Dieser Russe glaubt an die Unsterblichkeit

Aus dem persönlichen Archiv; Getty Images
Alexei Turchin, 47, aus Moskau, erforscht die digitale Unsterblichkeit durch Künstliche Intelligenz.

Alexei Turchin befindet sich wie so viele Menschen in Selbstisolation, doch ist er dabei keineswegs untätig. Er arbeitet nicht nur an seinem neuen Buch mit dem Titel „Unsterblichkeit“, sondern sammelt auch regelmäßig riesige Datenmengen über sich selbst: DNA aus seinen Zehennägeln, Schilderungen seiner Träume und detaillierte Beschreibungen seines Tagesablaufs als Audiodatei. Was treibt ihn an? Turchin will möglichst lange leben und ist zudem von der digitalen Unsterblichkeit überzeugt. 

Er glaubt, dass Künstliche Intelligenz, KI, eines Tages so viel Macht haben wird, dass sie persönliche Daten in ihr System übernehmen kann und dem Menschen so Unsterblichkeit ermöglicht. 

Datensammeln ist für ihn nur eine Option auf dem Weg dahin. Er sieht noch zwei weitere Möglichkeiten (eng), nämlich einmal, durchzuhalten, bis die Künstliche Intelligenz stark genug ist: „Bislang setzt der Alterungsprozess dem Leben des Menschen ein Ende. Wenn wir diesen aufhalten könnten, dann könnten wir bis zu 3.000 Jahre alt werden", meint er. „Die Bekämpfung des Alterns ist in diesem Szenario nur ein erster Schritt zur Erlangung der Unsterblichkeit. Wenn wir zu früh sterben, erleben wir die Technologien nicht mehr, mit denen wir zum Beispiel zu Cyborgs werden können und uns selbst in einen Supercomputer herunterladen können.“ 

Alexei Turchin

Die dritte Option ist für ihn die Kryonik. Dabei werden der Körper und/oder das Gehirn von Menschen in flüssigem Stickstoff bei niedrigen Temperaturen aufbewahrt, in der Hoffnung, dass die Menschheit eines Tages in der Lage sein wird, sie wiederzubeleben und das Gehirn zu „scannen“, um eine digitale Kopie zu erstellen.  

Digitale Unsterblichkeit ist unvermeidlich

Aber wann genau wird die KI so weit sein? Es wird nicht vor 500 Jahren so weit sein, meint der russische Forscher.

„Die Entwicklung der KI geht ziemlich schnell voran, aber wir sind noch weit davon entfernt, einen Menschen auf einen Computer herunterzuladen. Wenn wir dabei gute Aussichten auf Erfolg haben wollen, dann rechnen Sie mit [dem Jahr] 2600, um sicher zu sein“, sagt er und fügt hinzu, dass es einfachere und unvollkommenere Versionen einer solchen KI schon innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte geben könnte. 

Seiner Meinung nach könnte dabei die Coronavirus-Pandemie sogar eine antreibende Kraft sein: „Die Pandemie wird das öffentliche Interesse an Biologie, Virologie und Maßnahmen, die Lebensdauer zu verlängern, erhöhen. Ältere Menschen sind durch Covid-19 besonders betroffen. Uns wird bewusst werden, dass wir ein effizienteres Gesundheitssystem brauchen, um mit solchen Bedrohungen umzugehen. Dies könnte möglicherweise dazu führen, dass Mediziner mehr Einfluss auf die Prioritäten in der Forschung nehmen können und die durchschnittliche Lebenserwartung steigt“, sagt Alexei.   

Die Menschheit wird unweigerlich die Entstehung digitaler Unsterblichkeit in irgendeiner Form erleben, aber was wir derzeit in Filmen und TV-Shows wie „Transzendenz“ oder "Black Mirror“ sehen, wird Fiktion bleiben, meint Alexei. „Ich mag ‚Westworld‘, aber es ist nicht real. Ein Film braucht Konflikte, um unterhaltsam zu sein. Aber im wirklichen Leben ist dies nicht immer der Fall“, erklärt er. 

„KI wird im Film oft als seelenlos oder unvollkommen dargestellt, aber das muss nicht unbedingt so sein“, ist er überzeugt. Ideal wäre, eine KI zu entwickeln, die ein Freund der Menschheit ist. „Sie würde daran interessiert sein, menschliche Werte zu bewahren und wird in der Lage sein, ein vollständiges Modell unserer Geschichte zu erstellen und jedes Individuum als Teil dieser Simulation neu zu erschaffen. So können wir nicht nur einmal leben“, sagt Alexei. 

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