Staatsverschuldung: Weltbank erstellt negative Prognose für Russland

Während der Krise stieg die Armutsquote auf den Wert an, auf dem sie vor zehn Jahren lag.

Während der Krise stieg die Armutsquote auf den Wert an, auf dem sie vor zehn Jahren lag.

Reuters
Bis zum Jahr 2050 könnte die Kombination aus niedrigen Erdölpreisen und der Überalterung der Bevölkerung dazu führen, dass die Staatsverschuldung Russlands auf bis zu 250 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) ansteigt. Zu diesem Schluss kommen die Experten des Moskauer Büros der Weltbank.

Bis zum Jahre 2050 könnten die Überalterung der Bevölkerung und das Einbrechen der Einnahmen aus den Erdöl- und Erdgasexporten zu einer langfristigen Wirtschaftsstagnation und einem Anwachsen der Staatsverschuldung auf bis zu 250 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) führen. Zu diesem Schluss kam das Moskauer Büro der Weltbank in einer Studie, teilte die russische Wirtschaftszeitung „Kommersant“ mit.

Nach Angaben der Wirtschaftsexperten steht die russische Wirtschaft vor der größten Herausforderung der vergangenen 15 Jahre. Unter anderem heißt es in der Studie, dass der Rückgang des privaten Konsums in Russland der rasanteste seit 1998 gewesen ist.

Emilia Sibirjewa, stellvertretende Generaldirektorin von FinExpertisaKapital, erklärt, die Binnenverschuldung Russlands könne unter anderem durch die Ausgabe inländischer Staatsanleihen zur Deckung des Haushaltsdefizits ansteigen. Dies sei schon einmal zu Zeiten niedriger Erdölpreise in den 1990er-Jahren geschehen, wie sie anmerkt. Ein solches Szenario werde allerdings aktiv durch die Regierung bekämpft. Denn 1998 kam es in Russland zur größten Wirtschaftskrise der jüngsten Vergangenheit, nachdem das Land die Zahlungsunfähigkeit für kurzfristige Staatsanleihen erklärt hatte.

Mögliche Szenarien

Nach Angaben der Weltbank hat die Rubelabwertung Ende 2014 den meisten handeltreibenden Branchen, einschließlich der Landwirtschaft und der verarbeitenden Industrie, es nicht gestattet, den Preisvorteil im Wettbewerb auf den Binnen- und Außenmärkten zu nutzen. Dies geschah ungeachtet des von der Regierung aufgelegten Importsubstitutionsprogramms.

Die Wirtschaftsexperten glauben, dass bei der gegenwärtigen Krise der Einbruch beim privaten Konsum nicht durch einen Anstieg der Haushaltsausgaben kompensiert werden kann. Während der vorangegangenen Wirtschaftskrise im Jahre 2009 vermochte das die Regierung noch. Letztlich stieg die Armutsquote jetzt wieder auf den Wert an, auf dem sie vor zehn Jahren lag. Allein im Zeitraum von 2013 bis zum ersten Halbjahr 2015 wuchs sie von 10,8 Prozent auf 15,1 Prozent an. Im Basisszenario der Weltbank wird das Verhältnis von Staatsverschuldung zum BIP bis 2050 auf 116 Prozent ansteigen. Bei andauernd niedrigem Erdölpreis und weiterer Überalterung der Bevölkerung kann der Wert sogar 250 Prozent erreichen.

„Die beiden aufgeführten Risiken (niedriger Erdölpreis und Überalterung der Bevölkerung) lassen sich nur schwer prognostizieren“, wendet Konstantin Koristschenko ein, der stellvertretende Leiter des Lehrstuhls für Fondsmärkte und Finanzsteuerung der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst und ehemalige Vizedirektor der Zentralbank. „Allein die Entwicklung des Erdölpreises ist kaum vorhersehbar. Es existiert die Annahme, dass wir uns von der Erdölabhängigkeit durch den Wechsel zu anderen Energieträgern befreien können“, erklärt er.

Auch zur Überalterung der Bevölkerung ließen sich kaum eindeutige Prognosen erstellen, fügt er hinzu. „Wenn wir die Migrationsentwicklung in unserem Land einbeziehen, so sollten wir daran denken, dass Russland im vergangenen Jahr mehrere Hunderttausend Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen hat, von denen sich die meisten im arbeitsfähigen Alter befinden“, erläutert Koristschenko.

Die Frage der Staatsverschuldung

Wenn sich der Erdölpreis jedoch auf einem recht niedrigen Niveau einpegeln sollte, ist nach Einschätzung russischer Experten ein Anstieg der Staatsverschuldung tatsächlich nicht auszuschließen. „Theoretisch kann die Kombination aus langfristig niedrigen Erdölpreisen und dem Ausbleiben von Strukturreformen durch den Staat, vor allem beim Anheben des Renteneintrittsalters, zu einer kurzfristigen Zunahme der russischen Staatsverschuldung im Verhältnis zum BIP führen“, meint Emilia Sibirjewa.

Die Entwicklung der Ereignisse nach diesem Szenario lasse sich jedoch absolut nicht vorhersagen, betont sie. Die Expertin sieht kaum eine Gefahr, dass Russland sich in einen Superschuldner verwandeln könnte. Denn für ein solches Szenario bedürfe es nicht nur der Kombination aus niedrigen Erdölpreisen und geringer Arbeitsproduktivität, sondern dem völligen Ausbleiben von Strukturreformen über mehrere Jahrzehnte hinweg, erklärt Sibirjewa. Darüber hinaus befinde sich die Staatsverschuldung Russlands gegenwärtig mit zwölf Prozent des BIP auf einem so niedrigen Stand wie seit Langem nicht mehr. Die Staatsverschuldung der USA liegt übrigens aktuell bei etwa 101 Prozent des BIP.

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