geschäftsführer der Antal Recruitment Company, zeigt sich die Nachfrage nach Spezialisten in einem bestimmten Beruf besonders daran, wie schnell Menschen eine Arbeit finden können. Die jüngste Umfrage von Antal zeigt, dass 41 Prozent der IT-Experten in weniger als einem Monat einen neuen Job finden!

Trotz der weit verbreiteten Auffassung, dass der Arbeitsmarkt von Kandidaten überschwemmt wird, ist es für Unternehmen immer noch schwierig, erfahrene und qualifizierte Mitarbeiter zu finden, sagte Germershausen. Es gibt jedoch einige Sektoren, in denen es an geeigneten Kandidaten mangelt.

IT-Branche

Unternehmen brauchen qualifizierte Programmierer und technische Spezialisten, und mit dem Umfang neuer Technologien wächst auch die Nachfrage nach diesen Fachleuten. Einige Technologien entwickeln sich so schnell, dass nicht genug Zeit ist, um das notwendige Personal erst lange Jahre auszubilden.

"Die Bedingungen für den IT-Markt werden von den Kandidaten selbst bestimmt und die Arbeitgeber müssen sich anpassen", sagte Germershausen. "IT-Spezialisten sind weniger besorgt über die Gehälter, die normalerweise ziemlich hoch sind, sondern um Faktoren wie die Art des Projekts und ihre Verantwortlichkeiten sowie Weiterbildungsmöglichkeiten und Karrierechancen im Unternehmen."

Laut der Korn Ferry Hay Group und der russischen Jobsuch-Website Headhunter hat das Land seit langem eine besonders große Nachfrage nach Datenanalytikern, Programmierern und technischen Spezialisten.

Produktion

Facharbeiter, Mechaniker und Näherinnen sind ebenfalls sehr gefragt. "Es ist zum Beispiel schwierig, einen hochqualifizierten Dreher oder Gasschweißer zu finden", so Germershausen weiter. "Ebenso schwierig ist es, eine gute Näherin zu finden, weil dieser Beruf nicht gerade populär ist. In der Tat können solche Arbeiter dann jedoch mehr verdienen als durchschnittliche Büroangestellte."

Laut Pawel Sigal, Vizepräsident des russischen Wirtschaftsverbandes „Opora Rossii“, sieht außerdem einen Mangel an Ingenieuren. „Die Zahl der Flugingenieure, die zum Beispiel das Moskauer Luftfahrt-Institut absolvieren, findet sehr schnell Arbeit und ihre Arbeitsbelastung kann 180 bis 200 Prozent erreichen", sagt er. Dies bedeutet eine große Nachfrage nach mehr Fachleuten auf diesem Gebiet.

Landwirtschaft

Auch Spezialisten in der Landwirtschaft – Agronomen, Tierärzte, Zootechniker, technische Spezialisten in der Pflanzen- und Tierproduktion – sind sehr gefragt, berichtet Headhunter.

Arbeitgeber erwarten dabei sehr viel von Kandidaten: Sie müssen nicht nur erfahrene Arbeiter sein, sondern auch Englisch sprechen. Diese Anforderung ist wichtig für Unternehmen, die international expandieren in neue Geschäftsmodelle investieren sowie die Produktion durch den Einsatz ausländischer Technologie und Ausrüstung verbessern (wollen). In den letzten Jahren konnten viele russische Agrarfirmen kein qualifiziertes Personal im Inland finden und laden nun ausländische Arbeitskräfte ein, sagte Germershausen.

Können Expats die Lücke füllen?

Für Sigal besteht Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften grundsätzlich in allen Bereichen. Pharmazie, Biotechnologie und Medizin sind weitere dieser Branchen, die händeringend nach Spezialisten suchen.

Der Ball liege nun eigentlich bei den Universitäten, die aktuelle und vor allem künftige Nachfrage zu erkennen und entsprechend junge Fachkräfte auszubilden. Denn das ist es, was in den oben genannten Sektoren bisher fehlt, die richtigen Kandidaten für die Besetzung von Stellen zu finden.

„Die Universitäten bereiten nicht die Fachkräfte vor, die die Unternehmen brauchen", sagt Germershausen. „Während die IT-Branche ihre Lücken durch Zusammenarbeit mit Universitäten schließt, kann dies die Industrie nicht. Letztere kooperieren mit Fachhochschulen, aber dies hat nur eine begrenzte Wirkung, weil Hochschulen nicht mehr Studenten anziehen können, was zu einem Mangel an Arbeitskräften führt. "

Nur in diesem Fall ist die Einladung von ausländischen Spezialisten unter russischen Firmen üblich. „In der Landwirtschaft werden häufig Erfahrungen mit der Nutzung von Ausrüstung oder der Einführung neuer Technologien geteilt. Dies funktioniert auch für Einzelhändler, die Expat-Manager einladen, die besten Geschäftspraktiken in Russland umzusetzen."

Mehr über die Sonnen- und Schattenseiten der russischen Wirtschaft lesen Sie hier:

>>>  Weniger pessimistisch oder schon optimistisch? Russen bewerten ihre finanzielle Situation

>>> Russlands deutsche Meister Teil 1: Die Klassiker

>>> Reicher ferner Norden: Wo werden in Russland die höchsten Löhne gezahlt?

>>> Sanktionsbedingte Milchkrise: Wie Russland das Käsen lernt

>>> Beruf „Trinkgenosse“: Der Einblick in einen ganz normalen Arbeitstag