Im Januar wurde der ehemalige Junioren-Nationalspieler Basel Abdoulfattakh von Al-Dschaisch, dem stärksten syrischen Fußballklub, eingeladen und ging.
Press PhotoSchlagzeilenträchtige Spielertransfers gab es im russischen Fußball schon häufiger. Samuel Eto’o, heute Stürmer bei Antalyaspor in der Türkei, war einst der bestbezahlte Fußballer der Welt beim russischen Fußballklub Anschi Machatschkala. Auch die Verpflichtung des Brasilianers Hulk erregte Aufsehen. Doch besonders kurios scheint dieser Wechsel: Basel Abdoulfattakh, ehemaliger U-21-Nationalspieler, steht seit Januar in der syrischen Hauptstadt Damaskus für den Verein Al-Dschaisch auf dem Platz.
Abdoulfattakhs Vater stammt aus Syrien. Er kam in den 1980er-Jahren zum Studium in die damalige UdSSR, verliebte sich und blieb. Am 6. März 1990 erblickte Sohn Basel das Licht der Welt. Obwohl er syrischer Abstammung ist, fühlt er sich als Russe. Er wuchs in Sankt Petersburg auf, nicht anders als andere russische Kinder auch. Arabisch spricht er so gut wie überhaupt nicht. Und dennoch ging er mitten im Bürgerkrieg nach Syrien. Warum?
Wie Basel Abdoulfattakh erzählt, habe ihn besonders die Aussicht gereizt, in den Kader der syrischen Nationalmannschaft aufgenommen zu werden. In Russland blieb es bei Einsätzen in der Juniorenmannschaft. In der russischen Liga begann er bei Zenit Sankt Petersburg, spielte zuletzt aber vor allem für Zweit- und Drittligisten. Den Traum von der Sbornaja hatte er schon vor einer Weile aufgegeben.
„Syrien wurde erstmals vor zwei, drei Jahren ein Thema“, erzählt der Fußballer. „Der syrische Nationaltrainer Nizar Mahrous meldete sich bei mir und fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, für Syrien zu spielen.“ Abdoulfattakh beriet sich mit seinem Vater. Würde es sich lohnen, alle Karrierepläne in Russland über den Haufen zu werfen? 2015 reisten der Spieler und sein Vater zum ersten Mal nach Syrien. „Wir wussten nicht, ob das was wird“, erinnert sich Abdoulfattakh. Lange Zeit war die Frage nach seiner Staatsbürgerschaft ungeklärt, eine Arbeitserlaubnis hatte er auch nicht. Ein halbes Jahr musste er überbrücken. Doch dann klappte es: Im Januar dieses Jahres wurde er von Al-Dschaisch, dem stärksten syrischen Fußballklub, eingeladen und unter Vertrag genommen.
In der russischen Liga begann Abdoulfattakh bei Zenit Sankt Petersburg, spielte zuletzt aber vor allem für Zweit- und Drittligisten. Foto: PhotoXPress
Abdoulfattakh erinnert sich an seine erste Zeit in Syrien: „Als wir zum ersten Mal herkamen, war die allgemeine Lage furchterregend. Überall Militärkontrollen, Soldaten, ständige Passkontrollen. Ohne Pass konnte man überhaupt nicht auf die Straße.“ Die Lage war sehr angespannt: „Alle zehn Minuten flogen Kampfjets über die Stadt, es wurde geschossen und man hörte Explosionen.“
Seitdem habe sich die Situation in Damaskus jedoch sehr verbessert: „Seit Russlands Einsatz in Syrien herrscht deutlich mehr Ruhe. Weder Kampfjets noch Schüsse sind jetzt zu hören.“ Das Leben in den Städten, die weit von der Front entfernt liegen, sei durchaus als friedlich und wenig beeinträchtigt zu bezeichnen, meint der Sportler. „Es ist eine harte Zeit, da halb Syrien im Kriegszustand lebt. Aber die zwei Städte Latakia und Damaskus liegen außerhalb der Gefahrenzone.“
Abdoulfattakh ist beeindruckt von der Lebensfreude der Syrer und ihrer positiven Einstellung. Er hat schnell Anschluss gefunden. „Meine Teamkollegen haben mir Damaskus gezeigt. Das Stadtzentrum ist modern und wirkt sehr europäisch mit seinen Boutiquen, Cafés und großen Einkaufszentren. Das Leben blüht!“
Doch der syrische Fußball muss in Kriegszeiten mit Einschränkungen leben. Um den nationalen Titel im Syrien-Cup kämpfen 20 Teams. Aktuell werden Spiele aber nur in Damaskus und Latakia ausgetragen. „Zurzeit kommen nur wenige Zuschauer zu den Spielen“, sagt Abdoulfattakh. Al-Dschaisch ist ein Fußballklub der syrischen Armee. „Unsere Trainingsanlage befindet sich auf einem militärischen Übungsgelände. Ab und zu kommen unsere Chefs hierher, Generäle und andere Militärs“, berichtet er.
Für syrische Fußballfans ist das ein trauriges Bild. „Ich sah Fotos aus der Zeit vor dem Krieg. Da gab es erstklassige Plätze und volle Stadien.“ Erst 2007 wurde in Aleppo eine Arena für 75 000 Zuschauer eröffnet, das größte Stadion im Nahen Osten und das drittgrößte in Asien. „Leider kann dort zurzeit nicht gespielt werden“, bedauert der Spieler.
Abdoulfattakhs Vertrag bei Al-Dschaisch läuft vorerst bis Juni. Was danach kommt, steht noch nicht fest. Der Fußballer rechnet fest damit, für die syrische Nationalelf antreten zu dürfen. „Im Herbst habe ich bereits mit der Mannschaft trainiert. Die Hälfte des Teams spielt in asiatischen Ländern, in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Katar.“ Das Interesse an Spielern aus Syrien sei groß: „Die syrische Fußballschule gilt neben der iranischen in Asien als die stärkste“, erzählt Abdoulfattakh. Wenn alles so läuft, wie er es sich vorstellt und Syrien die Qualifikation schafft, wird er 2018 wieder in Russland spielen: bei der Weltmeisterschaft in Diensten der syrischen Nationalelf.
Mit Material von Sports.ru und R-Sport.
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