Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer ist zu Besuch in Moskau.
ReutersDer bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer übt derzeit viel Kritik an der Bundesregierung: Die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel sei falsch, die Rhetorik des Kalten Krieges in den Beziehungen mit Russland seien zu unterlassen, die gegen Russland gerichteten Sanktionen schadeten der bayerischen Wirtschaft. Der CSU-Politiker tritt als einer der Wenigen für eine Zusammenarbeit mit Moskau in Fragen globaler Krisen bei gleichzeitigem Bekenntnis zur Kooperation mit den USA ein.
Nun verweilt der Ministerpräsident in der russischen Hauptstadt, wo er von Mittwoch bis Freitag eine Reihe von Arbeitstreffen geplant hat. Was er von seiner Moskau-Reise, von der russischen Politik und von Angela Merkel erwartet, erzählte Seehofer in einem Gespräch der russischen Nachrichtenagentur Tass.
TASS: Herr Seehofer, Sie haben einen Besuch in Moskau vor sich. Welche Ziele verfolgen Sie dabei?
Horst Seehofer: Bayern und Moskau unterhalten schon seit Ende der achtziger Jahre eine enge Partnerschaft. Sie kommt in gegenseitigem Austausch auf unterschiedlichen Ebenen in den verschiedenen Delegationsreisen zum Ausdruck – von Beamten bis hin zu Wirtschafts- und Kulturvertretern. Zudem hat Bayern im Januar 1995 eine eigene Vertretung in Moskau eröffnet und wurde zum ersten deutschen Bundesland, das diesen Schritt unternahm. Doch außerdem ist es wichtig, mit Russland angesichts der ernst zu nehmenden globalen Herausforderungen in Kontakt zu bleiben. Russland wird gebraucht, um die globalen Krisen zu lösen.
Sie sagten, Sie werden sich auch mit Wladimir Putin treffen. Welche Themen werden Sie diskutieren? Beabsichtigen Sie, nur Fragen Aufmerksamkeit zu schenken, die für die Beziehungen zwischen Bayern und Russland aktuell sind – etwa wirtschaftliche Fragen? Oder sind auch Themen auf der Agenda, die für Deutschland insgesamt wichtig sind?
Wirtschaftsbeziehungen sind immer wichtig. Momentan stehen aber auch andere Themen im Zentrum der Aufmerksamkeit: Flüchtlinge und die Bekämpfung der Ursachen für die Entstehung von Migrationsströmen, die Sicherheit in vielen Regionen der Welt, Widerstand gegen den Terrorismus. In der Welt gibt es zahlreiche Konflikte, die wir allerorts spüren. Man denke nur an den Flüchtlingsstrom und die Terrorattacken von Paris. Ich bin überzeugt, dass diese Herausforderungen ein gemeinsames Vorgehen erfordern. Und ohne Russland ist das unmöglich. Wir würden es begrüßen, wenn Russland einen konstruktiven Beitrag leistet, und hoffen, konkrete Signale der Kooperationsbereitschaft zu erhalten. Darüber würde ich gerne mit dem Präsidenten reden.
Die Sanktionen gegen Russland wurden um ein halbes Jahr verlängert, ohne vorhergehende ernsthafte Diskussion. Sind Sie der Ansicht, dass man einen Schritt auf Russland zugehen könnte?
Ich entscheide mich immer für den Weg des Dialogs. Die Sanktionen der Europäischen Union sind eine Reaktion auf das Vorgehen Russlands in der Ukraine. Auf diese Weise will Europa die Umsetzung der Minsker Abkommen durchsetzen. Ungeachtet des Fortschritts muss noch einiges getan werden. Wir müssen versuchen, zu einer normalen Atmosphäre des Dialogs und zum vernünftigen Umgang zurückzukehren.
Könnte eine solche automatische Verlängerung der Sanktionen die Suche nach einer Lösung der Ukraine- und der Syrien-Krise erschweren?
Ich bin fest davon überzeugt, dass Konflikte durch den Dialog gelöst werden müssen. Der Meinungsaustausch ist wichtig, um gegenseitiges Verständnis und letztendlich auch eine Annäherung zu erreichen. Jedenfalls sind dafür Schritte von beiden Seiten erforderlich. Russland ist gefragt, doch für mein Verständnis bedeutet das auch eine große Verantwortung.
Welche Folgen könnten auf Bayern und Deutschland insgesamt wegen der restriktiven Maßnahmen zukommen?
Die gegen Russland gerichteten Sanktionen üben selbstverständlich Einfluss auf die Handelspartner in der EU, in Deutschland und Bayern aus. Bayerns Wirtschaft ist stark betroffen – es geht unter anderem um den Agrar- und Lebensmittelsektor. Im Interesse aller Seiten hoffe ich, dass eine Lösung dieses Konflikts bald gefunden sein wird.
Dieser Beitrag erschien zuerst bei TASS.
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