In den 1970er Jahren versuchten sowjetische Ingenieure herauszufinden, wie die Höchstgeschwindigkeit eines Zuges mit einem... Strahltriebwerk sein könnte. Der Name des Projekts lautete: Hochgeschwindigkeits-Laborwaggon.
Die Idee, dass Züge „fliegen“ könnten, begeisterte die Wissenschaftler im 20. Jahrhundert. Um es gleich vorweg zu nehmen: Es ist ihnen gelungen. Es handelte sich um einen Waggon, der mit einer Geschwindigkeit von 250 km pro Stunde über die Schienen „flog“ Dennoch wurde er nie in Serie produziert. Was war der Grund dafür? Und wie sah die Konstruktion aus?
Sowjetische Ingenieure versuchten erstmals vor hundert Jahren, einen Zug „fliegen“ zu lassen, als Walerian Abakowskij, ein einfacher Chauffeur aus der Stadt Tambow (460 km von Moskau entfernt), die Eisenbahnwerkstatt in seiner Heimatstadt überredete, ihn als Lokführer fahren zu lassen. In den frühen 1920er Jahren entwarf er dann den Aerowagon – einen Eisenbahnwaggon mit Flugzeugmotor und Propeller.
Walerian Abakowskij.
Public domainAbakowskijs Waggon beschleunigte auf 140 Stundenkilometer, eine für die damalige Zeit beispiellose Geschwindigkeit. Bis zum Sommer 1921 hatte das Projekt mehr als dreitausend Kilometer erfolgreich zurückgelegt, die Entwicklung wurde als Erfolg gewertet und es wurde beschlossen, es für die schnelle Beförderung besonders wichtiger Personen einzusetzen.
Abakowskijs Waggon.
Public domainAm Morgen des 24. Juli 1921 brachen Abakowskij selbst und eine Delegation mit ausländischen Kommunisten zu den sowjetischen Bergarbeitern nach Tula auf. Die Reise dorthin verlief ohne Zwischenfälle, der Aerowagon war mit einer Geschwindigkeit von 40-45 km/h unterwegs. Doch auf dem Rückweg beschloss die Delegation, das Tempo zu erhöhen. Der Aerowagon beschleunigte auf 85 Stundenkilometern, entgleiste bei voller Geschwindigkeit und zerschellte. Von den 22 Personen an Bord überlebten sechs den Unfall nicht.
Der Hochgeschwindigkeits-Laborwaggon war 1966 der zweite sowjetische Versuch, einen Hochgeschwindigkeitszug zu bauen. Zur gleichen Zeit liefen in den USA ähnliche Tests: Das Projekt mit der Kennnummer M-497 und dem Codenamen Black Beetle wurde von der New York Central Railroad in Auftrag gegeben. Er erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von 296 km/h, bei einer Masse von 51,3 Tonnen.
"Black Beetle".
Central Press/Getty ImagesIn der Sowjetunion beschloss man, Schritt zu halten, und in den 1960er Jahren arbeitete das Kalininer Werk an einem eigenen Zug auf der Grundlage des Elektrotriebwagens ER22. Er war mit zwei AI-25-Triebwerken ausgestattet, die in den damals hochmodernen Jak-40-Flugzeugen verwendet wurden.
Die Einrichtung des Hochgeschwindigkeits-Laborwaggons.
TASSUm den Luftwiderstand zu verringern, wurden Kopf- und Heckverkleidungen angebracht, und auch die Bremsen wurden erheblich verbessert – sie mussten beim Anlassen der Motoren eine enorme Belastung aushalten. Der Zug wurde in einem Windkanal getestet, wofür 15 verschiedene Waggonmodelle gebaut werden mussten.
Der Triebwagen wurde am 20. Oktober 1970 fertiggestellt. Er wog 59 Tonnen, davon wog das Kerosin alleine schon sechs Tonnen. Die Beschleunigung betrug nur 10-15 Sekunden von 0 auf 50 km/h, und die Rekordgeschwindigkeit 249 km/h (nach anderen Quellen 274 km/h), was die höchstmögliche Geschwindigkeit für diese Eisenbahnstrecke war.
Er wurde jedoch nicht der erste Hochgeschwindigkeitszug.
Dafür gab es mehrere Gründe. Zunächst waren umfangreiche Anpassungen für den Betrieb eines Hochgeschwindigkeitszuges erforderlich: Um zu verhindern, dass der Schotter, auf dem die Gleise verlegt waren, weggeblasen wurde, musste er durch eine geschlossene Betondecke ersetzt werden.
Zweitens hätten die Bahnsteige ersetzt werden müssen: Die Bahnhöfe hätten wegen des Lärmpegels der Lokomotive in größerer Entfernung von Wohngebieten errichtet werden müssen.
Man erkannte, dass neue Gleise und neue Bahnhöfe das Projekt wirtschaftlich unrentabel machen würden, das Projekt jedoch nicht nutzlos sei. Das Programm für Hochgeschwindigkeits-Laborfahrzeuge wurde 1975 abgeschlossen, und es galt als vollständig umgesetzt. Der Düsentriebwagen wurde zu einer Quelle wertvoller Informationen über das Verhalten von Zügen bei sehr hohen Geschwindigkeiten. Diese Ergebnisse wurden bald für die Entwicklung von Hochgeschwindigkeits-Personentriebwagen, der Russischen Troika, genutzt. Der Hochgeschwindigkeits-Laborwaggon selbst stand verlassen und verrostet auf dem Bahnhof Doroschicha in Twer.
Erst 2008 erinnerte man sich wieder an ihn. Die Nase des Waggons mit dem Düsentriebwerk wurde abgeschnitten, bemalt und als Gedenkstele zu Ehren des 110-jährigen Bestehens der Twerer (der ehemaligen Kalininer) Waggonwerke aufgestellt.
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