Was erwartet die russischen Fluggesellschaften nach dem Coronavirus?

Vladimir Astapkovich/Sputnik
Nach einer vorübergehenden Aussetzung internationaler Flüge und einem Rückgang der Nachfrage nach Inlandsflügen befinden sich die russischen Fluggesellschaften zusammen mit der globalen Luftfahrtindustrie in einer tiefen Krise. Wir sagen Ihnen, wie die russischen Fluggesellschaften versuchen, die Verluste auszugleichen und wann die ersten Flüge zwischen Russland und der EU zu erwarten sind.

Riesige Verluste

Der Höhepunkt der Coronavirus-Ausbreitung, gefolgt von der offiziellen Schließung der Grenzen und der Aussetzung von Flügen sowohl in Russland als auch im Ausland, war im April 2020. Russische Fluggesellschaften haben seitdem einen massiven Rückgang des Passagierverkehrs zu verzeichnen.

So habe beispielsweise Aeroflot, die größte russische Fluggesellschaft (mit den Carriern Aeroflot, Rossija und Pobjeda), im April 2020 einen 95-prozentigen Rückgang der Transporte im Vergleich zum April 2019 vermeldet, teilte Witalij Saweljew, Chef der Fluggesellschaft, bei einem Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin mit.

Zusammen mit anderen russischen Fluggesellschaften betrug der Rückgang des Passagierverkehrs im April 2020 91,8 %,berichteteTASS unter Bezugnahme auf Rósawiázija, die Föderale Luftverkehrsbehörde der Russlands. Der Rückgang der Flüge aller russischer Fluggesellschaften von Januar bis Mai 2020betrug 44,6 % im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

Der Gesamtverlust aller russischen Carrier ist noch nicht berechnet worden, aber im Februar 2020 schätzte das russische Verkehrsministerium alleindie Einbußen durch die Aussetzung der Flüge nach China auf 1,6 Mrd. Rubel (21,6 Millionen Euro). Am 25. Juni 2020 hatte Rósawiázija den Fluggesellschaften bereitsSubventionen in Höhe von 9,75 Mrd. Rubel (131,8 Millionen Euro) zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus hat die Regierung im Mai zusätzlich23,4 Mrd. (316,2 Millionen Dollar) bereit gestellt, aber das sei möglicherweise nicht genug, sagen Experten.

Im Jahr 2020 könnten die russischen Airlines insgesamt 550 Mrd. Rubel (7,4 Mrd. Euro) verlieren,prognostizierte Sergej Sajzew, Senior-Experte für Luftfahrt bei der internationalen Beratungsfirma Bain & Company, gegenüber der Zeitung Wedomosti. Die Schätzung geht davon aus, dass sich die Nachfrage nach Inlandsflügen bis Dezember 2020 wieder auf das Vorjahresniveau erholen und das Verbot internationaler Flüge bis Ende Juli 2020 andauern werde.

Frachtverkehr und Ticket-Rabatte

Um zu verhindern, dass die Passagierflugzeuge nutzlos auf den Flughäfen stehen bleiben, haben russische Fluggesellschaften begonnen, sie für Frachttransporte einzusetzen, wobei sowohl der Frachtraum als auch die Passagierkabine der Maschinen genutzt werde, sagt Maxim Pjaduschkin, Geschäftsführer der Zeitschrift Awiatransportnoje obosrenije. Die Genehmigung dafür erhielten laut der Website von Rósawiázija im April 2020 sieben russische Fluggesellschaften.

Um die Nachfrage nach Flügen zu steigern, senkten die Airlines im Juni 2020 die Preise für Flüge innerhalb Russlands um 23 %,heißt es auf dem Portal des Verbandes der Reiseveranstalter Russlands (ATOR).

Pobjeda Airlines bietet Rabatte von bis zu 60 % an, aber viele Passagiere haben Angst, sich in anderen Städten mit dem Coronavirus anzustecken und überlegen es sich nach dem Kauf eines Tickets anders,sagte Aeroflot-Chef Saweljew.

