Ford Russland ist jetzt fort: Der Niedergang des einstigen Marktführers

AP
Anfang der 2000er-Jahre war Ford die populärste Automarke Russlands. Dann begann der rasante Abstieg und der US-Konzern verließ den russischen Markt trotz großer Investitionen. Warum?

Die Geschichte von Ford in Russland begann zu einer Zeit, als der Durchschnittsrusse von einem eigenen Auto nur träumen konnte. Nur vier Jahre nach Gründung der Firma eröffnete Ford 1907 eine offizielle Vertretung in Russland.

1917 entlud sich dann die lange aufgestaute Wut der Bevölkerung und es kam zur Oktoberrevolution. Die alte Ordnung wurde hinfällig und es entstand ein neuer Staat: die Sowjetunion. Interessanterweise ließ der Ford-Konzern sich nicht abschrecken und sah die Sowjetregierung als potenziellen Geschäftspartner.

1930 eröffnete man die KIM-Automobilfabrik in Moskau, wo das Auto Ford A und der LKW Ford AA produziert wurden.

Ab 1936 produzierte die Fabrik den GAZ M-1 auf Basis des Ford B. Noch im Kalten Krieg arbeiteten sowjetische Autodesigner mit dem von Ford übernommenen Knowhow.

Doch nicht nur die Amerikaner hatten etwas zu teilen: Mitte der 60er-Jahre reiste Ford-Chef Henry Ford Jr. höchstpersönlich nach Moskau. Er wollte den Microbus ZIL-118 Junost (Jugend), eine für die damalige Zeit bahnbrechende Mischung aus Bus und Limousine, für den US-Markt adaptieren und brauchte dafür die Erlaubnis der Sowjets. Die Verhandlungen waren erfolglos.

Etwa ein Vierteljahrhundert später kam es zur nächsten „russischen Revolution“. Die antiamerikanische Sowjetmacht fiel, es entstand ein neues, liberaleres Russland und die Russen verlangten nach qualitativ hochwertigen Autos. Das wirtschaftliche Klima in den 90er-Jahren war allerdings instabil und viele Firmen sahen in dem neuen Markt mehr Risiken als Chancen.

Wie schon in den 30er-Jahren nutzte Ford die Gelegenheit und war 1992 eine der ersten ausländischen Firmen überhaupt, die eine Vertretung in der Russischen Föderation aufbauten. Zehn Jahre später eröffnete der US-Konzern auch die erste ausländische Autofabrik Russlands.

„Die Regeln bestimmte Ford. Für die Russen war dies ein Schock. Die Fabrik stellte bezahlbare, moderne Autos mit verschiedenen Ausstattungsvarianten her. Der Einstiegspreis lag bei rund 10.160 Euro. Damals war Ford der einzige Marktteilnehmer, der so etwas anbot“, sagt der Autoexperte Igor Morscharetti.

Trotz der schwierigen Wirtschaftslage eroberte Ford so die Herzen der russischen Autofahrer. Ein Jahr nach Beginn der Produktion wurde der Ford Focus zum meistverkauften ausländischen Auto in Russland. Wer einen wollte, musste mit Wartezeiten von bis zu sechs Monaten rechnen.  

Der russische Ford Focus war weitestgehend identisch mit der europäischen Version. Einzige Unterschiede waren eine leistungsstärkere Batterie (um mit den harten russischen Wintern mithalten zu können) und eine größere Bodenfreiheit, um auch auf schlechten Straßen gut fahren zu können. Optional konnte man auch damals luxuriöse Dinge wie Leichtmetallräder (für rund 450 Euro extra) und ABS bestellen. Die Russen bevorzugten Ersteres.

Sogar die weltweite Finanzkrise von 2008 schadete dem russischen Automarkt kaum, meint Morscharetti. Weder Ford noch andere ausländische Hersteller erlebten einen drastischen Einbruch der Nachfrage nach neuen Autos.

Inspiriert durch den großen Erfolg in Russland gründete Ford ein Joint-Venture mit dem russischen Automobilriesen Sollers. Dadurch wollte man die Produktionskapazitäten in Russland erhöhen und neben dem Focus und dem Mondeo auch die Modelle Transit, Kuga, Explorer, Ecosport und Fiesta im Land herstellen.

Doch der Aufstieg fand ein jähes Ende. Die politischen Spannungen infolge der Krimkrise wirkten sich negativ auf das wirtschaftliche Klima in Russland aus. Der Rubel verlor an Wert und die Kaufkraft der Russen nahm ab. Für den Ford-Konzern, der Millionen von Dollar in den russischen Markt investiert hatte, war das eine Katastrophe. Später schätzte der Konzern die durch das Verlassen des russischen Marktes entstandenen Schäden auf 500 Millionen US-Dollar (rund 440 Millionen Euro). Allein eine Motorfabrik hatte man sich 275 Millionen Dollar (240 Mio. Euro) kosten lassen.

Dazu kam der schwache Verkaufsstart des Ford Focus III. Schon die absolute Basisversion des Kompaktwagens kostete rund 16.000 Euro. In Verbindung mit dem schwachen Rubel war das Auto daher so gut wie unerschwinglich für die Zielgruppe. Für die Premium-Zielgruppe war der Focus jedoch ebenfalls nicht geeignet. Dadurch sanken die Verkaufszahlen im Jahr 2014 im Vergleich zum Vorjahr um 60%.

„Die Haushaltseinkommen fielen nach 2014, wodurch der - im Vergleich zum Vorgängermodell stark verbesserte - Ford Focus III die Zielgruppe verfehlte. Für das mittlere Segment war er zu teuer, für das Premium-Segment nicht cool genug. Er fand einfach nicht die Marktnische“, analysiert Morscharetti.

2019 kündigte Ford das Ende der PKW-Produktion in Russland an, die entsprechenden Fabriken wurden geschlossen. Die einzige verbliebene Ford-Fabrik in Russland ist nun auf leichte Nutzfahrzeuge spezialisiert. Der Konzern verliert so einen Markt, auf dem er mehr als ein Jahrhundert lang Vorreiter gewesen ist. 

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