Die Technology Transfer Centers integrieren Hochschulen, Forscher und Unternehmen in den Innovationsprozess.
PressebildMit einem schwarzen 3-D-Drucker, einer tischgroßen Fräse, Handabdrücken, die an Seilen von der Decke herunterhängen, und einem Haufen Silikon-Schwimmhandschuhe sieht das Innovation-Studio-Lab an der Wirtschaftsfakultät der Moskauer Staatlichen Universität nicht gerade wie ein typischer Seminarraum aus. Es ähnelt eher einem Büro in einemIT-Start-up. Forscher präsentieren hier ihre Projekte und loten die Balance zwischen Angebot und Nachfrage aus, um ihre Ideen erfolgreich zu vermarkten.
Das Innovationsstudio wurde 2007 von der MSU und Intel ins Leben gerufen als Herzstück des Technology Transfer Centers mit dem Ziel, Wirtschaft, Wissenschaft und Industrie zu vernetzen. Das Vorhaben soll russische Forscher dabei unterstützen, ihre Erfin-dungen zu lizensieren, zu patentieren und letztendlich erfolg- reich zu vermarkten. „Es ist eine Art Labor zur Realisierung von Produkten. Hier werden Projekte von ihrer ersten Entwicklungsstufe an begleitet, ihre Marktfähigkeit und die Tragfähigkeit des Geschäftsmodells werden getestet und die Nachfrage generiert“, erläutert der Leiter des Projekts Georgij Laptew.
Wie ein universitäres Technology Transfer Center (TTC) zu funktionieren hat, weiß Laptew aus seiner jahrelangen Erfahrung an der kanadischen University of Alberta. „Die Idee stammt aus den USA. Zwei Ziele stehen dabei im Vordergrund: geistiges Eigentum, das die Uni schließlich mit Steuergeldern finanziert, durch Lizenzen und Patente zuschützen und neue Technologien zu vermarkten, entweder durch Lizenzvergabe oder durch Unternehmensgründungen“, erklärt der Wissenschaftler im einem Gespräch mit RBTH.
Das Innovation-Studio-Lab an der Wirtschaftsfakultät der Moskauer Lomonossow-Universität sieht nicht gerade wie ein typischer Seminarraum aus. Foto: Pressebild
Ob eine Unternehmensgründung der effektivere Vertriebsweg für eine Erfindung ist, prüfen die TTC-Manager. Im nächsten Schritt unterstützt die Hochschule ihre Erfinder dabei, Investoren für ein Start-up zu akquirieren. Auf diese Weise integrieren die Zentren Hochschulen, Forscher und Unternehmen in den Innovations- prozess. „Investoren für ein Start-up zu begeistern ist ein zentrales Ziel des Transfer Centers“, betont Laptew. „Danach gibt die Uni grü-nes Licht für die Unternehmensgründung und vergibt eine Lizenz an die neu gegründete Firma.“
Seit 15 Jahren gibt es solche
Technology Transfer Centers an russischen Hochschulen. Bis 2016 soll jede Universität, die an dem staatlichen Programm „5-100“ teilnimmt, über eines verfügen.
Ziel dieses Programms ist es, die Wettbewerbsfähigkeit russischer Hochschulen im lokalen und globalen Kontext zu steigern. Schließlich kämpfen sie darum, tragfähige Verbindungen zur Wirtschaft aufzubauen und ihre Projekte zu vermarkten.
Theorie und Praxis
Gegenwärtig kooperiert die Uraler Föderale Universität mit Siemens und Boeing. Und das Industrial Engineering Center der Sankt Petersburger Polytechnischen Universität arbeitet eng mit BMW und Rolls-Royce zusammen.
Die ersten Schritte im Transfer Center seien gänzlich unkompliziert, berichtet Laptew: Ein Wissenschaftler kommt ins TTC, stellt seine Erfindung im Detail vor und erläutert ihr Vermarktungspotenzial. Die TTC-Manager, die über entsprechende fachliche Expertise verfügen, evaluieren das Angebot. „Die Manager sind mit der Wirtschaft direkt vernetzt und können so die Ideen des Entwicklers ansässigen Unternehmen anbieten oder ein Start-up empfehlen. Sie werden zu Vermittlern zwischen Akademikern und Unter- nehmern und übersetzen die komplexen wissenschaftlichen Vorhaben in eine Sprache, die die Wirtschaftsvertreter sofort verstehen“, erklärt Laptew.
Die Zentren tragen dazu bei, klare Vorstellungen von Angebot und Nachfrage in einem spezifischen Bereich zu entwickeln und die Implementierung der Ideen voran-zubringen. So war es auch bei Lew Gorilowskij, einem Master-Absolventen im Bereich Innovationsmanagement an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der MSU. Er entwickelte eine Technologie, die nicht-metallische Objekte wie Polymerrohre und Kabelschächte sowie ihre komplexen Verläufe unterhalb der Stadt aufspüren kann, ohne die Asphaltschicht entfernen zu müssen. „Diese schnelle und effiziente Identifikationsmethode kann die Arbeit von Energieversorgern oder Telekommunikationsdienstleistern sicherer und effizienter gestalten“, ist der Erfinder überzeugt. Als potenziellen Kunden sieht er etwa den russischen Gasgiganten Gazprom.
Als Gawrilowskij seine Entwicklung potenziellen Investoren präsentierte, wurde klar: Um seine Idee bis zur Marktreife zu bringen, braucht er eine technologische Infrastruktur, die innerhalb der Universität im erforderlichen Umfang nicht gegeben war. Also musste er auf die Forschungs-plattformen zahlreicher Unternehmen zurückgreifen. „Hätte die MSU die nötigen Voraussetzun-gen auf dem Campus geschaffen, würde der Forscher seine Ideen schneller und effizienter hier verwirklichen können“, rügt Laptew.
Kommerzialisierung als Hoffnungsträger
Trotz zahlreicher TTC-Gründungen an den russischen Hochschulen müssen einige Herausforderungen noch angegangen werden. Die permanente Unterfinanzierung von Ausstattung und Personal ist eine davon. Zudem würden viele Hochschulen die Zentren als eine Quelle großer Profite begreifen. „Doch die Erfahrungen der großen US-amerikanischen Forschungsuniversitäten – MIT, Stanford, Harvard, UC Berkeley – zeigen, dass der Technologietransfer relativ geringe Gelder einfährt. Die Mittel machen nur wenige Prozent des Forschungsetats aus“, klärt Laptew auf.
Die Einrichtung einer innovativen und interdisziplinären Infrastruktur, die Wissenschaft und Management, technologische und kreative Plattformen effektiv integriert, macht den Hochschulen in Russland zu schaffen. „Unsere TTCs funktionieren, doch sollten wir lokale statt globale Maßstäbe ansetzen. So gesehen ist es noch zu früh, die Arbeit der Zentren als einen Erfolg zu bezeichnen.“
Hieraus entspringt ein weiteres Problem russischer Hochschulen: Es fehlt ihnen an Mut, in Dimensionen des globalen Innovations- und Technologiewettbewerbs zu denken und zu handeln.
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