Dennoch plant die Fluggesellschaft in diesem Jahr die Beförderung von 30 Millionen Passagieren (das sind 50 % des Vorjahres), insbesondere durch Flüge in russische Urlaubsorte. Bis zum 6. Juli 2020 haben Zahl und Ziele der Flüge auf die Krim bereits wieder das Niveau von 2019 erreicht,berichtete die Website des Internationalen Flughafens Simferopol. Sotschi wurde seit Anfang Juni bereits von 100.000 Touristen besucht.

Unterm Strich werde sich die russische Luftfahrtindustrie bis September 2021 von den Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie erholen können,glaubt der Verkehrsminister Jewgenij Dietrich. Der Direktor des Zentrums für die wissenschaftliche Unterstützung der staatlichen Politik im Bereich der Zivilluftfahrt Alexander Friedland ist mit dieser Prognose nicht einverstanden – seiner Meinung nach werde die Luftfahrtindustrie ohne großangelegte staatliche Unterstützung das Niveau von 2019 erst 2024 erreichen können.

Die Regierung rechne nicht mit dem Bankrott der russischen Fluggesellschaften, unter anderem dank der finanziellen Unterstützung,sagte Sergej Iwanow, der Sonderbeauftragte des Präsidenten für Umweltschutz, Ökologie und Verkehr.

Allerdings hat eine der russischen Airlines, die Utair, bereits die Aussetzung ihre  Kreditrückzahlungen verkündet.

„Das Coronavirus hat die gesamte Luftfahrtindustrie geschädigt und selbst die Aufhebung der Einschränkungen für Flüge wird nicht die Folgen der Höheren Gewalt beseitigen, denn es wird Zeit brauchen, um den Flugverkehr vollständig wieder zu normalisieren“, heißt es in einer Mitteilung des Unternehmens.Die Fluggesellschaft hat jedoch noch keinen Konkursantrag gestellt.

Flüge in die EU sind diesen Sommer (nicht) möglich

Am 6. Juli 2020 erklärte Wladimir Putin bei einem Treffen mit dem Aeroflot-Chef , dass es immer noch schwierig sei, das Datum der Grenzöffnung Europas für russische Touristen vorherzusagen.

„Es ist nicht klar, wie unsere Partner in vielen Ländern, auch in Europa, reagieren werden – sie können sich untereinander noch nicht einigen. Und es ist ebenso unklar, wann sie ihre Grenzen für Angehörige anderer Staaten, einschließlich Russland, auch während der Sommerferien, öffnen werden“,sagte der Präsident.

Im GegenzugverlängerteRósawiázija das Einreiseverbot für Ausländer nach Russland bis zum 1. August 2020. Interfaxteilt unter Verweis auf seine Quellen mit, dass die Russische Föderation keine internationalen Flüge erlauben werde, bis sich die epidemiologische Situation in allen Regionen des Landes normalisiert haben werde. Zuerst wird Russland die Grenzen für die GUS-Länder und dann für die EU-Staaten öffnen.

Dennoch führen einige russische Fluggesellschaften bereits internationale Flüge durch – trotz der geschlossenen Grenzen. Aeroflot verkauft zum Beispiel Tickets für Frachtflüge von Moskau in Dutzende von Städten – nach Frankfurt a. M, Paris, London, New York, Rom, Seoul, Tel Aviv u.a.

Der offizielle Vertreter der Fluggesellschaft Michail Deminerzählte der Zeitung Wedomosti, dass das Unternehmen Personen auf Frachtflügen transportieren könne, aber nicht jedermann, sondern nur diejenigen, die einreisen dürfen, wie Diplomaten, Russen mit doppelter Staatsbürgerschaft oder mit einer Aufenthaltsgenehmigung eines anderen Staates.

Ab dem 7. Juli 2020 werden Tickets von Moskau nach Alicante und Nizza auch von der russischen Fluggesellschaft S7 verkauft, berichtet die Website der Fluggesellschaft. Darüber hinaus erhielt S7 die Genehmigung für ausgehende Charterflüge aus Spanien und Frankreich. Der Flug ist nur für Bürger des Ziellandes, der Europäischen Union und des Schengener Abkommens erlaubt.

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