Erneute Einnahme von Palmyra: Russland fürchtet um sein Image

Nach ihrer Befreiung im März galt die Stadt eigentlich als gesichert.

Nach ihrer Befreiung im März galt die Stadt eigentlich als gesichert.

AP
Der „Islamische Staat“ hat erneut die Unesco-Weltkulturerbestadt Palmyra in Syrien erobert. Die Waffenruhen als auch die Kämpfe um Aleppo hätten den Terroristen dabei geholfen, sagen russische Militärexperten. Waren die Anstrengungen der russischen Streitkräfte umsonst?

Kämpfer der Terrororganisation „Islamischer Staat“ haben die Kontrolle über Palmyra zurückerlangt, erklärte der Gouverneur der Provinz Homs, Talal Alborzi, am Sonntag. Seit vergangenem Donnerstag kämpfen die Terroristen wieder um die bereits als sicher geglaubte Stadt, nachdem Aleppo von den IS-Milizen nahezu befreit worden war. Mittlerweile befinden sich etwa 93 Prozent von Aleppo wieder unter der Kontrolle der syrischen Regierung.

Ein Imageschaden für Russland

Die geschichtsträchtige Stadt Palmyra war erst am 27. März dieses Jahres mit Unterstützung russischer Truppen vom IS befreit worden – es war einer der bedeutendsten Erfolge des russischen Syrien-Einsatzes. Im Amphitheater der Stadt, das von den Römern im zweiten Jahrhundert vor Christus errichtet wurde, gab das Symphonieorchester des Mariinski-Theaters unter Leitung von Waleri Gergijew gar ein Galakonzert.

Die erneute Einnahme Palmyras durch den IS bedeute einen Imageverlust für Russland, bedauert Juri Balujewskij, General und ehemaliger Chef des Generalstabs der russischen Streitkräfte, in einemInterview mit der Nachrichtenagentur Interfax. Andrej Susdalzew, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsuniversität der Higher School of Economics, entgegnet, der Verlust sei lediglich eine taktische, aber keine strategische Niederlage. Auf den Ausgang des Kriegs werde er keine Auswirkungen haben.

Feuerpausen nützen vor allem dem Feind

Militärexperten machen für die Eroberung Palmyras durch den IS die Feuerpausen verantwortlich. „Ich verstehe, dass die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet und sie aus der Schusslinie herausgeholt werden muss. Aber wenn diese Waffenstillstände mehrere Wochen andauern, können die Kämpfer ihre Kräfte regenerieren“, bemerkt Juri Balujewskij.

„Eine anhaltende Waffenruhe gestattet es den Terroristen, sich neu zu organisieren, Nachschub sicherzustellen, die Kommunikation wieder aufzubauen und schließlich einen Gegenangriff zu starten“, meint auch Dmitrij Safonow, Militärexperte der Zeitung „Iswestija“, zu RBTH.  

Während der letzten humanitären Pause hätten mehr als anderthalbtausend Menschen Aleppo verlassen, sagt Safonow, der größte Teil davon seien aller Wahrscheinlichkeit nach IS-Kämpfer gewesen. „Sie sind nicht in den Irak oder in die Türkei gegangen, sondern in Syrien geblieben“, glaubt der Experte.

Kann Palmyra zurückerobert werden?

Militärexperte Balujewskij geht davon aus, dass die russischen und syrischen Streitkräfte die Kontrolle über die Stadt zurückerlangen werden. Safonow glaubt allerdings, dass die Kämpfe um Palmyra in einem „Blutbad“ münden werden, da die Gefechte bald wieder innerhalb der Stadt ausgetragen würden. „Die Wohngebiete Palmyras sind dicht bebaut, die Häuser haben nur wenige Stockwerke und so wird jeder Quadratkilometer hier mit dem Blut syrischer Soldaten und der Zivilbevölkerung bezahlt werden. Die Terroristen werden sie als lebende Schutzschilde einsetzen“, warnt Safonow.

Die russischen Bomber würden die Wohngebiete jedoch nicht angreifen, ist der Experte überzeugt. Für sie sei das Umland interessant, in dem sich die Kämpfer des „Islamischen Staats“ wahrscheinlich versteckt halten werden.

Die Kampfhandlungen werden schon sehr bald ihren Höhepunkt erreicht haben, glaubt Anatolij Zyganok, Leiter des Zentrums für Militärprognosen und korrespondierendes Mitglied der Akademie für Militärwissenschaften. Seiner Meinung nach werden die Kämpfe zwischen Mitte Dezember und Ende Januar entschieden. Denn danach, so erklärt Zyganok, wird Syrien „bis Ende März von starken Sandstürmen heimgesucht werden, die den Verlauf der Kampfhandlungen in der Stadt und deren Umland für längere Zeit deutlich einschränken werden“.

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