Welche Auswirkung hat das Coronavirus auf die russische Wirtschaft?

Migel Kandela/Sputnik
Gecancelte Flüge, verfaulte Bananen, billiges Erdöl und Angst vor chinesischen Lebensmitteln – wir berichten kurz über alle bisherigen Folgen des Coronavirus 2019-nCoV zum gegenwärtigen Zeitpunkt.

Am 30. Januar erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Ausbruch des Coronavirus in China zu einer Bedrohung von internationaler Bedeutung. Am selben Tag erkannte der Internationale Währungsfonds (IWF), dass die Epidemie die gesamte Weltwirtschaft betreffen würde. Russland wird in jedem Fall von der Verbreitung des Virus betroffen sein, gegen das es noch keinen Impfstoff gibt: Mehr als 12 % aller Exporte des Landes gehen nach China. Die einzige Frage ist, wie zerstörerisch dieser Einfluss sein wird. Das ist die momentane Situation. 

Billiges Öl und ein nachlassender Rubel

Der Ölpreis reagierte als erstes, da China einer der größten Abnehmer dieses Rohstoffes ist. Die Treibstoffnachfrage in China ist gesunken und der Ölpreis in Dollar ist zusammengebrochen. Im Januar verloren die Brent-Notierungen 12,6 % ihres Wertes, während die russische Erdölmarke Ural sowohl in Dollar als auch in Rubel billiger wurde. Am 10. Februar fiel der Preis von Ural unter 3.400 Tausend Rubel pro Barrel (49 Euro) und erreichte damit ein zweijähriges Minimum. Dieser Preis liegt bereits unter dem im Staatshaushalt angesetzten Preis.

Deshalb ist der Wert des Rubels zwar gefallen, aber noch nicht kritisch – seit Anfang Januar hat er gegenüber dem Dollar um 3,35 % nachgelassen.

Ablehnung chinesischer Produkte durch Einzelhändler

Russland kauft jährlich Waren im Wert von 50 Milliarden Dollar aus China, etwa die Hälfte davon sind Autos, PCs und Telefone. Bisher haben russische Unternehmen nochkeine Mitteilungen über verzögerte Lieferungen aus China erhalten.

Was die chinesischen Lebensmittel betrifft, so beträgt ihr Anteil am russischen Markt nicht mehr als 2 %. Hauptsächlich handelt es sich um Ingwer, Knoblauch, Tomaten, Paprika, Mandarinen, Weintrauben und Pomelo, aber wie der Einzelhandel versichert, kann all dies leicht durch Importe aus anderen Ländern ersetzt werden.

So teilte zum Beispiel Magnit, eine der größten Einzelhandelsketten Russlands, am 3. Februar mit, dass sie aufgrund der drohenden Virusverbreitung und der komplizierten Logistik kein Obst und Gemüse mehr aus China importiere. Statt mit China wird die Kette verstärkt mit der Türkei, Israel und Marokko zusammenarbeiten. Über die Suche nach neuen Lieferanten berichtete auch ein anderer großer Einzelhändler, die X5 Retail Group. Allerdings haben die Einzelhandelsketten Tape und Metro bisher nicht vor, die Lieferungen auszusetzen. Alle anderen Einzelhändler (wie Auchan oder Dixie) haben sich zu der Situation noch  nicht geäußert. 

Das Problem ist, dass Regionen wie der Ferne Osten und der Sibirische Föderalbezirk stark von chinesischen Importen abhängig sind – und dort haben die Regale sich bereits etwas geleert. Lokale Medien berichten über einen starken Preisanstieg bei Gurken und Tomaten und fehlende Produkte in den Läden von Wladiwostok, Chabarowsk und Ussurijsk. Das erste „Opfer“ des Coronavirus in Wladiwostok sind Bananen – jemand munkelte, dass sie ansteckend seien (obwohl sie aus Ecuador stammten) und nun verfaulten sie einfach. 

Die Verluste im Incoming-Tourismusgeschäft betragen 100 Millionen Dollar

Dies Prognose für den Zeitraum Januar – März 2020 wird aufgrund der verhängten Quarantäne von der Vereinigung der Reiseveranstalter Russlands gegeben. China war bisher der größte „Lieferant“ von Touristen nach Russland, und nun werden mindestens 1,3 Millionen chinesische Touristen weniger nach Russland kommen. 

Der Flugverkehr mit China ist seit dem 1. Februar teilweise eingefroren: Es gibt nur noch vier Flüge von Aeroflot und dessen Partnern nach Peking, Guangzhou, Shanghai und Hongkong. Aber der Verlust ist wahrscheinlich nicht so hoch wie erwartet: Laut Jelena Sachnowa, Analystin von VTB Capital, entfallen von fast 130 Millionen Passagieren pro Jahr nur 2 Millionen auf die chinesischen Destinationen, bei Aeroflot sind es 4 % des Passagieraufkommens und 5 % der Einnahmen.  

Die Nachfrage nach medizinischen Masken stieg um 220 %

Diejenigen, die einen klaren Vorteil von dieser Situation haben, sind die Agrarbetriebe und die Apotheken. Ein explosionsartiges Wachstum hat bereits der Verkauf einiger Produkte und Antivirenmittel gezeigt, die mangels eines Heilmittels für das Coronavirus nach dem Prinzip „Ich werde alles nacheinander ausprobieren“ aufgekauft wurden. Zum Beispiel Masken, deren Verkauf laut dem Steuerdaten-Portal Platforma OFD um 220 % gestiegen sei.

Wie geht es weiter?

Bislang hält niemand in Russland den Einfluss des Virus aus China für katastrophal. German Gref, Chef der Sberbank, der größten Bank in Russland, nennt die Auswirkung trotz aller bestehenden Verluste„nicht sehr bedeutend“.

Dies kann sich jedoch ändern, wenn die Virusausbreitung nicht gestoppt werden kann und die Situation sich hinziehen wird. In diesem Szenario warten schwierige Zeiten auf die russische Wirtschaft: Der Rechnungshof der Russischen Föderation sagt ernsthafte Konsequenzen voraus. Hier nur ein Beispiel: Der Autokonzern Nissan warnte bereits vor einer Aussetzung der Autoproduktion in Russland, falls sich bis März nichts ändern sollte. 

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