Vorsicht, Merkel! Zwei Scherzbolde provozieren die Welt

Wladimir Kusnezow (Wowan, links) und Alexei Stoljarow (Lexus, rechts) bezeichnen ihre Tätigkeit als Prank-Journalismus.

Wladimir Kusnezow (Wowan, links) und Alexei Stoljarow (Lexus, rechts) bezeichnen ihre Tätigkeit als Prank-Journalismus.

Alexander Shcherbak/TASS
Wladimir Kusnezow und Alexei Stoljarow machten letztes Jahr Schlagzeilen mit einem gefakten Telefonanruf des russischen Präsidenten bei Popstar Elton John. Er ist nicht das einzige prominente Opfer der beiden Journalisten. Am 30. April startet eine TV-Show mit den beiden Scherzbolden.

Stellen Sie sich vor: Ihr Telefon klingelt, Sie greifen zum Hörer und am anderen Ende der Leitung meldet sich der russische Präsident Wladimir Putin.

Ob Sie sich freuen oder fürchten, hängt von ihrer politischen Einstellung ab. Doch reagieren sollten Sie in jedem Fall mit Bedacht. Sonst kann es passieren, dass Sie den russischen Scherzbolden Wowan und Lexus auf den Leim gehen.

Wladimir Kusnezow (Wowan) und Alexei Stoljarow (Lexus) bezeichnen ihre Tätigkeit als Prank-Journalismus. Dabei handelt es sich um eine besondere Art des Telefonstreichs: Sie nehmen ihre Gesprächspartner nicht einfach auf den Arm, sondern ermitteln auf diese Weise brisante Informationen.

Die Liste ihrer Opfer ist beeindruckend. Als Wladimir Putin und sein Pressesprecher getarnt rief das russische Duo beim britischen Popsänger Elton John an, um über die Rechte der Schwulen- und Lesbenbewegung in Russland zu sprechen. Unter den Namen des ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko und des damaligen Premierministers des Landes Arsenij Jazenjuk sprach das Gespann mit dem türkischen Präsidenten Erdoğan. Im Namen Poroschenkos schrieben die beiden an die ukrainische Pilotin Nadeschda Sawtschenko mit der Bitte, den Hungerstreik zu beenden. Sie willigte ein.

Journalisten und Agenten zugleich

„Bei unserer Arbeit muss man ein bisschen Journalist und ein bisschen Agent sein“, erklärt Wowan. „Und man braucht natürlich eine gehörige Portion Humor“, fügt er hinzu.  Einmal gaben sich die beiden als ukrainische Beamte aus, um mit den Krim-Tataren, die die Blockade der Halbinsel organisiert hatten, ins Gespräch zu kommen. So fanden die beiden heraus, wer im November 2015 die auf die Krim führende Stromleitung gesprengt hatte. Alle Ergebnisse ihrer Ermittlungen haben sie an die Staatsanwaltschaft der Halbinsel weitergeleitet.

Dass den beiden regelmäßig Kremlgegner zum Opfer fallen, ist sicherlich kein Zufall. Sie seien Patrioten und unterstützten Putins Politik. Doch im Auftrag des Kremls arbeiteten sie nicht, betonen Kusnezow und Stoljarow.

Auf Spaßanrufe bei russischen Politikern wie Tschetscheniens Oberhaupt Ramsan Kadyrow oder Personen des öffentlichen Lebens wie dem Patriarchen Kyrill würden die beiden jedoch verzichten: „Das destabilisiert die Lage im Inneren“, geben sich die Journalisten diplomatisch. 

Der lange Arm der Scherzbolde

Wie sie an die Rufnummern von Staatschefs und anderen Berühmtheiten herankommen, verraten Wowan und Lexus nicht. Gerüchte über angebliche Verbindungen zum Geheimdienst kommentieren sie indes mit sichtlicher Ironie. Die Kontaktdaten fänden sie selbst oder mit Hilfe von gewissen Freunden. An ihr Ziel gelangten sie nach eigenen Angaben durch eine lange Kette vertrauter Personen, wobei sie ganz unten anfingen: „Es gibt Menschen, die bereit sind, uns zu helfen“, sagt Kusnezow. Andere helfen unwissentlich, weil Wowan und Lexus sich mit falschen Namen vorstellen. „John McCains Rufnummer zum Beispiel haben wir von Saakaschwili“, sagt Stoljarow. Micheil Saakaschwili war einst Präsident Georgiens und ist heute Gouverneur der ukrainischen Region Odessa.

Wirklich politisch motiviert sei ihre Tätigkeit jedoch gar nicht: „Wir sind nicht extra auf der Suche nach Russlands Gegnern, um mit dem Finger auf sie zu zeigen“, erklärt Kusnezow. Das Wichtigste sei ein interessantes Thema. Aus eben diesem Grund hätten sie im vergangenen Herbst Elton John angerufen. „Er sagte, dass er mit Putin über die Schwulen- und Lesbenbewegung reden will. Wir dachten, das ist eine gute Idee“, sagt Kusnezow. 

Doch es gebe auch Tabus, die die beiden niemals brechen: „Sich über alte oder kranke Menschen lustig zu machen, geht nicht. Wir provozieren auch niemanden, der uns persönlich sympathisch ist. Und wir nehmen keine Kommerzaufträge an“, betont Stoljarow.

Wer ist der Nächste?

Barack Obama oder Angela Merkel wären für Wowan und Lexus gerngesehene Gesprächspartner. „Europäische und US-amerikanische Staatschefs sind eine Top-Nummer. Das ist natürlich sehr schwer. Ich sage nicht, dass wir dabei sind, ihre Kontakte zu suchen. Doch der Wunsch, mit ihnen zu reden, ist da“, so Kusnezow.  

Im russischen TV-Sender „NTV“ startet am 30. April eine neue Show mit den beiden. „Der Anruf“ soll sie heißen. Wowan und Lexus nehmen ein besonders heikles Ereignis aus dem Tagesgeschehen und rufen die daran beteiligten Persönlichkeiten an. Was diese dann verraten, freiwillig oder unfreiwillig, wird im Studio mit Gästen diskutiert.

RBTH-Check

Nach russischem Gesetz ist es nicht verboten, sich unter falschem Namen am Telefon vorzustellen, sofern die Gesprächspartner nicht beleidigt oder bedroht werden. Strafanzeigen gegen Wowan und Lexus wurden in Russland nicht gestellt. In der Ukraine sei man weniger großzügig gewesen, sagt Stoljarow. Die dortigen Behörden hätten seinen Kollegen und ihn angezeigt.

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