Bild: Natalia Mikhaylenko
Heute leben hier etwa 4,5 Millionen Aussiedler. Ein großer Teil von ihnen ist in den Neunzigerjahren nach Deutschland gekommen. Zu dieser Gruppe gehöre auch ich. Ich bin mit meinen Eltern und meinem älteren Bruder 1993 von Kasachstan nach Deutschland übergesiedelt. Da war ich zwölf Jahre alt. Ich ging danach zur Schule, habe mein Abitur gemacht, Wehrdienst geleistet und studiert.
Heute denke ich, dass ich und die meisten meiner russlanddeutschen Freunde, die einen ähnlichen Lebenslauf haben, mittlerweile gut in die deutsche Gesellschaft integriert sind.
Einen großen Anteil daran hatte sicherlich die damalige Politik. Denn sobald wir einen Fuß nach Deutschland gesetzt hatten, erhielten wir unproblematisch und in relativ kurzer Zeit einen deutschen Pass. Darüber hinaus gewährte man uns die Möglichkeit, an Integrations- und Deutschkursen teilzunehmen sowie von einer breiten Palette sonstiger Unterstützungen seitens des Staates zu profitieren. Von der Politik wurden wir somit nicht als Migranten behandelt, sondern als Deutsche, die in die alte Heimat zurückgekehrt sind. Dieser Tatsache ist es auch zu verdanken, dass in puncto Integration bei der Gruppe der Russlanddeutschen viel erreicht wurde. Insbesondere die zweite und dritte Generation der Aussiedler hat sich zum Großteil assimiliert.
Anders ging es der ersten Generation. Sie wurde nach der Übersiedlung als „russisch“ stigmatisiert und konnte sich in dem für sie fremden Land nicht einfügen, nicht den sozialen Status erreichen, den sie in ihrer alten Heimat innehatte. Gerade bei den Jüngeren trug dies zu einer tendenziellen Selbstabgrenzung und oftmals zu massiven Integrationsproblemen bei. Und gerade diese Gruppe ist es auch, die aufgrund ihres gewalttätigen und kriminellen Verhaltens von der Öffentlichkeit stärker wahrgenommen und für Pauschalisierungen jeglicher Art missbraucht wird.
Trotz Rückschlägen kann man aber die Integration in die deutsche Gesellschaft als gelungen bezeichnen. Die Russlanddeutschen haben die Bundesrepublik vor noch massiverem Bevölkerungsschwund bewahrt. Und betrachtet man die Bildungserfolge vor allem der zweiten und dritten Generation, ist ein qualitativer Zugewinn für die deutsche Gesellschaft festzustellen.
Dietrich Jochim ist Haupt-referent Handelsdisposition beim Verbundnetz Gas AG und Mitglied im Deutsch-Russischen Forum. Er wurde 1981 in Kasachstan geboren und lebt seit 1993 in Leipzig.
Alle Rechte vorbehalten. Rossijskaja Gaseta, Moskau, Russland
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