Der bayerische Ministerpräsident versuchte sich in Moskau an großer Politik.
ReutersDem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) wurde im Kreml ein freundlicher Empfang durch Russlands Präsidenten Wladimir Putin bereitet. Seehofer warb für ein Entgegenkommen in der Ukraine-Krise im Gegenzug für eine Lockerung der EU-Sanktionen gegen Russland. Doch weder in der einen noch in der anderen Frage gab es eine erkennbare Annäherung. Dafür aber viele höfliche Worte. Und ein Treffen mit Menschenrechtsaktivisten.
Die Atmosphäre in Moskau war freundlich und nett. Seehofer konnte sich wie ein ganz wichtiger Gast fühlen. Putin vergab sich nichts, ihn das auch spüren zu lassen. Putin war und ist sich bewusst, dass der bayerische Ministerpräsident gern ein „König“ wäre und laut wie ein Löwe brüllen kann, doch bewegen kann er eben in der großen Politik nur wenig. Diese große Politik wird in Berlin gemacht. Dort heißt die Chefin aber Kanzlerin Angela Merkel. Seehofer wollte dennoch in Moskau demonstrieren, dass auch er ein „global Player“ sein möchte.
So wiederholte Seehofer gern, was er seit über einem Jahr immer wieder fordert: Die Sanktionen, die die Europäische Union 2015 wegen der Angliederung der Krim durch Moskau verhängt hatte, müssen weg, zumindest gelindert werden. Bayern leidet schwer darunter. So ist es ein großes Eigeninteresse des bayerischen Ministerpräsidenten, gegen das Fortbestehen der Sanktionen zu sprechen.
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Russland und Bayern sind für das Bundesland von enormer Bedeutung. Putin lobte diese Beziehungen während des Besuches. „Liebe Freunde“, sagte er zu Seehofer und seinen Begleitern im Kreml, „was den Handel angeht, rangiert Bayern natürlich auf dem ersten Rang unter den deutschen Bundesländern.“ Dies sei ausdrücklich Seehofers Engagement zu verdanken, sagte Putin.
„Interessanter- und überraschenderweise hat der Handel mit Bayern im vergangenen Jahr um vier Prozent zugenommen, während er mit den übrigen Bundesländern und ganz Deutschland um 4,8 Prozent zurückgegangen ist“, fügte der Präsident hinzu. Er hoffe, dass sich die Beziehungen auch durch den Besuch Seehofers weiter verbessern würden. Diese Bedeutung unterstrich Seehofer schon damit, dass er fast 100 Wirtschaftsvertreter mit nach Moskau genommen hatte.Bayerns Wirtschaft und vor allem auch die Landwirtschaft leiden schwer unter den Sanktionen. Dies unterstrich noch einmal Alfred Gaffal, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Er hatte schon 2016 mehrfach wiederholt: „Russland ist ein wichtiger Zukunftsmarkt für uns – nicht nur als Rohstofflieferant, sondern auch als Abnehmermarkt. 6 000 deutsche und 1 500 bayerische Unternehmen haben dort in den letzten 25 Jahren erfolgreich Geschäftsbeziehungen aufgebaut. Für diese Firmen sind die Sanktionen eine enorme Belastung. In den letzten Monaten mussten sie Rückgänge um bis zu 30 Prozent verkraften. Die Sanktionen bewirken, dass sich die russischen Unternehmen stärker nach China oder in die Türkei orientieren. Wenn dieses Geschäft mal weg ist, dann tut uns das weh!“
In der Landwirtschaft sieht es nicht besser aus. Aus einer Analyse des Deutschen Bauernverbandes (DBV) von 2016 zum russischen Importstopp für Nahrungsmittel geht hervor, dass die Agrarexporte von Deutschland nach Russland von etwa 1,8 auf 0,9 Milliarden Euro halbiert wurden. Seehofer fasste diese Lage kurz zusammen: „Dialog und Austausch sind nicht nur für die Lösungen von Konflikten wichtig, sondern auch für die wirtschaftliche Zusammenarbeit.“
Die Krise um die Ukraine, deren Angliederung durch Russland 2014 zu den Sanktionen führte, muss also gelöst werden. Gegenüber Putin sprach er dies auch direkt an. Danach verkündete Seehofer: „Ich habe ihn (Putin) mehrfach gefragt: Stehen Sie zum Abkommen von Minsk? Und er hat gesagt: Ohne Wenn und Aber“. Seehofer betonte, er habe intensiv für die Umsetzung des Abkommens geworben. Zugleich verwies er darauf, dass auch die Ukraine eine Bringschuld für eine friedliche Lösung habe. „Minsk ist ein Abkommen, das zwei Verpflichtete hat.“
Im Abkommen von Minsk verpflichtete sich Putin 2015 unter anderem, auf eine umfassende Waffenruhe der beteiligten Konfliktparteien in der Ostukraine zu drängen, die schweren Waffen abzuziehen und alle fremden Truppen, fremde Kämpfer („Söldner“) und alle ihre Waffen vom Gebiet der Ukraine zurückzuziehen. Das ist bisher nicht geschehen. Im Gegenteil, der Krieg im Osten der Ukraine geht unvermindert weiter. „Wir brauchen die Russen, und die Russen brauchen uns“, sagte der Präsident der bayerischen Wirtschaft, Alfred Gaffal, nach dem Ende der Gespräche.Ob Putin am Ende mit dem Besuch zufrieden sein kann, ist eher zweifelhaft. Seehofer machte schon in Moskau deutlich, dass es keine Forderung nach einem einseitigen Ende der Sanktionen geben werde. Das sei nur möglich, wenn es in der Ukraine zu einem dauerhaften Waffenstillstand komme. In diesem Punkt war und ist Seehofer völlig eins mit der Bundesregierung.
Dieses Knäuel zu entwirren, obliegt aber der Kanzlerin. Sie fährt am 2. Mai nach Moskau zu Putin. Dann wird wieder große Politik gemacht. Seehofer – und das hat Putin bei diesem Besuch erkannt – ist nicht der „Big Player“ in der großen Politik. Auch wenn er mit einer sehr großen Delegation nach Moskau kam. Seit der Bayer Russland-Politik im Sinne der Kanzlerin macht, braucht Putin solche Besuche nicht mehr. Bei den letzten Besuchen von Seehofer war das noch anders gewesen: Da setzte er sich von Merkel ab. Jetzt ist er aber voll auf der Ebene der Kanzlerin. Und sie ist dann doch lieber die Gesprächspartnerin von Putin als Seehofer. Ein netter Besuch war das, mehr aber auch nicht.
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